Nach dem Anschlag in Brasilien: Tat eines „geistig Verwirrten“?
Der früher in der Partei des rechten Ex-Präsidenten Bolsonaro aktive Attentäter soll alleine gehandelt haben. Doch die Rhetorik der Rechten könnte ihn inspiriert haben.
Das Video wurde am Mittwochabend in Brasília, der Hauptstadt Brasiliens, vor dem Obersten Gerichtshof aufgenommen. Richter*innen und Mitarbeiter*innen wurden unmittelbar nach den Explosionen in Sicherheit gebracht. Der Mann starb am Tatort, sonst wurde niemand verletzt.
Bei dem Täter handelt es sich um den 59 Jahre alten Francisco Wanderley Luiz, einen Schlüsselmacher aus dem Süden des Landes. Er war Lokalpolitiker der Partido Liberal, der Partei des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro. 2020 war er erfolglos für die rechte Partei bei den Kommunalwahlen angetreten.
Medienberichten zufolge war Luiz zum Zeitpunkt des Anschlags als die Comic-Figur Joker verkleidet. Kurz zuvor war es bereits zu Explosionen in einem Auto gekommen, das in der Nähe der Abgeordnetenkammer geparkt war. Rund um den Platz befinden sich neben dem Obersten Gerichtshof auch der Präsidentenpalast und das Parlamentsgebäude. Die Bundespolizei stufte die Explosionen rasch als Terroranschlag ein. In sozialen Medien hatte Wanderley Drohungen verfasst und den Angriff auf das „Haus der Kommunisten“ angekündigt. Die Ex-Frau des Attentäters erklärte gegenüber Journalist*innen, Wanderley habe geplant, Verfassungsrichter Alexandre de Moraes zu töten.
Täter hat wahrscheinlich alleine gehandelt
Bolsonaro verurteilte die Tat und bezeichnete sie als den Akt eines „geistig Verwirrten.“ Allerdings: Der Ex-Präsident ruft regelmäßig zum Widerstand gegen den Obersten Gerichtshof und zu Gewalt gegen politische Gegner auf. Während seiner Amtszeit wurde das Gericht zunehmend Ziel rechter Kräfte. Besonders Richter Alexandre de Moraes wurde durch seine Urteile zur Feindfigur der Bolsonaro-Anhänger*innen, die ihn bis heute für Bolsonaros Abwahl verantwortlich machen.
Moraes erklärte, der Täter habe wahrscheinlich allein gehandelt. Jedoch sei der Anschlag das Ergebnis einer Rhetorik, die auf die Bolsonaro-Regierungszeit zurückgehe. Der Chef der Bundespolizei, Andrei Rodrigues, erklärte, „extremistische Gruppen“ seien weiterhin aktiv in Brasilien. Der Vorfall sei kein Einzelfall, stehe in Zusammenhang „mit weiteren Aktionen“.
Kurz nach dem Regierungswechsel hatten Bolsonaro-Anhänger*innen am 8. Januar 2022 das Regierungsviertel und den Gerichtshof gestürmt. Die brasilianischen Behörden reagierten mit einer harten Strafverfolgung, die zu zahlreichen Verhaftungen führte, unter anderem wegen Beteiligung an einem versuchten Staatsstreich. Ursprünglich hatte das Bolsonaro-Lager geplant, Amnestien für die Beteiligten auszuhandeln. In den kommenden Wochen sollte dazu eine entsprechende Gesetzesinitiative im Abgeordnetenhaus diskutiert werden. Nach dem Anschlag dürfte dieses Vorhaben jedoch gescheitert sein.
Rechtsradikale in Brasilien weiter aktiv
In der Öffentlichkeit blieb es in diesem Jahr lange Zeit ruhig um die bolsonaristische Bewegung, auch weil ihre führende Figur entmachtet worden war. Bolsonaro wurde gerichtlich verurteilt und darf bis 2030 nicht mehr an Wahlen teilnehmen. In sozialen Medien organisieren sich Rechtsradikale jedoch weiterhin. Zahlreiche außerparlamentarische Gruppen sind aktiv, und Falschmeldungen sowie direkte Gewaltaufrufe kursieren massenhaft.
Bei den landesweiten Kommunalwahlen zeigte die Bewegung zuletzt ihre politische Stärke und brachte neue Akteure hervor. Es ist zu erwarten, dass ein Kandidat aus dem Bolsonaro-Lager in zwei Jahren bei der Präsidentschaftswahl gute Chancen haben wird. Zudem könnte die Wahl von Donald Trump, einem engen Verbündeten Bolsonaros, weiteren Auftrieb geben. Ob Bolsonaro selbst noch einmal in der institutionellen Politik mitwirken wird, ist unklar. Doch der Bolsonarismus bleibt, wie der Vorfall am Mittwoch zeigte, lebendig.
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