Nach Mord an slowakischem Journalisten: Wieder Freispruch

Der Journalist Kuciak und seine Verlobte Kušnírová wurden 2018 ermordet. Ein Gericht sprach den mutmaßlichen Auftraggeber erneut frei.

Foto von Kuciak und Kušnírová

Gedenkveranstaltung im Jahr 2019 für Kuciak und Kušnírová Foto: imago

Als die Richter ihr Urteil sprachen, verließen die Angehörigen der Opfer den Verhandlungssaal: Freispruch für Marian Kočner befand das Spezialgericht im westslowakischen Pezinok am Freitag in seinem schon zweiten Urteil im Fall des Auftragsmordes an dem Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová.

„Um es einfach zu sagen, Pfui unserer Justiz“, sagte Kušnírovas Mutter Zlatica nach Bekanntwerden des Urteils: „Sie töten unsere Kinder und … es ist eine Schande.“ Auch Jan Kuciaks Vater Josef kämpfte nach der Urteilsverkündung mit der Fassung: „Gerechtigkeit nicht nur mit verbundenen Augen, sondern auch mit Kopfhörern auf den Ohren“, sagte er und gestand ein, das Urteil habe ihn „völlig verblüfft“.

Wie schon beim ersten Verfahren Anfang 2021 scheiterte die Verurteilung Kočners aus Mangel an Beweisen. Der 60-jährige Unternehmer war angeklagt, den Mord an Kuciak in Auftrag gegeben und die Ermordung zweier Staatsanwälte und eines Rechtsanwalts geplant zu haben. Kočners Mitangeklagte Alena Zsuzsová befand das Gericht allerdings für schuldig, als Mittlerin des Mordes an Kuciak durch den Ex-Soldaten Miroslav Marček agiert zu haben.

Marček wurde schon 2020 zu einer 25-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Dasselbe Strafmaß wurde nun auch Alena Zsuzsova auferlegt: Die 48-Jährige wurde zuvor schon für ihren Anteil an einem anderen Mordfall zu 21 Jahren Haft verurteilt. „Das entbehrt jeder Logik, Kočner muss das doch finanziert haben, Zsuzsová hatte doch nicht so viel Geld“, sagte Josef Kuciak.

Insgesamt 70.000 Euro für den Mord an Ján Kuciak – seine Verlobte war zur falschen Zeit am falschen Ort, in dem alten Haus vor den Toren Bratislavas, das das junge Paar zusammen renovierte – habe Zsuzsová an die Mörder gezahlt. Das Gericht verurteilte sie nun, je 80.000 Euro Entschädigung an die Familien von Kuciak und Kušnírová zu entrichten.

Indirekte Beweise nicht ausreichend

Dem mutmaßlichen Auftraggeber Kočner jedoch konnte das Gericht erneut nicht nachweisen, den Mord tatsächlich in Auftrag gegeben zu haben. Die Beweislage der Anklage hatten sich vor allem auf Nachrichten gestützt, die Kočner über den Nachrichtendienst Threema verschickt hatte.

Aus denen ging zwar einiges über die mafiösen Verstrickungen Kočners hervor, die bis nach ganz oben reichten: Wegen seiner Verbindungen zu Kočner mussten Ministerpräsident Robert Fico und Innenminister Robert Kaliňak schon wenige Wochen nach dem Kuciak-Mord zurücktreten. Auch lieferten die Nachrichten Anzeichen für einen leichten Größenwahn Kočners, der sich an dem Journalisten Kuciak festgebissen hatte. Allein im Jahr vor seiner Ermordung hatte Kuciak mehrere schmutzige Geschäfte Kočners aufgedeckt, darunter Steuerhinterziehung, Korruption und Dokumentenfälschung.

Einen klaren Beweis, dass Kočner den Mord tatsächlich in Auftrag gegeben hatte, konnte die Anklage aber bis heute nicht liefern. Aufgrund indirekter Beweise ist aber keine Verurteilung möglich, befand das Spezialgericht in Pezinok nun schon zum zweiten Mal. „Die vorgelegten Beweise müssen belegen, dass der Angeklagte auch diejenige Person ist, die die Tat, für die sie angeklagt ist, auch tatsächlich begangen hat“, erklärte die Vorsitzende des Gerichts, Růžena Sabová, in ihrer Urteilsverkündung. „Im Zweifelsfall müssen die Zweifel im Sinne des Beschuldigten beurteilt werden“, so Sabová.

Die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová, selbst gelernte Rechtsanwältin, kommentierte den erneuten Freispruch Kočners in den sozialen Netzwerken durchaus missmutig: „Ich bin offensichtlich nicht die Einzige, die sich vom heutigen Urteil enttäuscht und überrascht fühlt“, erklärte sie in ihrer Reaktion auf das Urteil.

Der Freispruch bedeutet für Geschäftsmann Marian Kočner allerdings keineswegs Freiheit: Wegen der Fälschung von Schuldscheinen und Wechselbetrugs sitzt er derzeit eine 19-jährige Haftstrafe ab.

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