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Nach "Stuttgart 21"-SchlichtungStreitniveau wie vor sechs Wochen

Befürworter und Gegner des Bahnprojekts werfen sich gegenseitig Täuschung bei zusätzlichen Kosten vor. Die Verkehrsministerin spricht von "Horrorzahlen" der Opposition.

Der Streit um "Stuttgart 21" geht weiter - auch nach der Schlichtung. Bild: dapd

STUTTGART taz | Sowohl die politische Auseinandersetzung als auch der Streit um die Fakten haben nur zwei Tage nach Heiner Geißlers Votum zum Bahnprojekt "Stuttgart 21" ihr Niveau von vor sechs Wochen erreicht. Inhaltlich dreht sich die Auseinandersetzung vor allem um die Höhe der Kosten, die mögliche Nachbesserungen des Tiefbahnhofs verursachen könnten.

Baden-Württembergs Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) warf den Projektgegnern vor, die Bevölkerung mit "Horrorzahlen" zu täuschen. Das Projekt werde nicht an den zusätzlichen Kosten scheitern, sagte sie am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk.

Während die Landesregierung von 150 bis 170 Millionen Euro spricht, rechnen die "Stuttgart 21"-Gegner mit weitaus höheren Summen. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) veranschlagt mindestens 500 Millionen Euro. Der Verkehrsexperte Winfried Hermann (Grüne) erwartet bis zu einer Milliarde Euro.

Diese Zahlen sind laut Gönner "weit weg von der Realität". Sie wünsche sich, dass das, was in der Schlichtung gelungen sei - mit richtigen Zahlen zu argumentieren -, tatsächlich erhalten bleibe. Genau dies sei derzeit nicht der Fall. Derselbe Vorwurf gegen die Regierung ist von den Gegnern zu hören. Im Prinzip könnte Geißler also zur Klärung dieser Frage gleich eine neue Schlichtungsrunde ansetzen.

Geißler hat die Bahn aufgefordert, die Gegner nicht mit einer sofortigen Baufortsetzung zu provozieren. Zwar sagte er in der Süddeutschen Zeitung, die Friedenspflicht sei zu Ende. Doch die Bahn werde nicht gleich wieder mit Baggern vorfahren.

Auch die politische Auseinandersetzung hat wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Der Unions-Fraktionsvize Arnold Vaatz rückte die Grünen wegen der geplanten Fortsetzung der Proteste sogar in die Nähe der SED. Die Grünen reklamierten für sich eine moralische Überlegenheit und meinten, über den Ergebnissen der repräsentativen Demokratie zu stehen. "Das ist der übliche Anspruch von totalitärem Denken, den wir auch aus DDR-Zeiten kennen", sagte Vaatz der in Chemnitz erscheinenden Freien Presse.

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6 Kommentare

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  • O
    Ostprodukt

    Hallo Herr Vaatz,

    auf welcher Seite der Barrikade standen Sie '89 eigentlich - vielleicht ja auf gar keiner (wie so viele Ihrer Unionsfreunde, äh CDU-Mitglieder)? Verschonen Sie uns mit dem Totalitarismus-Quatsch, und lesen Sie lieber mal das Grundgesetz. Da steht nämlich: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus."

     

    Und wenn der Staat sich aber in derartig eklatanter Weise vom Volk entfernt hat wie bei "Stuttgart 21" (und übrigens nicht nur da), dann müssen leider die Bürger ihren Willen auf andere Weise deutlich machen. Das nennt man dann "direkte Demokratie" - aber die scheint ja die Bundes-CDU zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser...

  • R
    rauhfuß

    Das Konzept der BaWü-Regierung ist aufgegangen:

     

    die Projektgegner wurden in dem Schlichtungsverfahren eingelullt, damit wurde einer Begründung der Proteste der Wind aus den Segeln genommen. Auch wenn so durch die Medien transportiert wurde, es kamen nicht alle Fakten offen auf den Tisch.

     

    Es entstand der Eindruck, dass nun auch die Gegner beteiligt worden seien, denen, so sie sich nun weiter wehren, der schwarze Peter zugeschoben wird, gegen alles zu sein.

     

    Praktisch hat sich nichts getan: der neutrale Schlichter Geißler (CDU) hat den Höhlenbahnhof abgesegnet; der Stresstest dient nur dazu festzustellen, ob für noch mehr Geld noch mehr Gleise verbuddeld werden, wobei man die Mehrkosten dann den Projektgegnern in die Schuhe schiebt.

     

    Insgesamt wird das ganze Geld doch nur investiert, damit reiche Stuttgarter schnell mit dem ICE nach München in die Oper kommen, während auf Regional- und Pendlerstrecken fehlende Verbindungen, alte Infrastruktur und überhöhte Fahrpreise regieren.

  • T
    TST

    Wer die Schlichtung gesehen hat, der weiß wie die Bahn und Politik kreativ mit Zahlen umgehen. Der Bericht der Wirtschaftsprüfer konnte vernichtender überhaupt nicht ausfallen, wenn man weiß wie solche Dinge in Zeugnissprache formuliert werden.

     

    Wenn dort von "optimistischer" Berechnung zu lesen ist, heißt es nichts anderes als >>vollkommen unrealistisch

  • C
    Cato

    Die CDU wird immer unverschämter, je offensichtlicher ihre schlechte Politik wird. Der Kaiser ohne Kleider schimpft auf das Volk, dass seinen herbeigemauschelten Phantasialand-Bahnhof nicht wollte. Demokratie heißt bei der CDU: Paternalismus.

  • B
    Branko

    Was sich andere Parteien von diesen korrupten Lobbyisten-Feistlingen alles gefallen lassen müssen.

    Es ist den Grünen hoch anzurechnen, daß sie die andere Wange auch hinhalten, statt sich auf dasselbe Niveau herab zu lassen.

     

    Also muss es Ohrfeigen von anderer Seite her geben!!

     

    Bleiben wir doch mal bei den Fakten:

    Den Grünen eine SED Nähe zu bescheinigen ist hirnloser Quatsch.

     

    Kein hirnloser Quatsch sondern Fakt hingegen ist, daß in und durch die CDU ehemalige NSDAP Mitglieder hohe Ämter erhalten haben.

     

    Wollen wir mal weiterhin nicht vergessen, daß diese Partei, die ständig mehr Überwachung und härtere Strafen fordert, die Spendenaffäre bis heute nicht lückenlos aufgeklärt oder die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen geschweige denn bestraft hat, und den deutschen Steuerzahlern einen hunderte von Milliarden schweren Wahlbetrug untergejubelt hat.

     

    Nein, sowas verjährt für mich nicht so schnell!

    Immerhin werden die Folgen davon auch noch in vielen Jahren spürbar bleiben.

     

    Und die Liste ließe sich fortsetzen.

    Viele Namen von CDU- und CSU-Mitgliedern stehen alleine schon für Vorteilsnahme, Betrug und Korruption.

  • M
    messiah

    Herr Vaatz, kümmern Sie sich lieber um den Sachsensumpf!