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Nach Weisbands RückzugsankündigungPiraten finden sich feminin genug

Nach dem Rückzug ihrer Geschäftsführerin aus der Parteispitze sieht die Partei kein Frauenproblem. Alle Frauen seien aufgerufen, für den neuen Vorstand zu kandieren.

Weisband (r.) geht, aber andere können auch kandidieren, findet Vizechef Bernd Schlömer (m.). Bild: dpa

BERLIN taz | Die Piratenpartei versucht nach dem angekündigten Rückzug ihrer Bundesgeschäftsführerin Marina Weisband eine Debatte über ein Frauenproblem in der Partei erst gar nicht aufkeimen zu lassen. "Da sehe ich keinen Zusammenhang", sagte Bundesvize Bernd Schlömer. Die Piraten würden sich Themen, nicht Köpfen zuwenden. Alle Frauen seien aufgerufen, für den neuen Vorstand zu kandieren, so Schlömer.

Weisband hatte am Mittwoch angekündigt, bei den Bundesvorstandswahlen der Piraten im April nicht noch einmal kandidieren zu wollen. Der Zeitaufwand für das Amt und die Medienauftritte seien zuletzt kaum zu bewältigen gewesen. "Ich kann schlichtweg physisch nicht mehr weitermachen", so Weisband. Auch wolle sie ihr Psychologiestudium beenden. Weisband war seit Mai 2011 im Amt.

In der Partei findet der Schritt viel Verständnis. Andreas Baum, Chef der Berliner Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus, zollt Weisband Respekt, "so einen Schritt zu wagen". Bundes-Vize Schlömer nannte den Rückzug "nicht so dramatisch wie er medial aufgebauscht wird".

Dennoch: Mit Weisband geht eine der bundesweit prominentesten Köpfe der Piratenpartei. Die 24-Jährige trat zuletzt, durchaus charismatisch, in der Bundespressekonferenz und in Talkshows auf. Innerparteilich wird sie als präzise, klug und mitreißend geschätzt.

Keine "Frauen zählen"

Ihr Abtritt verweist nun sehr wohl auf ein Problem: In der Partei sind Frauen unterrepräsentiert. Im siebenköpfigen Bundesvorstand sitzt neben Weisband nur eine weitere Frau, die Nürnberger Kulturwissenschaftlerin Gefion Thürmer. In der Berliner Abgeordnetenhausfraktion findet sich neben 14 Männern gar nur eine Piratin. Genaue Zahlen über die Piratinnen in der Partei existieren nicht. Das Geschlecht ihrer Mitglieder erhebt die Partei nämlich nicht: Gleichbehandlung, heißt es, gebe es dann, wenn nicht mehr nach Frau oder Mann gefragt werde.

Nach dem Berliner Parlamentseinzug im September war es auch parteiintern zur Debatte über das Frauendefizit gekommen. Schon Monate zuvor hatte die Berlinerin Leena Simon eine spezielle "Piratinnen-Mailingliste" gefordert, um Frauen in der Partei zu stärken - damals allerdings folgenlos. Auf Bundesebene existieren zwar seit 2009 eine "AG Frauen" und eine "AG Gender". Sie setzen bisher jedoch kaum Akzente.

Schlömer räumt ein, dass die Piraten in der Vergangenheit viele "weniger frauenaffine" Themen vertreten hätten. "Wir haben aber viele Frauen und ich hoffe, dass sie noch mehr ihre Themen auf die Agenda setzen." Eine Quote lehnt Schlömer ab - wie viele andere in der Partei auch. Es gehe nicht darum, so Schlömer, "Frauen zu zählen", sondern inhaltlich überzeugende Themen zu befördern.

Weisband selbst kommentiert ihren Rückzug auf ihrer Website. Ein Verlust? "Das ist Quatsch. Die Piraten verlieren gar nichts", schreibt sie. Sie bleibe ja weiter in der Partei aktiv. "Fast alles andere kann jedes andere Mitglied auch."

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14 Kommentare

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  • P
    Pirat

    Was ist überhaupt das Drama daran, daß ein Bundesvorstandsmitglied zur Wiederwahl nicht wieder antritt? Das ist bei den Piraten jedes Jahr STANDARD...

  • H
    HamburgerX

    nania, ich sehe das auch so. Frauenquoten sind ausgemachter Unsinn, etwas für Menschen, die sich aus eigenem Antrieb nicht durchsetzen können und jetzt andere zwingen wollen, sie trotzdem zu nehmen. Wirklich armselig, dazu im jeweiligen Fall diskriminierend. Umso trauriger, dass sich dafür Parteien einsetzen, die sonst immer Antidiskriminierung auf die Fahne geschrieben haben. Wie man sieht, sind auch das meist nur Parolen, um den jeweiligen Machthunger und Wählerfängerei zu bedienen.

  • H
    Hellie-Bu

    Ist das unpräzise recherchiert oder soll das eine besonders pointierte Darstellung sein?

    Seltsam, dass die taz den Kegelklub nicht erwähnt. Das ist eine lockere Gruppe von Leuten innerhalb der Piratenpartei, die sich für genderfragen interessieren. Der Kegelklub hat übrigens eine Mailingliste.

  • IB
    ich bin ein mann - schaltet mich frei

    wieso frauenquote? wenn die taz eine partei nach ihren wünschen haben wollen, dann sollen sie die grünen wählen und die piraten ihren eigenen kram machen lassen!

     

    wie wäre es mal mit einer MÄNNERquote für grundschulen? damit dort 10jährige dort nicht von alten tanten zum stricken gezwungen und mit stillsitzen gequält werden. ach es gäbe soviel zu dem thema zu sagen, aber feministen einerseits und opfermänner andererseits haben die debatte auf jahre hinaus so dermaßen vergiftet, dass es sich nicht lohnt da seinen atem zu vergeuden.

     

    btw haben wir auf der welt krassere probleme als frauen- oder männerquoten. oder??

  • RS
    Rick S.

    "Ihr Abtritt verweist nun sehr wohl auf ein Problem:[...]" Auf das einzige Problem, auf das ihr Abtritt verweist ist, dass es in Artikeln über die Piratenpartei um nichts anderes geht, als Ihren Frauenanteil und nicht ihr Parteiprogramm. Es ist kein Wunder, dass so viele Leute meinen es gäbe Keins.

  • E
    emil

    "Alle Frauen seien aufgerufen, für den neuen Vorstand zu kandieren, so Schlömer."

     

    da verkennt der herr aber die wirkungsmacht der ausser in seiner partei vorherrschenden kategorie geschlecht.

     

    genauso könnte er sagen, dass jeder mann auch arzthelfer werden kann. das ist zwar im prinzip richtig, wird aber durch die männliche sozialisation nicht wahrgenommen.

     

    dann aber so zu tun als wollten männer und frauen dieses und jenes nicht ist irreführend.

  • N
    NormalBürger

    "In der Berliner Abgeordnetenhausfraktion findet sich neben 14 Männern gar nur eine Piratin. Genaue Zahlen über die Piratinnen in der Partei existieren nicht. "

     

     

    Mein Gott, Herr Litschko, ist es denn soooo schwer zu verstehen: Es gibt keine PiratINNEN es gibt Piraten!, dies ist geschlechtneutral !!!

     

    Herr Litschko, Wird das hier bei der taz jetz zu ´nem FeministINNEN Thema?

     

    Es gibt doch weiß Gott genug Parteien mit diesem(falschen) Ansatz der Frauenquote. Deshalb werden auch die Piraten ihren Weg gehen, weil es eben hier nicht um Geschlechter geht sondern nur um Leistung und Qualität.

  • A
    anni

    wären die piraten so post-gender, wie sie sich gerne darstellen, müssten sie nicht darauf warten, dass ihre frauen* sog. frauenthemen auf die agenda setzen. was sollen überhaupt frauen*themen sein?

  • DD
    Don Derfel

    Also wirklich Fan der Piraten zu werden habe ich mir bisher erlassen. Muss aber auch gleich meine Freude an der TAZ schwinden?

    Wenn die biologisch männlichen Piraten alles D´ransetzten, die Frauen aus "Machtpositionen" zu verdrängen könnte dies einen Artikel wert sein.

    Ist nicht die inhaltliche Arbeit (gibt es eine?) wesentlich interessanter, als die Frage nach unterschiedlichen Toiletten?

  • N
    nania

    Nein, nein, nein, liebe Medien.

    Es gibt IMMER NOCH kein Frauenproblem bei den Piraten. Der Punkt ist nur: Wie in allen anderen Parteien auch, streben Frauen seltener in die aktive Politik. Und Frau Weisband ist nicht zurückgetreten, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie, wie man in ihrer Ankündigung übrigens lesen kann - auch ihr Diplom zu ende machen will. Ein vernünftiger Wunsch in einer unsicheren Zeit. Auch ist NIE ausgeschlossen worden, dass sie wieder in die Politik zurückkehren möchte.

     

    Wenn schon alle darauf rumhacken, es gäbe in der Piratenpartei ein Frauenproblem - JA dann fragen sie doch mal die FRAUEN in der Partei.

    Ich fühlte mich auf jeden Fall von keinem Manne irgendwie benachteiligt (innerhalb der Partei), weil ich eine Frau bin. Im Gegenteil. Ich bin auch froh, dass mir nicht dauernd ein Vorzug eingeräumt wird, weil ich eine Frau bin.

     

    Auf einem Gründungstreffen der Grünen Jugend in einem 30.000 Leute Kaff in NRW war ich als Mitarbeiterin einer regionalen Zeitung dabei. Dann eine erfahrene Grüne. Bei den Jugendlichen war KEINE Frau dabei. Es gab ein Problem, denn laut Quotenregelung muss eine Frau im Vorstand sein. Ging jetzt hier nicht. Aber hätte ich mich an diesem Abend spontan entschlossen in die Grünen einzutreten - ja, dann wäre ich ohne weiteres im Vorstand gewesen. Herzlichen Glückwunsch.

     

    Das kann doch auch nicht das Ziel sein...

  • R
    RedHead

    Und die Taz konstruiert mal wieder ein Problem daraus, dass die Piraten sich nicht um die Geschlechter ihrer Mitglieder kümmern. Man könnte jetzt problemlos der Taz Sexismus vorwerfen, wenn man bereit ist, sich auf das gleiche Niveau herab zu lassen.

  • F
    Franziska

    Sie haben immer noch nicht verstanden, dass bei uns die Ämter nur für Verwaltungsdinge besondere Kompetenzen haben. Sie dürfen Frau Weisband weiterhin überall hin einladen und sie hat weiterhin genau so viel Stimmrecht wie vorher. Als normale Basispiratin wird sie sich sogar freier über ihre persönliche Meinung äußern können.

    Sprechen Sie doch bitte mal mit den Frauen bei nen Piraten (Tipp: @kegelklub) um einzusehen, dass es sie sehr wohl gibt und dass sie genauso gehört werden wie männliche Mitglieder! Oder wollen sie das gar nicht, da sie sonst mühsam nach einem neuen Kritikpunkt an den Piraten suchen müssen?

  • HL
    Hauke Laging

    "Auf Bundesebene existieren zwar seit 2009 eine "AG Frauen" und eine "AG Gender". Sie setzen bisher jedoch kaum Akzente."

     

    So, so. Aber die sich aufdrängende Frage, warum das so ist, wird nicht gestellt. Könnte vermutlich die unerwünschte Antwort dabei herauskommen, dass die Männer NICHT daran schuld sind. Und wer weiß, welche Folgen das für die quotendiskussion anderswo hätte...

  • M
    MasterMason

    @taz-Redaktion:

     

    Ihr ständiges Gezeter über die Piratenpartei hat bei mir eigentlich nur eins bewirkt: Bei den demnächst anstehenden Wahlen (Hannover / Niedersachsen / Bund) geht mindestens eine meiner Stimmen an die Piraten.