Nach Suizid eines 15-Jährigen: Ermittlungen gegen Beamte der JVA Ottweiler
Ein erst 15 Jahre alter Junge begeht in der Justizvollzugsanstalt Ottweiler Suizid. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwei Mitarbeiter.
In sozialen Netzwerken hieß es, der Suizid des Jugendlichen stehe in direktem Zusammenhang mit Misshandlungen durch das Anstaltspersonal. Demnach soll der 15-Jährige über längere Zeit Hunger gelitten und schließlich Süßigkeiten aus einer anderen Zelle gestohlen haben. Daraufhin, so zumindest die Vorwürfe, habe ihn ein JVA-Beamter getreten und geschlagen.
Der Vorfall wurde überhaupt erst bekannt, als 17 Mithäftlinge gegen die Haftbedingungen protestierten und sich weigerten, nach der Freistunde in ihre Zellen zurückzukehren. Spezialkräfte des SEK und JVA-Beamte konnten den Protest erst nach mehreren Stunden beenden. Auch in diesem Fall beschuldigten Häftlinge mindestens zwei JVA-Beamte der Körperverletzung. Die Polizeiinspektion Neunkirchen leitete daraufhin drei Ermittlungsverfahren ein.
Mehrere Initiativen weisen in sozialen Netzwerken darauf hin, dass der Verstorbene ein Schwarzer Jugendlicher war. Die Grüne Jugend erklärte: „Rassistisch motivierte Gewalt in deutschen Gefängnissen darf kein Tabuthema mehr sein.“ Ein solcher Fall dürfe sich nicht wiederholen.
Rechtausschuss soll Fall ausarbeiten
Auch die saarländische Politik reagiert: Der Rechtsausschuss des Landtags soll sich mit den Vorgängen in der JVA befassen. Jens Diener (SPD), Staatssekretär im Justizministerium, kündigte an, das Ministerium werde im Ausschuss „über die Vorgänge und den Stand der Aufklärung informieren“.
Florian Spaniol, Landesvorsitzender der Linken, forderte eine umfassende Untersuchung – auch im Hinblick auf mögliche rassistische Motive im Umgang mit dem Jugendlichen. Er warnte vor einem „Wegsehen“ und mahnte weitreichende Reformen im Strafvollzug an: „Wir brauchen bessere Suizidprävention, psychische Betreuung und unabhängige Kontrolle.“
Spaniol sprach von einem erschütternden Beispiel für das Versagen im Justizsystem und forderte, dass das Ministerium sich nicht hinter Standardverfahren verstecken dürfe. „Es braucht eine lückenlose und unabhängige Aufklärung des Geschehens“, betonte er.
Haben Sie den Verdacht, an Depression zu leiden? Oder haben Sie sogar suizidale Gedanken? Andere Menschen können Ihnen helfen. Sie können sich an Familienmitglieder, Freund:innen und Bekannte wenden. Sie können sich auch professionelle oder ehrenamtliche Hilfe holen – auch anonym. Bitte suchen Sie sich Hilfe, Sie sind nicht allein. Anbei finden Sie einige Anlaufstellen.
Akute suizidale Gedanken: Rufen Sie den Notruf unter 112 an, wenn Sie akute suizidale Gedanken haben. Wenn Sie sofort behandelt werden möchten, finden Sie Hilfe bei der psychiatrischen Klinik oder beim Krisendienst.
Depression und depressive Stimmung: Holen Sie sich Hilfe durch eine Psychotherapie. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe kann Ihnen ferner Hilfe und Information zum Umgang mit Depression bieten.
Kummer: Sind Sie traurig und möchten jemanden zum Reden haben? Wollen Sie Sorgen loswerden und möchten, dass Ihnen jemand zuhört? Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr besetzt. Die Telefonnummern sind 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222. Sie können auch das schriftliche Angebot via Chat oder Mail in Anspruch nehmen.
Onlineberatung bei Suizidgedanken: Die MANO Suizidprävention bietet eine anonyme Onlineberatung an. Wenn Sie über 26 Jahre alt sind, können Sie sich auf der Webseite registrieren. Sollten Sie jünger sein, können Sie hier eine Helpmail formulieren.
Hilfsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern: Die Nummer gegen Kummer hat sich zum Ziel gesetzt, Kindern, Jugendlichen und Eltern zu helfen. Kinder erhalten dort Unterstützung unter der Nummer 116 111, Eltern unter 0800 111 0 550, und bei der Helpline Ukraine unter 0800 500 225 0 finden Sie auch Hilfe auf Russisch und Ukrainisch.
Hilfsangebot für Muslim:innen: Die Ehrenamtlichen des Muslimischen Seelsorgetelefons erreichen Sie anonym und vertraulich unter 030 443 509 821.
Bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention können Sie nach weiteren Seiten und Nummern suchen, die Ihrem Bedarf entsprechen.
Auch die Gewerkschaft Bund Saarländischer Justizvollzugsbediensteter äußerte sich im Gespräch mit dem Saarländischen Rundfunk zu den Vorwürfen. Sie forderte eine sorgfältige und objektive Untersuchung und betonte, der Schutz aller Gefangenen, besonders jugendlicher Insassen, habe für Justizvollzugsbeamte oberste Priorität. Gleichzeitig betonte die Gewerkschaft, dass die Vorwürfe bislang unbewiesen seien und für die betroffenen Beamten die Unschuldsvermutung gelte.
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