Kritik an Polizei und Demo

Auf einer Palästina-Demonstration kam es zu antisemitischen Parolen und Angriffen auf Journalisten

Von Gareth Joswig

Nach antisemitischen Parolen bei einer propalästinensischen Demonstration gibt es viel Kritik. Sogar die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) twitterte am Sonntagmorgen: „Für Judenfeindlichkeit gibt es in unserer Gesellschaft keinen Platz. An antisemitische Beschimpfungen dürfen wir uns niemals gewöhnen – egal von wo und von wem sie kommen.“ Der Rechtsstaat müsse konsequent handeln, forderte Faeser. Auch der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Abdassamad El Yazidi, kritisierte: „Wer behauptet, für Palästina zu protestieren, indem er Juden beschimpft und beleidigt, hat weder seine Religion noch die Botschaft seines Propheten verstanden“, so El Yazidi.

Am Samstag waren rund 500 Personen zum Hermannplatz in Neukölln gezogen und hatten dabei teils aggressive, antisemitische Parolen gerufen. In einem Video ist zu sehen, wie ein Journalist von der Polizei von der Kundgebung geführt wird und dabei als „Scheißjude“ beschimpft wird. Der Tagesspiegel berichtet von einer medienfeindlichen Stimmung, Berichterstatter seien als „Zionistenpresse“ oder „Rassisten“ beschimpft worden. Pressevertreter wurden laut Beobachtern bedrängt, getreten, bespuckt und ihnen wurde gegen die Kamera geschlagen.

Aufgerufen zur Demo hatte das Bündnis „Palästina spricht“ angesichts der jüngsten Eskalationen im Nahostkonflikt. Gezeigt wurden auf dem Umzug neben antisemitischen Plakaten oder Schildern der BDS-Bewegung auch eine Samidoun-Fahne – von einer Organisation, die in Israel als Terrororganisation gilt. Ebenso nahm auch eine Gruppe aus der Berliner Linksjugend Solid teil. Eine Gruppe Jugendlicher in der Mitte der Demo soll während der Demonstration immer wieder Parolen der Terrororganisation Hamas angestimmt haben. Kurz nach der Auflösung der Demonstration kam es auch zu einer Prügelei unter den Teil­neh­me­r*in­nen.

Am Sonntagnachmittag meldete die Polizei volksverhetzende Parolen, Angriffe auf Jour­na­lis­t*in­nen sowie Beleidigungen. Von etwa 40 Jugendlichen sei eine aggressive Stimmung ausgegangen, heißt es in der Polizeimeldung. 160 Po­li­zis­t:in­nen seien im Einsatz gewesen und hätten Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung und Volksverhetzung eingeleitet. Zwei Tatverdächtige seien festgenommen worden.

Der CDU-Generalsekretär und Berliner Abgeordnete Mario Czaja forderte eine umfassende Aufklärung der „beschämenden“ Szenen. Berlins Antisemitismus-Beauftragter Samuel Salzborn bezeichnete die Versammlung als im Kern antisemitisch.

Darüber hinaus gab es auch deutliche Kritik an der Polizei, weil diese Journalisten bei der Kundgebung wohl unzureichend geschützt und teilweise sogar auf Betreiben des Veranstalters ausgeschlossen haben soll.

So zeigt Videomaterial vom Samstag auch, wie die Polizei einen Mann auf Drängen eines Veranstalters dazu anhält, hinter der Demo zu laufen, und ihn aus der Kundgebung herausführt. Auf taz-Anfrage dazu offenbarte die Polizei ein merkwürdiges Verständnis von Pressefreiheit: „Da der Versammlungsleiter deren Verhalten [der Pressevertreter] für die Auseinandersetzung als ursächlich ansah, machte er von seinem ihm obliegenden Recht aus dem Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin Gebrauch und schloss die beiden Personen von der Versammlung aus.“

Jörg Reichel, Journalisten-Gewerkschafter von Verdi Berlin-Brandenburg, berichtet von Angriffen auf drei Jour­na­lis­t*in­nen. Er kritisiert, dass die Polizei erst nicht auf Hilferufe anwesender Journalisten reagiert habe und auch, dass besagter Journalist ausgeschlossen worden sei, weil der Veranstalter dessen Verhalten kritisiert habe. Reichel sagte der taz: „Die Übergriffe sind ein Rückschritt in der Zusammenarbeit von Journalisten und Polizei. Die Polizei muss die Pressefreiheit auf Demos gewährleisten und hat dem Veranstalter nachgegeben. Insgesamt war die Polizei passiv, abwartend und zögerlich.“ Die DJU werde das Gespräch mit Polizei und Politik suchen.

Auch Innensenatorin Iris Spranger (SPD) verurteilte „Antisemitismus und Hass“. Straftaten würden mit aller Konsequenz verfolgt, so Spranger. Wie das zur Passivität der Polizei bei Übergriffen auf Jour­na­lis­t*in­nen passt, beantwortete die Innenverwaltung auf taz-Anfrage hingegen vorerst nicht.