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Nach Rissen von WeidetierenEU schwächt Schutz von Wölfen

Die Mitgliedstaaten haben dafür gestimmt, den Status des Wolfs auf „geschützt“ zu senken. Das könnte den Abschuss von sogenannten Problemwölfen erleichtern.

Freigabe zum Abschuss erleichtert: der Wolf in Europa Foto: O. Diez/imago

Berlin taz | Die EU hat den Schutzstatus von Wölfen in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gesenkt. Nach dem EU-Parlament stimmte am Donnerstag auch der Rat der Mitgliedstaaten zu, den Wolf nicht mehr in der Liste der „streng geschützten“, sondern nur noch in der Liste der „geschützten“ Arten zu führen. CDU/CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, diese Änderung „unverzüglich in nationales Recht“ umzusetzen. Deutschland votierte bei der Sitzung in Luxemburg wie 23 andere Staaten mit Ja, die restlichen 3 enthielten sich.

Rufe nach einem schärferen Vorgehen gegen Wölfe werden schon seit Jahren immer lauter. Es gibt immer mehr Wölfe, in Deutschland schätzungsweise 2.000. Auch die Zahl der Nutztiere, die von Wölfen getötet oder verletzt wurden, steigt. 2023 erreichte die Opferzahl mit 5.727 einen neuen Rekord. Das setzt die besonders tierfreundliche Haltung von Tieren auf der Weide unter Druck.

Bisher verbietet die EU-Richtlinie grundsätzlich, Wölfe zu töten. Ausnahmen sind zwar theoretisch möglich, zum Beispiel dürfen bestimmte Tiere geschossen werden, wenn sie ernste Schäden verursachen. Praktisch werden solche „Entnahmen“ oft von Gerichten gestoppt. Künftig sollen Tötungen erlaubt sein, sofern sie „mit der Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustands vereinbar sind“, wie es in der Vorlage der EU-Kommission heißt.

„Günstiger Erhaltungszustand“ bedeutet zum Beispiel, dass das Verbreitungsgebiet des Wolfs nicht abnimmt und sein Lebensraum groß genug ist, damit die Art langfristig überleben kann. Wölfe müssten demnach weiter in Deutschland präsent sein. Aber ihre Population ließe sich, anders als derzeit, begrenzen. „Problematische Wölfe“ könnten einfacher abgeschossen werden, wenn Deutschland seine Gesetze entsprechend lockert.

Kritik von Naturschützern

Umweltverbände argumentieren aber, dass Abschüsse etwa Schafsherden nicht wirksam schützen würden. „Auch wenige Wölfe können großen Schaden anrichten, wenn sie auf ungeschützte Herden treffen“, heißt es beim Naturschutzbund. Wichtig sei deshalb, Nutztiere etwa durch Zäune zu schützen.

Den Herdenschutz haben die Bundesländer 2023 laut der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf zufolge mit 21 Millionen Euro bezuschusst. Manche Bauern sagen aber, sie hätten keine Zeit oder Personal, die unteren Elektrodrähte der Zäune freizuhalten von Grashalmen, damit der Strom fließt und die Raubtiere tatsächlich abgeschreckt werden. Weniger Wölfe bedeuteten weniger Raubtiere, die Vieh fressen können.

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7 Kommentare

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  • " „Auch wenige Wölfe können großen Schaden anrichten, wenn sie auf ungeschützte Herden treffen“, heißt es beim Naturschutzbund. Wichtig sei deshalb, Nutztiere etwa durch Zäune zu schützen."

    Die Verlogenheit dieser Aussage ist grenzenlos. Aus Angst vor negativer Publicity und verlorenen Spenden werden Zäune gefordert. Jeder, der damit zu tun hat, weiß das in den mobilen Schutzzäunen jährlich Massen an Rehen und Hasen elendig krepieren, dass Kröten, Eidechsen und Igel gegrillt werden... Insbesondere beim Igel ist die Datenlage nicht gut. Wahrscheinlich geht es mit dem Bestand kontinuierlich bergab. Damit lassen sich aber keine Gelder mobilisieren. Halt irgendwie kein süßes Tier...

  • Der Autor des Artikels hat ja in der Vergangenheit aus seiner Haltung zum Wolf keinen Hehl gemacht; nur widerwillig akzeptiert er, dass Wölfe in Deutschland wohl weiterhin präsent sein müssen (aber auch nur, weil die EU - Gesetzeslage einen günstigen Erhaltungszustand fordert). Damit folgt er der Linie der Weidetierhalter, die ja angeblich so viel zur Artenvielfalt der Landschaft beitragen (was ich angesichts meiner eigenen Arbeit in Hochburgen der Weidetierhaltung mal anzweifeln möchte). Ok., man darf der Ansicht sein, den Wolf als notwendiges Übel zu betrachten und seinen Abschuss bis zur "Minimum Viable Population zu fordern. Was diese Sichtweise allerdings vernachlässigt ist der Umstand, dass der Wolf durchaus eine Funktion im Ökosystem aufweist, dass eine kleinere Population nicht unbedingt Vorteile bezüglich weniger Risse von Nutztieren mit sich bringt, und dass es mit dieser restriktiven Haltung (erst der Wolf, dann alle anderen Arten, die irgendjemandem "zu viel" sind), als Deutschland irgendwo in der Welt Forderungen nach mehr Biodiversitätsschutz zu stellen.

    • @Axel Donning:

      Vielleicht sollten Sie aber bedenken, dass sich der Wolf als Raubtier die Natur/Landschaft mit vielen anderen teilen muss. Und das geht dann eben nicht ohne Verluste auf beiden Seiten. Und da der einzige "Feind" des Wolfes der Mensch ist, muss er eben für ein gewisses Gleichgewicht sorgen.



      Und Wölfe, die sich der Einfachheit halber (Schaf steht; Reh rennt weg) auf das Töten von Nutztieren spezialisieren, quasi "Nutznießer" der Weidetierhaltung geworden sind, müssen dann mit entsprechende Konsequenzen rechnen.



      Die Alternative wäre der Komplettrückzug des Menschen aus der Fläche.



      Ich warte jetzt auf den Einwand: Wenn der mensch sich vegetarisch ernähren würde, gäbe es den Konflikt gar nicht.

      • @Vigoleis:

        "Die Alternative wäre der Komplettrückzug des Menschen aus der Fläche."



        Da es dem Menschen partout nicht gelingt, auch anderen Spezies einen Teil Lebensraum (dazu gehören z.B. auch zusammenhängende "Korridore" zur Wanderung) zu lassen, scheint das in der Tat die einzige Lösung zu sein.



        - Bitterkeit aus -.



        Aufmerken lässt, dass nicht alle Weidetierhalter den Wolf weg haben wollen - schade, dass diese selten zu Wort kommen. Die kritisieren oftmals, dass das Problem auch am schlichten Unwillen etlicher Kollegen liegt, sich an die durch den Wolf veränderten Verhältnisse anzupassen.

      • @Vigoleis:

        Nee - das ist doch nicht gut durchdacht - die Rolle eines Top - Prädatoren im Ökosystem ist es nun mal keine "natürlichen Feinde" zu haben. Die Regulierung der "Kopfzahlen" kann durch Krankheiten oder durch die Lebensraumkapazität erfolgen. Bei revierbildenden Tieren ist Schluss, wenn alle Reviere besetzt sind. Die Reviergrößen hängen von den zur Verfügung stehenden Ressourcen ab. Dass Wölfe, die fehlerfreie Schutzmaßnahmen überwinden dann auch mal geschossen werden dürfen, ist kaum umstritten. Der Mensch muss sich nicht aus der Fläche zurückziehen - weltweit leben so gut wie alle großen Beutegreifer mit dem Menschen zusammen - mit allen Konflikten zwar, aber immerhin. Mir ging es hier um die wissenschaftlich widerlegte These, dass weniger Wölfe automatisch weniger Risse von Nutztieren bedeuten.

        • @Axel Donning:

          Also wenn es nur um Zahlen geht:



          Laut DBBW (siehe Link) nimmt die Zahl der Wölfe in Deutschland drastisch zu:



          www.dbb-wolf.de/me...lfe-in-deutschland



          Ob das wirklich der Biodiversität hilft? Nicht in jedem Fall, denn in exakt demselben Zeitraum:



          www.landwirtschaft...ben-in-deutschland



          Es ging hierzulande seit über 200 Jahr ganz gut ohne Wolf. Dass er jetzt wieder "heimisch" wird, erfreut insbesondere einige Biologen und Naturschützer, die so diese faszinierenden Tiere direkt bei der Eroberung eines neuen Habitats beobachten können. Und die mit ihrer gesamte Lobbyarbeit einen max. Schutz der Art erreicht haben.



          Für alle anderen ist es egal, ob der Wolf hier ist. Weltweit gesehen steht die Art jedenfalls nicht vor dem Aussterben. In Gegenden mit geringer menschlicher Besiedlung ist der Wolf gut aufgehoben. "Konflikte aller Art" müssen nicht sein.



          "Mir ging es hier um die wissenschaftlich widerlegte These, dass weniger Wölfe automatisch weniger Risse von Nutztieren bedeuten." Die Zahl der Wölfe hat nichts mit der Zahl der gerissenen Weidetiere zutun? Doch: wenn die Zahl der Wölfe bei Null liegt.

          • @Vigoleis:

            " Die Zahl der Wölfe hat nichts mit der Zahl der gerissenen Weidetiere zutun? Doch: wenn die Zahl der Wölfe bei Null liegt."

            Null fordert doch auch fast niemand. Da wir jetzt aber mehrere Tausend Wölfe in Deutschland haben, sie keineswegs selten oder gefährdet sind, kann man auch sämtliche Deichbereiche großzügig freischießen. Hier gilt Hochwasserschutz vor Individuenschutz einer sehr häufigen Art.