Nach Schüssen in Paris: Rassistisches Motiv

Die französische Justiz ermittelt wegen eines rassistischen Motivs gegen einen 69-Jährigen. Er tötete drei Menschen. Kur­d:in­nen demonstrieren und verlangen Aufklärung.

Ein Mitglied der kurdischen Gemeinde steht auf dem Dach eines Autos, während eines Zusammenstoßes mit der Polizei.

Nach dem tödlichen Angriff demonstrieren Kur­d:in­nen in Paris Foto: Lewis Joly/AP/dpa

PARIS afp/dpa/rtr | Nach den tödlichen Schüssen in einem kurdisch geprägten Viertel in Paris hat der mutmaßliche Täter ein rassistisches Motiv eingeräumt. Der 69-Jährige habe einem Polizisten bei seiner Festnahme gesagt, er habe gehandelt, weil er „Rassist“ sei, hieß es am Samstag aus Ermittlerkreisen. Bei seiner Festnahme habe er einen kleinen Koffer mit zwei Magazinen und mindestens 25 Patronen vom Kaliber 45 bei sich gehabt.

Die französische Justiz ermittelt nun auch wegen eines rassistischen Motivs. Wie die Pariser Staatsanwaltschaft am Samstag mitteilte, bleibe die Maximalstrafe, die dem Verdächtigen droht, unverändert bei lebenslanger Haft. Bereits gestern wurden Ermittlungen wegen vorsätzlicher Tötung und schwerer Gewalt eingeleitet. Der Polizeigewahrsam des Mannes wurde am Samstag verlängert.

Der bereits in der Vergangenheit wegen rassistischer Gewalt angeklagte Franzose hatte am Freitag in der Nähe eines kurdischen Kulturzentrums in Paris drei Menschen erschossen und drei weitere verletzt. Der mutmaßliche Täter wurde am Tatort in Polizeigewahrsam genommen und leicht verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Erst vor wenigen Tagen war er aus der Haft gekommen. Im vergangenen Jahr hatte er ein Zeltlager von Migranten angegriffen und mehrere Menschen verletzt. Auch 2016 soll er Medienberichten zufolge einen Mann mit einem Messer angegriffen haben.

Kurdische Demokratische Rat rief zu Protesten auf

Bei den Toten handelt es sich laut dem kurdischen Verband CDK-F um kurdische Aktivisten, unter ihnen eine junge Frau und ein Musiker. Der Verband beschuldigte zunächst den türkischen Staat und dessen Präsident Recep Tayyip Erdogan, für die Morde verantwortlich zu sein.

Zahlreiche Angehörige der kurdischen Gemeinde haben sich am Samstagmittag im Zentrum der französischen Hauptstadt versammelt. Dabei kamen Menschen auf dem Platz der Republik zusammen, darunter linke Parteien, antirassistische und anderer Gruppen. Viele hielten Transparente und Fahnen hoch und verlangten die Aufklärung der Tat.

Die Kundgebung blieb weitgehend friedlich. Lokale Medien berichteten von einer teils aufgeheizten Stimmung. Am Rande der Demonstration am Place de la République sei es auch zu einzelnen Ausschreitungen gekommen. Einige Jugendliche lieferten sich Scharmützel mit der Polizei, die Tränengas einsetzte.

Dem kurdischen Dachverband Demokratischer Kurdischer Rat in Frankreich (CDK-F) zufolge waren bereits vor dem offiziellen Beginn des Protests mehrere Tausend Menschen vor Ort. Die Polizei machte zunächst keine Angaben zur Teilnehmerzahl.

Bereits bei Protesten am Freitagnachmittag unmittelbar nach der Tat, war es zu Zusammenstößen zwischen einer aufgebrachten Menge und der Polizei gekommen. Daraufhin rief der Kurdische Demokratische Rat in Frankreich zu Samstagmittag zu der Versammlung auf dem Platz der Republik auf.

Politische Reaktionen auf den Anschlag

Premierministerin Elisabeth Borne sprach von einer „schrecklichen Tat“, Präsident Macron von einem absichtlichen Angriff auf Kurden gesprochen. Auch international gab es Reaktionen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf Twitter auf Deutsch und Französisch von einer „schlimmen Tat“, die „Paris und Frankreich erschüttert hat“. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) twitterte zu dem Mehrfachmord: „Hass darf niemals gewinnen.“ Auch der US-Außenminister Antony Blinken hat sich bestürzt über den Mehrfachmord in einem kurdisch geprägten Viertel von Paris geäußert. „Mein tiefes Mitgefühl gilt den Opfern des Angriffs“, schrieb er auf Twitter.

Die französische Tageszeitung „Le Parisien“ schrieb am Samstag:„Es gibt Taten, von denen wir ahnen, dass sie viel über den Zustand eines Landes sagen. (…) Innenminister Gérald Darmanin hat bereits klargestellt, dass der Täter nicht Mitglied in einer von elf rechtsextremistischen Gruppierungen war, die in den vergangenen Jahren verboten wurden. Aber wie soll man dieses weihnachtliche Drama nicht eingebettet sehen in ein immer krankhafteres Klima? Es reicht, in den sozialen Netzwerken unterwegs zu sein, um den Hass zu sehen, der sich dort in einem stetigen Strom ergießt.“

Mord an Kurden vor 10 Jahren

Fast auf den Tag zehn Jahre genau vor der Gewalttat, am 9. Januar 2013, waren im selben Pariser Viertel drei kurdische Aktivistinnen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ermordet worden. Den bis heute andauernden Ermittlungen der französischen Justiz zufolge waren Mitglieder des türkischen Geheimdienstes an der Tat beteiligt, es gibt jedoch keine Erkenntnisse zu mutmaßlichen Auftraggebern.

Kurdische Organisationen hatten erst kürzlich eine Aufklärung des Dreifachmordes von 2013 gefordert, für den 7. Januar ist eine große Demonstration kurdischer Gruppen in Paris geplant. Nach Informationen des in Berlin ansässigen Kurdischen Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit fand zum Zeitpunkt der Tat in dem Pariser Kurdenzentrum ein Vorbereitungstreffen für die Demonstration statt.

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