Nach Moskau-Besuch von Borrell: EU-Chefdiplomat unter Druck
Außenbeauftragter Borrell hat in Moskau keine gute Figur gemacht. Nun fordern EU-Abgeordnete seinen Rücktritt und einen harten Kurs.
![Russlands Außenminister Sergei Lawrow und EU-Außenbeauftragter Josep Borrell bei einem Treffen in Moskau Russlands Außenminister Sergei Lawrow und EU-Außenbeauftragter Josep Borrell bei einem Treffen in Moskau](https://taz.de/picture/4674766/14/Sergei-Lawrow-Josep-Borrell-1.jpeg)
Nach dem missglückten Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Moskau ist in Brüssel ein heftiger Streit über die Außenpolitik und den weiteren Kurs gegenüber Russland entbrannt. Der Konflikt belastet die geopolitische Kommission um EU-Präsidentin Ursula von der Leyen und führt zu Spannungen im Europaparlament.
In einem Brief an von der Leyen forderten 81 vorwiegend osteuropäische Europaabgeordnete am Dienstag Borrells Rücktritt und eine knallharte Linie gegenüber Moskau. „Wir glauben, dass die Präsidentin der EU-Kommission handeln sollte, falls Herr Borrell nicht freiwillig zurücktritt“, heißt es. Die Mehrheit der Abgeordneten hält jedoch zu dem Spanier. Noch. „Es ist zu früh, den Rücktritt zu fordern“, sagte die CSU-Parlamentarierin Angelika Niebler. Borrell habe in Moskau einen „peinlichen Auftritt“ hingelegt und stehe „unter genauer Beobachtung“. Das eigentliche Problem sitze aber nicht in der EU-Kommission, sondern im Kreml.
Borrell war bei einer Pressekonferenz in Moskau von seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow vorgeführt worden. Lawrow brachte den Spanier mit Hinweisen auf die umstrittenen US-Sanktionen gegen Kuba – die die EU ablehnt – ins Schleudern. Zudem ließ er drei EU-Diplomaten ausweisen, ohne Borrell zu informieren. „Das ist die größte (Selbst-)Erniedrigung in der Geschichte europäischer Diplomatie“, twitterte der grüne Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky hinterher. Borrell klagte, „dass die russische Regierung diese Gelegenheit nicht ergreifen wollte, um einen konstruktiveren Dialog mit der EU zu führen“. Dies werde Konsequenzen haben.
Welche das sein könnten, will Borrell beim nächsten Treffen der EU-Außenminister am 22. Februar sagen. Es sei Sache der Mitgliedsstaaten, über den nächsten Schritt zu entscheiden, sagte er. „Aber ja, das könnte Sanktionen einschließen.“ Er werde sein Initiativrecht nutzen und konkrete Vorschläge vorlegen.
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell:
Zunächst stellte er sich jedoch den Fragen der Europaabgeordneten. Es sei ihm darum gegangen, mit Lawrow den Fall von Kremlkritiker Alexei Nawalny zu besprechen, sagte er. Zudem habe er versucht, sich gegen die Verschlechterung der Beziehungen mit Russland zu stemmen. Die Antwort sei jedoch „Nein“ gewesen. „Ich hatte vor meiner Reise keine Illusionen, nun bin ich noch mehr besorgt“, sagte Borrell am Dienstag in Brüssel. Es gebe kaum noch Raum für eine demokratische Entwicklung in Russland. Die gegenwärtige „Machtstruktur“ in Moskau stelle sich gegen den Rechtsstaat und liberale Werte. „Wir sind auch geopolitisch am Scheideweg“, so Borrell.
Trotz der Spannungen sei es jedoch im eigenen EU-Interesse, den Dialog fortzuführen. „Wir dürfen den Menschen nicht den Rücken zukehren.“ Das Parlament quittierte es mit müdem Beifall.
Borrell hätte gar nicht erst nach Moskau fliegen sollen, kritisierten mehrere Abgeordnete in der Aussprache. Sein „Misserfolg“ sei jedoch auch auf die EU-Staaten zurückzuführen, die sich in der Russland-Politik nicht einig seien, sagte der grüne Parlamentarier Reinhard Bütikofer. Vor allem Deutschland und Frankreich müssten sich bewegen.
Mehrere Abgeordnete forderten auch das Aus für die umstrittene deutsch-französische Gaspipeline Nord Stream 2. Der katalanische Abgeordnete Carles Puigdemont kritisierte dagegen „Doppelstandards“. In seinem Land gebe es nicht nur einen, sondern gleich neun „politische Gefangene“, so Puigdemont. Doch dazu schweige die EU, sagte er mit Blick auf Borrell, der die harte spanische Linie gegen die Unabhängigkeitsbewegung unterstützt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss