Nach Petros Wahlsieg in Kolumbien: Neuer „progressiver Zyklus“?
Eine Reihe von linken Wahlsiegen in Lateinamerika zeigt die Unfähigkeit der Rechten – aber auch die enormen Herausforderungen für linke Regierungen.
Was sich allerdings nicht geändert hat: Die Unfähigkeit der traditionell konservativen Macht- und Herrschaftsapparate, auf die diversen Gegenwarts- und Zukunftsfragen irgendwelche Antworten zu finden. Gerade auch jene, die unter dem „Anti-Establishment“-Label angetreten sind – allen voran Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro –, haben sich als hochkorrupt und politisch unfähig erwiesen. Die Wahl Gustavo Petros in Kolumbien ist auch eine Antwort auf seinen Gegenkandidaten Rodolfo Hernández, der als „Trump Kolumbiens“ schon im Wahlkampf lautstark seine Ahnungslosigkeit zelebrierte.
Vor den verschiedenen progressiven Regierungen steht trotz aller Unterschiede zumindest eine gemeinsame Aufgabe: die Befriedigung der unmittelbaren sozialen Bedürfnisse der großen ärmeren Bevölkerungsschichten bei gleichzeitigem ökologisch-nachhaltigem Umbau der seit jeher auf Ausbeutung der natürlichen Ressourcen aufgebauten Wirtschaften. Genau davor waren die Linksregierungen vor 20 Jahren zurückgeschreckt: Sie nutzten schlicht hohe Rohstoffpreise, um sozial umzuverteilen. Das war Sozialpolitik ohne Transformation, letztlich Klientelismus ohne Zukunft. Es wird heute darum gehen, das anders zu machen.
Nur ist das wirklich schwierig. Einerseits verleitet der ungebrochene globale Rohstoffhunger dazu, auf das gleiche Modell zu setzen wie vorher – wenn etwa Deutschland mehr Kohle aus den ökologisch grauenhaften Tagebauen Kolumbiens kaufen will, um von Lieferungen aus Russland wegzukommen.
Andererseits wird der Widerstand der politischen Rechten und wirtschaftlichen Machteliten auch einem Gustavo Petro das Regieren keinesfalls leicht machen: Im Parlament hat er keine klare Mehrheit, er wird Kompromisse suchen müssen. Die Geschichte vergangener Linksregierungen in Lateinamerika zeigt die Gefahr, dass die Euphorie dieses Wochenendes schon in ein bis zwei Jahren einem großen Frust gewichen sein könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin