Nach Präsidentenmord in Haiti: Mutmaßlicher Drahtzieher festgenommen
Ein haitianischer Arzt aus dem US-Bundesstaat Florida soll die Mörder von Jovenel Moïse beauftragt haben. Sein Ziel war es wohl, die Präsidentschaft an sich zu reißen.
Der Arzt werde beschuldigt, die als Attentäter verdächtigten kolumbianischen Söldner über eine venezolanische, private Sicherheitsfirma mit Sitz in Florida angeheuert zu haben, hieß es von der Polizei. Er sei der Erste gewesen, den diese nach dem Attentat angerufen hätten. In seiner Wohnung seien Beweise gefunden worden. Der Mann habe mit zwei weiteren Hintermännern Kontakt gehabt.
Er ist der dritte US-Bewohner haitianischer Herkunft, und der 21. Mann insgesamt, der als Tatverdächtiger nach dem Mordanschlag festgenommen worden ist. Auch die anderen beiden lebten Berichten zufolge in Florida, das nur rund 1.000 Kilometer von Haiti entfernt liegt.
Der 53 Jahre alte Staatschef Moïse war in der Nacht zum Mittwoch in seiner Residenz überfallen und erschossen worden. Seine Ehefrau wurde schwer verletzt. Nach Angaben der Polizei führten 26 Kolumbianer und zwei US-Amerikaner haitianischer Herkunft den Mord aus. Sie hätten sich als Agenten der US-Antidrogenbehörde DEA ausgegeben. Drei der Kolumbianer wurden demnach getötet, nach den übrigen fünf wurde noch gefahndet. Die Hintergründe der Tat blieben bisher unklar. Für Spekulationen sorgte unter anderem, dass die Wächter des Präsidenten anscheinend keinen Widerstand leisteten.
Haiti weiter im Krisenmodus
Interims-Premierminister Claude Joseph führt seit dem Mord die Regierung, obwohl Moïse noch am Montag den Neurochirurgen und Ex-Innenminister Ariel Henry zu dessen Nachfolger ernannt hatte. Henry sagte in einem Interview, aus seiner Sicht sei er der wahre Interims-Premierminister. Der Senat wählte seinen Präsidenten Joseph Lambert, der Henry unterstützt, am Freitag zum Interims-Staatschef.
Das Parlament ist jedoch seit Anfang 2020 nicht beschlussfähig, nachdem eine Wahl ausgefallen war und die Amtszeiten der meisten Abgeordneten abliefen. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs starb vor wenigen Wochen an den Folgen von Covid-19. Für den 26. September sind Präsidenten- und Parlamentswahlen geplant.
Die internationale Gemeinschaft hat Joseph, der auch Außenminister ist, bisher als Ansprechpartner anerkannt. Seine Regierung bat die Ex-Besatzungsmacht USA, Truppen zu schicken, um für Sicherheit zu sorgen und Infrastrukturen zu schützen. Die Bitte werde geprüft, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby. Der Fokus liege derzeit aber darauf, bei den Ermittlungen zu helfen, sagte er dem Sender Fox News.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!