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Nach Messerangriff in ÖsterreichMigrationsdebatte nach Villach

Der Anschlag in Österreich beeinflusst die Regierungskrise. Der Innenminister plant „anlasslose Massenkontrollen“, die FPÖ spricht von „Systemversagen“.

Österreichs Innenminister Gerhard Karner am Tatort. Er plant „anlasslose Massenkontrollen“ Foto: Gerd Eggenberger/apa/dpa

Wien taz | Nach einem Messerangriff vom Wochenende droht sich der Migrationsdiskurs in Österreich neuerlich zu verschärfen. Ein 23-jähriger Syrer hat im südösterreichischen Villach einen 14-Jährigen getötet, sowie fünf Personen teils schwer verletzt. Einige von ihnen schweben noch in Lebensgefahr.

Der mutmaßliche Täter hatte offenbar wahllos auf Passanten eingestochen. Gestoppt wurde er von einem ebenfalls syrischen Essenslieferanten, der die Tat bemerkt hatte. Daraufhin fuhr er den Attentäter gezielt mit dem Auto an und setzte ihn außer Gefecht. Kurz darauf wurde er von der Polizei festgenommen. So wurde womöglich Schlimmeres verhindert.

Der mutmaßliche Täter befindet sich in Untersuchungshaft. Noch am Wochenende sprachen die Behörden von einem eindeutigen Terrorangriff. Ein Foto, offenbar unmittelbar vor der Verhaftung, zeigt den Täter lachend und mit einem islamistischen Gruß. Während der Tat hat er Medienberichten zufolge „Allahu akbar“ gerufen, in seiner Wohnung fanden Ermittler IS-Fahnen an der Wand.

In Villach herrscht Bestürzung und Unverständnis. Die Stadt hat eine Trauerwoche ausgerufen, am Dienstag findet ein Gedenkmarsch statt. Sogar eine Absage des Villacher Faschingsumzugs, der bedeutendsten Karnevalsfeier Österreichs, steht im Raum.

FPÖ fühlt sich bestätigt

Auch bundespolitisch schlägt der Fall Wellen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zufolge habe sich der Mann online radikalisiert. „Es braucht nun die Entschlossenheit, die Konsequenzen daraus zu ziehen“, sagte Karner und kündigte „anlasslose Massenüberprüfungen“ von Asylberechtigten aus Syrien und Afghanistan an. Die Rechtsgrundlage dafür ist fragwürdig. Zudem forderte Karner mehr Befugnisse für den Staatsschutz, etwa die Möglichkeit, Messengerdienste zu überwachen.

Die rechtsradikale FPÖ, die seit Langem einen Asylstopp fordert, fühlt sich angesichts der Messerattacke in ihrer Politik bestätigt. Von einem „Systemversagen erster Güte“ spricht Parteichef Kickl. „Dass kein ‚Völkerwanderer‘ überhaupt einen Mord bei uns begehen könnte, wenn er erst gar nicht in Österreich wäre, ist sowieso normal und logisch.“ Aus diesem Grund sei es entscheidend, dass das Innenministerium von der FPÖ geführt werde.

Die Debatte entbrennt mitten in der derzeitigen Regierungskrise. Nachdem eine Regierung aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen nicht zustande kam, scheiterten zuletzt auch die Gespräche zwischen FPÖ und ÖVP. Hauptgrund dafür: Beide Parteien beanspruchten das Innenministerium für sich – die ÖVP unter anderem, weil sie die FPÖ als Sicherheitsrisiko für Österreich sieht.

Bundespräsident Van der Bellen hat zuletzt die Parteien zu neuerlichen Gesprächen aufgefordert. Nach Kickls Scheitern kommen de facto nur noch ÖVP und SPÖ in Frage. Beide bestätigen am Montag laufende Gespräche. Klar ist schon jetzt: Die neue Regierung wird sich stärker denn je mit Sicherheit befassen müssen. Die FPÖ wird jedenfalls nach Kräften versuchen, sie vor sich herzutreiben.

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1 Kommentar

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  • Da zeigt sich die ganze Bandbreite des Absurden in der Debatte. Man hätte den Syrer loben können, der das Attentat beendet hat, als Beispiel gelungener Integration. Stattdessen steckt man Millionen quasi in Sippenhaft, als müsste jeder Deutscher büssen für die Morde der NSU.