Nach Präsidentschaftswahl in Bolivien: Bolivien polarisiert sich weiter
Im Streit um die Präsidentschaftswahlen sind in Bolivien zwei Oppositionelle erschossen worden. Eine Lösung des Konflikts wird immer schwieriger.

Am Mittwoch sind bei einem Aufeinandertreffen in der im Tiefland Boliviens liegenden Stadt Montero zwei Männer erschossen worden. Dutzende weitere wurden verletzt, als Aktivisten aus dem Umfeld der Bewegung zum Sozialismus (MAS), der Partei von Evo Morales „zur Verteidigung seines Wahlsiegs“ auf die Demonstranten losgingen, die eine Straße friedlich blockiert hatten, so berichtete die Tageszeitung Pagina Siete.
Dabei seien gezielte Schüsse auf die beiden Opfer, Mario Salvatierra (60) und Marcelo Terrazas Seleme (48), abgegeben worden, heißt es. Mittlerweile haben Gerichtsmediziner festgestellt, dass die tödlichen Schüsse aus zwei verschiedenen Waffen abgegeben worden sind.
Ausgangspunkt des Konfliktes waren die Präsidentschaftswahlen vom 20. Oktober. Nach Tagen des Wartens auf endgültige Ergebnisse, und nachdem sich an etlichen Stellen des Landes Hinweise von Oppositionspolitikern und -anhängern auf einen möglichen Wahlbetrug gehäuft hatten, hatte der Oberste Wahlrat den amtierenden Präsidenten Evo Morales zum Sieger im ersten Wahlgang erklärt. Eine Stichwahl sei nicht nötig, da Morales sowohl mehr als 40 Prozent der Stimmen erhalten habe als auch der Abstand auf den zweitplatzierten, den konservativen Kandidaten Carlos Mesa, mehr als 10 Prozentpunkte betrage. Seither spricht die Opposition von Betrug, die Regierung klagt über den Versuch eines Staatsstreiches.
Wenig Raum für Kompromisse
Der Tod der beiden Männer hat die Polarisierung in Bolivien weiter vertieft. Oppositionspolitiker machen die Regierung unter Evo Morales für die Morde verantwortlich, und mittlerweile fordert die Opposition nicht mehr einen zweiten Wahlgang. Am Donnerstag ging sie mit der Forderung nach Rücktritt von Evo Morales auf die beiden großen Kundgebungen in La Paz und Santa Cruz.
Für Marco Gandarillas negative Vorzeichen für eine friedliche Lösung des Konflikts. Dieses Einschätzung teilen auch Bolivianer, die lange zu Evo gehalten haben, wie der Sozialarbeiter Federico Chipana aus der bei La Paz gelegenen Stadt El Alto. „Hier in El Alto herrscht im Gegensatz zu La Paz beinahe Normalität. Ich glaube, dass viele nicht Teil dieser Tragödie sein wollen, die sich in Bolivien abspielt. Nun gibt es zwei Tote und nun geht es nicht mehr um den Wahlbetrug, sondern um den Rücktritt Evo und Neuwahlen. Es wird an der Spirale gedreht“, meint Chipana.
Die Überprüfung des Wahlergebnisses und der Indizien, die es für den Wahlbetrug gibt, läuft seit Donnerstag durch ein Team von Wahlbeobachtern und Experten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Die hatten zuvor bereits für eine 2. Wahlgang geworben, um die Lage zu beruhigen. Doch davon ist das Land weit entfernt. Und weil die OAS die Wahlüberprüfung allein mit der Regierung vereinbart hat, aber nicht an die Opposition herangetreten ist, wittert die nun Absprachen zwischen der Regierung Morales und der OAS.
Das hat wiederum dazu geführt, dass die Opposition um den Gegenkandidaten Carlos Mesa von der Bürgergemeinschaft (CC) und die Zivilkomitees aus Santa Cruz, Potosí und anderen Städten die Annullierung des 1. Wahlgangs, den Rücktritt von Evo Morales und seinen Ausschluss von Neuwahlen fordern.
Auch die OAS wird in Zweifel gezogen und neue Streiks angekündigt. Dadurch könnte sich die Lage erneut verschärfen, denn ein direkter Dialog beider Seiten ist derzeit kaum vorstellbar. Die Situation hat sich verhärtet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links