Nach Parlamentswahl in Pakistan: Leise Hoffnung auf Neuanfang
Imran Khan hat als Pakistans neuer Regierungschef seine erste Rede gehalten – und viele überrascht. Gelöst sind die Probleme damit noch nicht.
Dennoch ist Imran Khan am Wochenende etwas Erstaunliches gelungen: Der Mann, der oft als politisches Leichtgewicht verspottet wurde, hat eine Rede gehalten, die inhaltlich überzeugt und selbst Skeptiker beeindruckt hat – auch wenn seine dritte Ehefrau mit weißem Gesichtsschleier der Vereidigung bewohnte, was unter Liberalen für Entsetzen sorgte. Khan hat seine erste Prüfung im Amt mit Bravour gemeistert. Doch vor ihm liegen noch weitaus schwierigere Aufgaben.
Ehsan Bajwa, ein ehemaliger Beamter aus Lahore, bezeichnete die 70-minütige Rede als „kathartisch und bedeutsam“, nicht zuletzt weil der neue Premier die Probleme seines Landes offen ansprach und durch Detailkenntnis überraschte. Etwa beim Thema Fehlernährung von Kindern. Khan zeigte Röntgenaufnahmen der Gehirne von einem gesunden und einem fehlernährten Kind und sagte: „Wir sprechen über 45 Prozent der pakistanischen Kinder, die unter Wachstumsstörungen leiden. Sie können im Wettbewerb des Lebens nicht mithalten. So können wir nichts ins 21. Jahrhundert gehen.“
„Das hat mich wirklich beeindruckt“, sagt Abid Suleri, Chef des unabhängigen Sustainable Development Policy Institute (SDPI) in Islamabad. „Ich arbeite seit 20 Jahren zu Fragen der Ernährungssicherheit und habe noch nie einen Entscheidungsträger getroffen, der eine so klare Vorstellung des Problems hat. Wenn er seine Agenda umsetzen kann, wird Mangelernährung eine Sache der Vergangenheit in Pakistan sein.“
Finanzierung eines „islamischen Wohlfahrtsstaats“ unklar
Genau hier dürfte das Problem liegen. Der immer wieder von Khan in Aussicht gestellte „islamische Wohlfahrtsstaat“ muss finanziert werden. Doch die Bedingungen sind ungünstig. Zwar verzeichnet Pakistan in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 5,8 Prozent, und die Börse in Karachi war im vergangenen Jahr eine der erfolgreichsten in Asien. Doch der Staat ist so gut wie pleite, die Devisenreserven reichen gerade noch für zwei Monate, nicht zuletzt weil massive Investitionen in den China-Pakistan Economic Corridor (CPEC) die Inflation angeheizt und die Auslandsschulden hochgetrieben haben.
In seiner Rede appellierte Khan daher an seine Landsleute, ihre US-Dollar in Pakistan anzulegen. Doch es ist zweifelhaft, ob ihm dies den Gang zum ungeliebten Internationalen Währungsfond (IWF) erspart. „Anstatt im Ausland um Kredite zu betteln, muss das pakistanische Volk Opfer bringen und auf seinen eigenen Füßen stehen“, so Khan. Doch „egal wer an der Regierung ist, es ist praktisch ausgemacht, dass Pakistan einen neuen Kredit des IWF in Anspruch nehmen wird“, sagt Akbar Zaidi, Wirtschaftsprofessor in Karachi.
Das Versprechen eines „islamischen Wohlfahrtsstaats“ hält Zaidi für ein „Lippenbekenntnis“. Dennoch ist er optimistisch, dass sich Pakistans Wirtschaft getrieben von chinesischen Investitionen und einer kräftigen Inlandsnachfrage positiv entwickeln wird. Auch weil er Imran Khan zubilligt, dass er seinen Schwerpunkt auf „gute Regierungsführung“ und eine „Verbesserung der sozialen Infrastruktur“ legen wird.
Dafür, dass sich nicht allzu viel in Pakistan ändern wird, spricht allerdings die Zusammensetzung des neuen Kabinetts. Alte Schlachtrosse wie Shah Mahmood Qureshi, der bereits in der letzten PPP-Regierung Außenminister war, und junge Talente wie der Generalssohn und neue Finanzminister Asad Umer sorgen für eine breite Repräsentanz der politischen Klasse Pakistans. Zwölf der 21 Ministerinnen und Minister waren früher Mitglieder der Militärregierung von General Pervez Musharraf, fünf dienten bereits in einer PPP-Regierung.
Drei Frauen im neuen Kabinett
Drei Frauen haben es ins Kabinett geschafft, darunter Fehmida Mirza als Ministerin für Inter-Provinz-Koordination. Die ehemalige PPP-Politikerin und frühere Sprecherin des Parlaments ist eine engagierte Kämpferin für Frauenrechte.
Auch Imran Khans Ankündigung, nicht in den pompösen Präsidentenpalast einziehen zu wollen, ist alles andere als eine Revolution. Seine Privatvilla in Banigalla in den Bergen über Islamabad ist ohnehin schöner.
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