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Nach Loveparade-Katastrophe in Duisburg80.000 wollen Sauerland abwählen

Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland muss sich wohl einem Abwahlverfahren stellen. Die Initiative "Für einen Neuanfang" legt fast 80.000 Unterschriften vor.

Erst die Ketchup-Attacke von Duisburg, jetzt die Unterschriften: Adolf Sauerland (CDU) aber will durchhalten. Bild: dpa

KÖLN taz | Adolf Sauerland muss um seinen Job als Duisburger Oberbürgermeister bangen. Die Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg" hat über 79.000 Unterschriften gegen den seit der Loveparade-Katastrophe heftig umstrittenen Christdemokraten gesammelt. Die Listen übergaben Vertreter der Initiative am Montagnachmittag dem Stadtrat. Damit dürfte Sauerland einem Abwahlverfahren wohl nicht mehr entkommen können.

"Wir haben Tausende Stimmen mehr bekommen, als Sauerland bei seiner Wahl erhalten hat", freute sich Initiativensprecher Theo Stegmann. "Das ist ein deutliches Signal." Das schwer angeschlagene Stadtoberhaupt müsse jetzt endlich den Weg für einen politischen Neubeginn freimachen. "Der Rücktritt ist die einzig mögliche Konsequenz", meinte Stegmann. Doch so rasch räumt Sauerland nicht das Feld. Bei der Kommunalwahl im August 2009 war er noch im Amt bestätigt worden. Doch seit der Loveparade am 24. Juli 2010 hat sich die Stimmung in der Stadt völlig gedreht.

Viele Duisburger sind empört, weil sich der CDU-Politiker beharrlich weigert, die politische Verantwortung für die damalige Katastrophe zu übernehmen, bei der 21 Menschen ihr Leben verloren und mehr als 500 verletzt wurden. Auch am Montag lehnte der 56-Jährige persönliche Konsequenzen erneut ab. "Ich bin gewählt bis zum Jahre 2015 und werde solange Oberbürgermeister sein, bis es ein anderes demokratisches Votum gibt", gab Sauerland im Rathaus eine kurze Erklärung ab - unter Pfiffen und Buhrufen.

Die Duisburger Stadtverwaltung will am Dienstag mit der Überprüfung der Unterschriften beginnen. Rund gültige 55.000 Stimmen sind nötig, damit es zu einem Bürgerentscheid über den Amtsverbleib Sauerlands kommen kann. Das offizielle Ergebnis der Stimmauszählung soll auf der nächsten Ratssitzung am 12. Dezember verkündet werden.

Wird das erforderliche Quorum erreicht, müssen die Duisburger innerhalb von drei Monaten zur Urne gerufen werden. Falls dann die Mehrheit der Abstimmenden und mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten gegen den Oberbürgermeister votieren, muss er seinen Sessel räumen. Das wären rund 92.000 Stimmen. "Wir werden keine Probleme haben, diese Anzahl zusammenzukriegen", ist Initiativensprecher Stegmann überzeugt. Die Stimmung in Duisburg sei eindeutig.

Das Duisburger Bürgerbegehren ist das erste in Nordrhein-Westfalen zur Abwahl eines Oberbürgermeisters. Erst im Mai hatte der Düsseldorfer Landtag mit einer Änderung der Gemeindeordnung die Einleitung eines Abwahlverfahrens durch die Wähler möglich gemacht. Ein Abwahlbegehren im Duisburger Stadtrat verfehlte 2010 die notwendige Zweidrittelmehrheit, da die CDU, aber auch Grüne Abgeordnete Sauerland die Treue hielten.

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10 Kommentare

 / 
  • PB
    Pascal Beucker

    @MATTHIAS SCHNEIDER: Ich verstehe ja, dass Dir als Grünen das Verhalten von Kantel & Co. peinlich ist. Aber Du weißt genauso gut wie ich, warum drei von sechs grünen Ratsvertretern bei dem Abwahlantrag gefehlt haben. Mit ihrem ppolitisch motivierten Fernbleiben haben sie ganz bewusst mit dazu beigetragen, dass es zur Zweidrittelmehrheit nicht reichte - unabhängig davon, ob es letztlich auf ihre Stimmen ankam. Umgekehrt kann sich ja auch kein CDUler damit herausreden, seine Stimme wäre egal gewesen, weil doch auch drei Grüne nicht für die Abwahl gestimmt hätten. Und von dem miesen Verhalten des grünen Stadtdirektor Greulich, dem Motorradkumpel Sauerlands, will ich erst garnicht reden.

    @DORTMUNDER: Erstens ist es eine Fehlinformation, dass Sauerland bei einem Rücktritt auch die Pensionsansprüche verlieren würde, die er sich vor seiner Zeit als OB erarbeitet hat. Zweitens: Würde es ihm nur um seine Pension gehen, hätte Sauerland bereits das Abwahlverfahren im Rat im vergangenen Jahr passieren lassen können. Denn danach hätte ohne Probleme bei voller Wahrung aller seiner Pensionsansprüche abtreten können. Übrigens hatte ich mich bereits in früheren Berichten der Pensionsproblematik ausführlich gewidmet. Für die Frage, ob Sauerland die POLITISCHE Verantwortung für die 21 Toten und mehr als 500 Verletzten auf der Loveparade trägt, ist die jedoch völlig unrelevant.

  • W
    Wensiela

    Liegt sein stures Verhalten evtl. am Vornamen?

  • HR
    Heinz R.

    Es ist einfach nur traurig, was für Gestalten der deutsche Parteiensumpf in verantwortungsvolle Positionen hebt.Und wenn es dann einmal darum geht Verantwortung zu übernehmen, klebt dieses Pack auch noch an den Stühlen wie Patex.Statt einer Luxuspension wäre Hartz 4 hier völlig gerechtfertigt.

  • D
    Dortmunder

    Das also ist ein taz-eigener Bericht. Prima, scheint abgeschrieben zu sein von all den anderen oberflaechlichen Berichten. Was ist den zum Beispiel mit dem Aspekt, dass Sauerland seine Pensionsansprueche verliert (uebrigens auch die, die er sich in der Zeit vor der Love Parade erarbeitet hat). Ich kenne natuerlich die finanzielle und familiaere Situation von Sauerland nicht, aber moeglicherweise kommt der Mann ja unter erheblichen finanziellen Druck ohne diese Ansprueche. Moeglicherweise haette man ja bei der Aenderung der gemeindeordnung sowas gleich mitregeln koennen...

     

    Unabhaengig davon, wie man das bewertet sollte so ein Aspekt vielleich beleuchtet werden. Der Autor haette nicht mehr machen muessen, als die Lekture von Stern, Bild und SZ auf Wikipedia ausweiten...

  • M
    Matthias

    @Marco:

    Genau das irritiert mich auch an der - mit Verlaub: hysterischen - Focussierung allein auf Sauerland und sein ausbleibendes Schuldeingeständnis.

    Das nimmt sich in Anbetracht der bisherigen Ermittlungen, über die medial weitaus zurückhaltender berichtet wird, schon merkwürdig aus, entspricht aber gewissen politischen Machtkämpfen um die erodierendende Vormachtstellung der SPD, die vermutlich auch ihren Anteil am Debattenverlauf haben, denn im Gegensatz zu politischen Amtsträgern, die auch schonmal juristischen Analysen vorgreifen, hatte sich m.W. nur Pleitgen zu moralischer Mitschuld bekennen wollen. Vom politischen (und anderem) Personal, daß noch im Wahlkampf unbedingt die Loveparade haben wollte, auch vom Stadtrat, der das Event ebenfalls haben wollte, sind solche Schuldbekenntnisse zumindest nicht bis zu mir durchgedrungen - und der leidigen Thematik kann man sich ja in keiner Zeitung völlig entziehen.

    Aber egal, wer nun tatsächlich was zu verantworten hat, fällt Sauerland, wäre vermutlich die Berichterstattung plötzlich nahezu Null und wir hätten alle unsere Ruhe.

    Wobei man den Stadtoberen ja eins lassen muß: Die sieche Stadt an der Ruhr ist dank Loveparade und Museumspleite in aller Munde. Da hat sich das Kulturhauptstadtsjahr wirklich gelohnt, wenn auch nicht ganz so, wie geplant. Aber funktionierende Planung widerspricht offenbar Duisburg.

  • E
    emil

    @marc

    sauerland hat den krams ja mindestens mal abgesegnet und haftet damit. und wenn sein stab von untergebenen soviel mist gebaut hat, ist es an sauerland, diese vorzuführen, da er jetzt ja ohnehin wackelt.

     

    wenn er aber bis zum schluss so tut, als wäre nichts und hätte niemand etwas falsch gemacht, dann eben auf wiedersehen.

     

    das ist ja kein hexenprozess wo wirre behauptungen aufgestellt werden. die veranstaltung fand unter sauerlands schirmherrschaft statt! noch fragen?!

  • MS
    Matthias Schneider, Duisburg

    Woher kommt eigentlich dieses Gerücht, dass die Abwahl im Rat damals an den Grünen gescheitert wäre ? Da ist überhaupt nichts dran !!!

    Um die 2/3 Merheit im Rat dagegen zu verhindern reichten allein die CDU-Stimmen und alle CDU'ler stimmten für 'Ihren' OB. So sind die CDU-Ratsmitglieder eben ...

    Von den 6 grünen Ratsmitgliedern haben 3 entschuldigt gefehlt und 3 für die Abwahl gestimmt. Aber es hing nicht mal an den Entschuldigten. Also bitte immer bei der Wahrheit bleiben.

    Die grüne Mitgliederversammlung in Duisburg hat übrigens damals mit überwältigender Mehrheit den Rücktritt von OB Sauerland gefordert und wir haben das öffentlich mehr als deutlich kommuniziert.

    Wir haben außerdem im Juli in einer Mitgliederversammung die Empfehlung beschlossen, dass unsere Mitglieder die Bürger-Abwahlinitiative unterstützen. Was viele auch sehr aktiv getan haben !!

     

    Matthias Schneider, Sprecher Grüne Duisburg

  • S
    Silvia

    es ist der erste direktdemokratische abwahlvorgang-das muss man sich mal auf der zunge zergehen lassen,welche folgen das für direktdemokratische instrumente nach sich zieht,bei konsequenter aufklärung und durchführung-schööööööööön auf der zunge zergehen lassen und sich mit direkter demokratie beschäftigen:achtung sprengt grenzen!vorsicht beim denken...

  • M
    Marc

    Naja, wenn man Sauerland zum Sündenbock macht, dann werden viele erleichtert aufatmen, die durch ihr Versagen wirklich Dreck am Stecken haben.

  • S
    Silvia

    yes!der erste schritt für meinen amtsantritt..he,he..das wird das wird das wird was-yes!