Gegen Korruption in Lateinamerika: Eine Chance für Honduras

Xiomara Castro wird am Sonntag Präsidentin von Honduras. Sie will die Justiz reformieren – ein ehrgeiziges Projekt mit Signalwirkung für die Region.

Xiomara Castro im roten Jacket verschränkt die Arme vor der Brust

Strahlende Siegerin: Xiomara Castro, die neue Präsidentin von Honduras Foto: Jose Cabezas/reuters

Ein gutes halbes Jahr ist die Visite von Kamala Harris in Guatemala her. „Kommen Sie nicht“, appellierte sie damals an die Menschen in dem Land oder besser in der ganzen Region. Es war ein Versuch der US-Vizepräsidentin, die Zahl der Menschen zu senken, die keine Perspektive mehr in ihrem Heimatland sehen und gehen. Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo in Guatemala, Honduras oder El Salvador Menschen sich einer der Karawanen anschließen und den Weg gen Norden einschlagen – in Richtung USA.

Dort hoffen sie auf die Chance, die sie zu Hause nicht haben. Denn in ihren Heimatländern funktioniert die Justiz nicht, und die korrupten Eliten interessieren sich ausschließlich dafür, immer weitere Reichtümer anzuhäufen. Eliten, die in Guatemala verbandelt sind mit dem Präsidenten Alejandro Giammattei, in Honduras mit dem aus dem Amt scheidenden Juan Orlando Hernández und in El Salvador, darauf deutet immer mehr hin, mit Nayib Bukele.

Drei Länder, ein Schicksal? Könne man meinen, aber das Beispiel Honduras zeigt: Es geht auch anders. Da tritt am kommenden Sonntag erstmals eine Frau das höchste Staatsamt in der Geschichte des kleinen mittelamerikanischen Landes an. Honduras gilt als Inbegriff der „Bananenrepublik“. So wurden die Länder der Region lange abwertend genannt, weil sie allzu lange einseitig abhängig vom Export der Südfrüchte und vom US-Kapital waren und wo die Putschwahrscheinlichkeit extrem hoch war.

Letzteres gilt für Honduras immer noch, und Xiomara Castro hat diese Gefahr am eigenen Leib erlebt. 2009 wurde die damalige First Lady mit ihrem Mann Manuel Zelaya nachts aus dem Bett geholt, von Militärs aus dem Präsidentenpalast gezerrt und ins Ausland geflogen. Ein Putsch – und hinter den Militärs stand die Elite des Landes, also eine Handvoll Familien, die die 10 Millionen Menschen des Landes seit rund 200 Jahren dirigieren – in enger Abstimmung mit den konservativen Eliten in den USA.

Staatsstreich mit Billigung der USA

Die sahen damals ihre Pfründen durch den Sozialreformer Manuel Zelaya gefährdet, der den Mindestlohn angehoben und sich Ländern wie Bolivien und Venezuela angenähert hatte. Das reichte, um das Signal zum Staatsstreich zu geben, der damals vom Weißen Haus gedeckt wurde. Das belegen E-Mails von und aus dem Umfeld der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton, die die Enthüllungsplattform „The Intercept“ 2015 auswertete. So wurde der Versuch von Manuel Zelaya, Honduras demokratischer und fairer zu machen, über Nacht abgewürgt.

Zwölf Jahre später gibt es eine zweite Chance. Xiomara Castro hat es geschafft, die Opposition zu einen. Sie geht diplomatisch deutlich geschickter vor als ihr Mann vor zwölf Jahren. Allerdings ist ihre Wahlallianz brüchig, wie die Wahl zweier konkurrierender Parlamentspräsidenten am vergangenen Sonntag nur zu deutlich zeigt.

Honduras ist polarisiert, und hinter den Kulissen zieht der abgewählte Präsident Juan Orlando Hernández die Fäden. Das trübt die Chancen Xiomara Castros, das zwölf Jahre von korrupten Eliten mit engen Verbindungen zu Drogenkartellen regierte Land zu reformieren und zu redemokratisieren.

Unterstützung aus Washington könnte helfen, das Reformprojekt Castros nicht gleich zu Beginn scheitern zu lassen. Dabei hofft die designierte Präsidentin ohnehin auf internationale Hilfe. Sie will bei den Vereinten Nationen um eine internationale Kommission nach dem Vorbild der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) bitten. Diese soll der von Korruption und Vetternwirtschaft durchzogenen Justiz in Honduras ihre Unabhängigkeit zurückbringen.

Reform mit internationaler Expertise

Die Initiative hat Symbolcharakter für die ganze Region, urteilen Analysten wie die guatemaltekische Menschenrechtsexpertin Claudia Samayoa oder der honduranische Jurist Joaquín Mejía. Es ist der intelligente Versuch, Reformen dank internationaler Expertise anzuschieben, die aufgrund der Konstellation in Generalstaatsanwaltschaft und den höchsten Gerichten wenig wahrscheinlich sind. Dort sind bis zum Jahresende ausgewiesene Anhänger des noch amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández am Ruder.

Die Stärkung der Justiz ist elementar, um gegen die grassierende Korruption vorzugehen, die auch Kamala Harris und Joe Biden als eine der zentralen Herausforderungen in der Region ausgemacht haben. Sie ist einer der Kernfaktoren, der die Auswanderung in den Norden mit dem Ziel USA anheizt. Durch die drei Staaten verlaufen wichtige Drogenschmuggelrouten. Lokale Banden, aber auch die mexikanischen Kartelle liefern sich brutale Kämpfe um deren Kontrolle.

Bestechung von Funktionären ist dabei Usus. Auffällig war im honduranischen Wahlkampf, wie prall gefüllt die Kassen der Nationalen Partei waren – der Partei von Juan Orlando Hernández, gegen den die US-Justiz ermittelt und dessen Bruder „Tony“ wegen Drogendelikten in den USA lebenslang im Gefängnis sitzt.

Hernández hat das politische System des mittelamerikanischen Landes in den vergangenen acht Jahren ganz auf seine Bedürfnisse und die der hinter ihm stehenden Eliten zugeschnitten. Dabei hat vor allem die US-Administration unter Ex-Präsident Donald Trump tatenlos zugesehen und auch die Belege für den 2017 durchgezogenen Wahlbetrug ignoriert.

Sein Nachfolger Joe Biden hat zwar neue Mittelamerikainitiativen angekündigt und Vizepräsidentin Harris mit der Umsetzung betraut. Doch die lassen auf sich warten. Bei ihrer Visite in Tegucigalpa zur Vereidigung von Xiomara Castro hätte Kamala Harris durchaus die Chance, ein Zeichen zu setzen und der ersten Präsidentin des Landes den Rücken zu stärken. Die hat derzeit keine parlamentarische Mehrheit hinter sich, was ihre Reformagenda gefährdet. Deren Scheitern wäre alles andere als im Interesse der USA, denn ein instabiles, polarisiertes Honduras sorgt für die Migration Zehntausender gen Norden – mit dem Ziel USA.

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