Nach Protesten gegen Dumpingpreise: Händler einigen sich mit Bauern
Nach Blockaden von Lidl und Aldi versprechen die großen Supermarktketten den Landwirten Hilfe. Doch vielen Bauern reicht das nicht.
Sie „verfolgen das Ziel“, eine Herkunftskennzeichnung für heimische Agrarerzeugnisse einzuführen, heißt es weiter in der erst mit tagelanger Verspätung veröffentlichten Abschlusserklärung zu den Gesprächen, die LsV, BVLH, Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Kaufland in der vergangenen Woche geführt hatten. Die Handelsunternehmen kündigten auch an, in ihrer Werbung die Leistungen der deutschen Landwirtschaft stärker hervorzuheben. Zwei Arbeitsgruppen sollen darüber hinaus kurzfristig „konkrete und strukturelle“ Lösungen erarbeiten, damit Milch- und Schweinebauern mehr Geld bekommen.
Die Lebensmittelhändler wollen außerdem die Forderung der Landwirte nach einem Sofort-Hilfsfonds unterstützen, um Einkommenseinbußen der Bauern durch die Coronakrise und den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland abzufedern. Neben dem Handel sollen sich daran auch der Staat, die Lebensmittelverarbeitung und die -industrie beteiligen. Die vereinbarten Maßnahmen sollten „so schnell wie möglich umgesetzt werden“, heißt es in der Erklärung.
LsV sagte im Gegenzug zu, darauf hinzuwirken, „dass der Warenverkehr künftig ungehindert fließen kann“. Damit dürfte gemeint sein, dass die Bewegung sich gegen weitere Blockaden, beispielsweise von Lidl-Lägern oder Molkereien, durch Trecker ausspricht.
Blockadeteilnehmer unzufrieden
Doch Unzufriedenheit mit der Erklärung gibt es gerade in den Reihen der Landwirte, die im Raum Cloppenburg solche Proteste organisiert haben. „Die Leute, die da vor den Toren gestanden haben, die sind damit nicht einverstanden“, sagte Jan-Bernd Stolle, Bauer aus Großenkneten, am Mittwoch der taz. Es fehlten konkrete und schnelle Hilfen. Er schloss weitere Blockaden nicht aus.
Auch Stefan Grotjann, der für die Blockadeteilnehmer an den Verhandlungen beteiligt war, sagte: „Da waren wir so nicht mit einverstanden, weil wir auf der Straße waren für alle Betriebszweige.“ In der Erklärung seien aber nur Arbeitsgruppen für die Sektoren Milch und Schwein erwähnt.
„Das ist ein bisschen heiße Luft und sonst nichts“, sagte der der taz der niedersächsische Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Ottmar Ilchmann, über die Einigung. Dass Beteiligte an den Aktionen in Cloppenburg mit dem Papier nicht einverstanden seien, werde zu Diskussionen führen, ob der LsV-Sprecher Dirk „Andresen und der LsV-Bundesvorstand überhaupt die richtigen Verhandlungsführer sind – und Bauer Willi noch“. Unter diesem Namen tritt der Nebenerwerbslandwirt und Blogger Willi Kremer-Schillings auf, der früher in der Agrarchemieindustrie arbeitete. Auch er war bei dem Gespräch mit den Konzernen dabei.
Wahrscheinlich würden nur wenige Bauern die geplante Ombudsstelle anrufen können. „Kein Bauer verkauft seine Rohmilch direkt an den Lebensmitteleinzelhandel“, sagte Christian Böttcher, Pressesprecher des BVLH, der taz. Schweinemäster würden ihre Tiere ebenfalls nicht beispielsweise an Aldi, sondern an Fleischkonzerne wie Tönnies, Vion oder Westfleisch liefern.
Handel dämpft Erwartungen
Auch die angedachte Herkunftskennzeichnung wird wohl den Bauern keinen großen Vorteil bieten. Es müsse bereits jetzt auf dem Etikett stehen, woher etwa Frischfleisch komme, so der Sprecher. „Wir haben bei Milch und Schweinefleisch Selbstversorgungsgrade, die weit jenseits der 100 Prozent liegen. Wir produzieren viel mehr, als wir selbst bei uns verbrauchen“, ergänzte Böttcher. Deshalb glaube er, „dass der überwiegende Großteil der Lebensmittel in Deutschland von landwirtschaftlichen Rohstoffen stammt, die unsere Bauern erzeugt haben.“ Zahlen dazu waren weder bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung noch beim Statistischen Bundesamt zu bekommen.
Böttcher dämpfte auch Erwartungen, dass die Herkunftskennzeichnung bald komme. Erst müsse man sich auch mit den Verarbeitern der Lebensmittel einigen. „Ich habe von einigen gehört: Mal doch einfach eine Deutschland-Fahne auf die Produkte. Nee, so einfach ist das nicht“, sagte der Handelslobbyist.
Bauernvertreter warnt wegen Corona vor Blockaden
LsV-Sprecher Andresen nannte die Einigung im Gespräch mit der taz denn auch „ein Zwischenergebnis, das bei weitem nicht ausreicht.“ Aber wenn jetzt Trecker Lebensmittellager zustellen würden, könnte das die Verbraucher gegen die Landwirte aufbringen: „Unser Problem ist, dass wir in dieser coronabedingten Zeit nicht Läger blockieren sollten.“
Im Hinblick auf die geplante Ombudsstelle räumte Andresen ein, dass der Lebensmitteleinzelhandel in der Regel nicht der direkte Vertragspartner der Landwirte sei. Einige Obst- und Gemüsebauern aber würden an Supermarktketten liefern. Die Frage der taz, wieviel der Zutaten in Lebensmitteln nicht aus Deutschland kämen, konnte Andresen nicht beantworten. „Es gibt da wenig Transparenz“, sagte er.
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