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Nach Rücktritt des BundespräsidentenErmittlungen und "Ehrensold"

Das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff beginnt offensichtlich am Samstag. Streit gibt es um seine möglichen Ansprüche auf "Ruhebezüge".

Da gehen sie, die Wulffs. Bild: dpa

HANNOVER dpa | Das förmliche Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hannover gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff beginnt offensichtlich am Samstag. "Wir gehen davon aus, dass die Immunität morgen beendet ist", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Hans-Jürgen Lendeckel, am Freitag. Mehr wolle er dazu nicht sagen. Auch zum weiteren Fortgang des Verfahrens wollte er sich nicht äußern.

Die Justiz will gegen Wulff wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsannahme ermitteln. Im Fokus des Verfahrens steht das dienstlich-private Verhältnis zwischen Wulff und dem Filmfondsmanager David Groenewold. Auch gegen ihn soll ermittelt werden.

Bisher hatte die Staatsanwaltschaft nicht die Möglichkeit, dazu selber Zeugen zu befragen, Dokumente sicherzustellen oder Akten einzusehen. Die Justiz in Hannover stützt ihren Anfangsverdacht, Wulff habe eventuell Vorteile von Groenewold angenommen, bisher allein auf die Darstellung der Vorgänge in den Medien.

Groenewold hatte mit Wulff und seiner Frau Bettina unter anderem Urlaub auf Sylt gemacht und zunächst die Hotelkosten bezahlt; Wulff will den Betrag später in bar beglichen haben. Die niedersächsische Landesregierung hatte einer Firma Groenewolds knapp ein Jahr zuvor eine Bürgschaft von vier Millionen Euro gewährt, die aber nicht in Anspruch genommen wurde.

"Streit um Ehrensold"

Indes streiten Experten darüber, ob Christian Wulff nach seinem Rücktritt als Bundespräsident einen Anspruch auf "Ehrensold" hat. Die zentrale Frage lautet: Geht Wulff aus politischen Gründen - oder sind die Motive persönlicher Natur? In letzterem Fall wäre es durchaus fraglich, ob dem 52-Jährigen die Zahlung bis zum Lebensende zustünde.

Der Ehrensold bemisst sich an der Höhe der Amtsbezüge des Bundespräsidenten, beträgt also zurzeit 199.000 Euro im Jahr. Nach dem "Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten" aus dem Jahr 1953 erhält er diese Ruhebezüge, wenn er "mit Ablauf seiner Amtszeit oder vorher aus politischen oder gesundheitlichen Gründen" aus dem Amt scheidet. Von persönlichen Gründen ist da nicht die Rede.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat kürzlich genau dieses Problem beleuchtet. Die Experten lassen durchaus Zweifel erkennen, dass der Ehrensold auch bei einem Rückzug aus persönlichen Motiven gezahlt werden muss. Dazu nehmen sie eine sehr feine Unterscheidung vor.

"Gründe, die im privaten Verhalten des Präsidenten liegen", seien eher nicht als politische Gründe anzusehen, heißt es in diesem Gutachten. Darunter seien vielmehr solche zu verstehen, "die weder gesundheitlicher, privater oder persönlicher Natur sind". Als Beispiel für politische Beweggründe nennen die Experten tiefe Differenzen mit der Regierung über die Außen- und Innenpolitik.

200.000 Euro im Jahr

Der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim ist deshalb davon überzeugt, dass Wulff keinen Anspruch auf den Ehrensold hat. "Denn alles, was man ihm vorwirft, wurzelt in seiner Person, in seinem Verhalten als früherer Ministerpräsident und in den Vertuschungsversuchen während seiner Zeit als Bundespräsident", sagte von Arnim am Freitag dem Sender n-tv.

Das sieht der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis anders. "Die in dem entsprechenden Gesetz genannten politischen oder gesundheitlichen Gründe sind unbestimmte Rechtsbegriffe", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. "Und Wulffs Vorgänger Horst Köhler ist ja auch aus Gründen zurück getreten, die mehr im Persönlichen als im Politischen zu liegen schienen. Trotzdem hat kein Mensch auch nur eine Minute darüber nachgedacht, ihm den Ehrensold nicht zu geben."

Die Entscheidung über die Gewährung des Ehrensolds liegt bei der Bundesregierung. Maßgeblich ist nach Überzeugung von Battis am Ende ohnehin, was sowohl Wulff als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Rücktrittsgründe angeben - und nicht die objektiven Gründe, sofern sich die überhaupt benennen lassen.

Neben Köhler haben derzeit noch die früheren Bundespräsidenten Walter Scheel, Richard von Weizsäcker und Roman Herzog Anspruch auf Ehrensold. Mit Wulff wären es also schon fünf ehemalige Staatsoberhäupter, die jedes Jahr knapp 200.000 Euro beziehen.

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8 Kommentare

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  • BU
    Barbara Uduwerella

    Wulff bekommt doch ohnehin für 2 Jahre seinen "Sold" weiter. In dieser zeit sollte die Staatsanwaltschaft es wohl geschafft haben, die Ermittlungen abzuschließen und entweder das Verfahren einstellen oder zur Anklage zu bringen.

    Ist er schuldig, so verdient er nicht den Ehrensold, ist er unschuldig, so muss man wohl in den sauren Apfel beißen.

     

    Die Zahlung des Ehrensoldes vor Verfahrensende ist brisant. Wie will man anderen Beamten die Pensionsansprüche streichen und aus dem Amt entlassen, wenn sie rechtmäßig verurteilt wurden und ein gewisses Strafmaß erhalten haben?

     

    Die Klagen solcher Beamten auf "Vertrauensschutz in gleicher Rechtslage" könnte nicht nur spannend, sondern auch extrem teuer werden.

  • G
    Guenter

    Christian Wulff Rücktritt erfolgte aus persönlichen Gründen (Staatsanwaltschaftliche Ermittlung) Behaupte mal kühn, dass die Regierung den Ehrensold gewährt bei Rücktritt. Eine Art Belohnung. Gemäß seiner TV-Aussage dachte er nicht an Rücktritt. Der Ehrensold steht ihm deshalb nicht zu. Es lebe die Bananenrepublik

  • BK
    Barbara Kanwischer

    Wie ich Frau Merkel einschätze, wird sie alles dafür tun, damit ihr Günstling Christian Wulff den Ehrensold erhält. Nach meiner Meinung, hat er ihn nicht verdient.

     

    1.) Durch seinen Umgang mit der Kreditangelegenheit. Er hat verschleiert und schon im Vorfeld versucht, Nachforschungen von Journalisten gerichtlich zu unterbinden. Er hat immer nur das zugegeben, was man ihm auch nachweisen konnte. Diese Verhalten ist nicht aufrichtig.

     

    2.) Die von ihm versuchte direkte Einflussnahme auf Berichterstattung über ihn, egal für welche Zeitung ein Journalist schreibt, ist nicht hinnehmbar und geht gar nicht!

    Ich sehe hier weder Ehre, Anstand oder Rechtschaffenheit. So ein Verhalten sollte nicht mit 200.000 EURO im Jahr - genannt "Ehrensoll" - belohnt werden.

     

    Für die "Ach die ist ja nur neidisch-Fraktion": Der Kassiererin eines Supermarktes, die sich angeblich einen geringen Betrag an Pfandgeld erschlichen haben soll, hat man seinerzeit gekündigt. Sie musste sich mühsam in ihr berufliches Leben zurück kämpfen. Aber den Damen und Herren Politikern, denen soll man alles durchgehen lassen und dann auch noch belohnen.

  • E
    Event457

    Ob Wulf nun den Sold erhält oder nicht, es ist kein Ehrensold, ich gehe mit Prof. von Arnim konform, dass dieser ihm nicht zusteht, zumindest nicht im Falle seiner Verurteilung für Straftaten, die seinen Rücktritt begründet haben.

     

    Im Übrigen: der Ehrensold für 5 - 6 Alt-Bundespräsidenten ist mit 1,2 Mio. Euro pro Jahr aus Kostensicht nichts im Vergleich zu den Kosten für die in den letzten Jahren zunehmend um sich greifende Absicherung politischer Hilfskräfte und Freunde in den Ministerien der Länder und des Bundes durch Verbeamtung auf Lebenszeit bei sich abzeichnenden Wahlniederlagen. Hiervon sind hunderte Polit-Sherpas betroffen, deren Besoldungsstufen allesamt im Bereich A10-A16 liegen.

     

    Zurzeit sind ja die FDP-Minister wie unser Niebelchen sehr aktiv, die eigenen Seilschaften mit ausreichender finanzieller Ausstattung in unkündbaren Positionen gegen das sich abzeichnende Wahldebakel bei der nächsten Bundestagswahl abzusichern.

     

    Aber was soll das bisschen "Bimbes" schon? Wir sehen ja eh nur die Spitze des Bimbes-Eisberges!

  • HN
    H. Neumann

    Nicht zu vergessen die Präsidentenwitwe Rau!

  • H
    herbert

    Das "Florida-Wulff" in ein weich geplostertes Rettungsboot fällt muss insbesondere für jeden Hartz IV Empfänger, der beim kleinsten Vergehen Sanktioniert wird unerträglich sein. In Zeiten wo anderen wegen eines Pfandcoupons oder ein paar Maultaschen gekündigt wird, wäre ein Ehrensold für Wulff das falsche Signal wenn die Politik auch nur ein Stück Glaubwürdigkeit zurück erlangen möchte.

  • A
    aurorua

    200.000 Tausend Euro im Jahr ohne einen Cent Beitraege entrichtet zu haben. Das nenne ich Selbstbedienung pur! Da kenne ich jemanden der hat ueber dreissig Jahre Beitraege in die Rentenversicherung eingezahlt, ist dann aus gesundheitlichen Gruenden in die Erwerbsminderungsrente gedraengt worden und darf sich nun bis zum Ableben mit 8.400 Euro im Jahr herumquaelen.

     

    Geht so Demokratie, Rechtsstaat und soziale Marktwirtschaft? Dann scheiss ich was drauf!

  • WR
    Weiße Rose

    Niemand hat so gut wie Wulff den biederen, bigotten Spießbürger verkörpert. Von daher hat die große Mehrheit der Deutschen ihren Kopf verloren!