piwik no script img

Nach Wahlchaos in BerlinMindestlohn für Wahl­hel­fe­r*in­nen

Der Parlament des Berliner Abgeordnetenhauses fordert eine bessere Bezahlung. 60 Euro Aufwandsentschädigung sei nicht mehr zeitgemäß.

Wählen ist nicht so einfach wie es scheint, das hat Berlin 2021 lernen müssen

Berlin dpa | Als Lehre aus der Pannenwahl vor einem Jahr fordert der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Dennis Buchner, bessere finanzielle Anreize für Wahlhelfer. „Wir erwarten von Menschen, für 60 Euro Erfrischungsgeld nicht nur einen ganzen Sonntag im Wahllokal zu verbringen, sondern auch, sich vorher schulen zu lassen“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Ich glaube, das sind Dinge, die nicht mehr zeitgemäß sind und wo wir überlegen müssen, wie man das verbessern kann, um professioneller in den Wahllokalen zu werden.“

Buchner schlug eine höhere steuerfreie Aufwandsentschädigung vor. „Ich finde schon, wenn wir einen Landesmindestlohn haben, dass man dann auch sagen kann, steuerfrei 13 Euro die Stunde dafür auszugeben“, sagte er. „Ich finde, dass man mehr dafür tun muss, dass sich Leute freiwillig melden mit einem angemessenen finanziellen Angebot.“

Verbunden werden müsse das mit einer Verpflichtung für die Interessenten, sich vorher schulen zu lassen: „Vor allem, wenn sie sich zum ersten Mal als Wahlhelfende melden.“ Fehler wie das Vertauschen ausgegebener Stimmzettel ließen sich auf diese Weise leicht vermeiden.

Auch die CDU hat bereits Verbesserungen für Wahlhelferinnen und Wahlhelfer gefordert. Ihr Vorschlag: Ein Bonus von 100 Euro und eine „Wahlhelden-Card“ für Ermäßigungen etwa bei Kulturveranstaltungen.

Buchner plädierte dafür, auch bei der Rekrutierung von Wahlhelfern neue Wege zu gehen. „Warum nicht eine Online-Registrierung anbieten“, schlug er vor. „Das kann kein Hexenwerk sein, so etwas aufzubauen.“ Er regte zudem eine Doppelbesetzung für Wahllokale an. „Es geht darum, auch Pausen zu ermöglichen, dass jemand mal weg kann zwischendurch, oder so etwas im Zwei-Schicht-Betrieb zu machen. Deshalb muss es eben auch viele Wahlhelfende geben, und man kann eben nicht immer nur auf Kante genäht eine Wahl organisieren.“

Auf gute Leute wurde verzichtet

Die Art, wie die Helfer zuletzt angeworben wurden, erscheine ihm „nicht schlüssig“, so Buchner. „Erfahrene Leute, die sich angeboten haben, hat man nicht geholt, stattdessen versucht, über Corona- Impfangebote Wahlhelfende zu gewinnen.“ Folge sei gewesen, dass Leute kurzfristig abgesprungen seien und andere „vielleicht nicht mit allergrößter Motivation an die Sache herangegangen sind“. 34.000 ehrenamtliche Wahlhelfer waren am 26. September im Einsatz.

Buchner schlug ergänzend vor, künftig professionelle Kurierdienste zu beauftragen, um Stimmzettel zu den Wahllokalen zu bringen. Hier hatte es mancherorts am Wahltag gehapert, so dass zwischenzeitlich Stimmzettel fehlten. „Ein Staat muss sich demokratische Wahlen im Zweifel auch was kosten lassen“, so der Parlamentspräsident.

Die Wahlen zum Bundestag und zeitgleich zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten am 26. September 2021 waren in der Hauptstadt von Pannen und organisatorischen Problemen geprägt. Dazu zählten falsche oder fehlende Stimmzettel, die zeitweise Schließung von Wahllokalen und lange Schlangen davor mit teils stundenlangen Wartezeiten. Außerdem hatten Wahllokale teils noch weit nach 18.00 Uhr geöffnet.

Eine teilweise Wahlwiederholung ist nicht ausgeschlossen

An diesem Mittwoch verhandelt der Berliner Verfassungsgerichtshof in öffentlicher Sitzung über mehrere Einsprüche gegen die Wertung der Wahl zum Abgeordnetenhaus. Möglich ist, dass die Wahl zumindest in einigen Wahlbezirken wiederholt werden muss. Eine Entscheidung darüber wird das Gericht voraussichtlich bis Jahresende fällen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema