Nach Khashoggi-Verschwinden: Saudis drohen Konsequenzen
Zahlreiche westliche Unternehmen gehen nach dem Verschwinden des saudischen Journalisten auf Distanz zum Regime. Auch der IWF zeigt sich „entsetzt“.
Auch IWF-Chefin Christine Lagarde hat sich entsetzt über die Berichte zum verschwundenen saudiarabischen Journalisten Jamal Khashoggi gezeigt. „Menschenrechte, Informationsfreiheit sind grundlegende Rechte und entsetzliche Dinge wurden berichtet, und ich bin entsetzt“, sagte Lagarde am Samstag beim Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf der indonesischen Insel Bali.
Sie halte vorerst an ihrer Teilnahme an dem Wirtschaftstreffen fest, das in diesem Monat in der saudiarabischen Hauptstadt Riad stattfinden soll, sagte Lagarde. Sie müsse die Geschäfte des IWF „in allen Ecken der Welt und mit vielen Regierungen“ führen und werde in den kommenden Tagen Informationen über den Fall „sehr aufmerksam“ verfolgen. „Wenn ich ein Land besuche, sage ich immer meine Meinung“, kündigte sie an.
Der Kronprinz Mohammed bin Salman hatte weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen eingeleitet, darunter das Programm Vision 2030, mit dem das ölreiche Königreich zu einem Zentrum für Technologie und Innovation umgebaut werden soll. Obwohl bin Salman zugleich die Repressionen gegen Kritiker verschärfte, stellten sich viele prominente Wirtschaftschefs im Westen hinter dieses Programm.
Eigentlich wollte der Kronprinz nun bei einem „Wüsten-Davos“ genannten Wirtschaftsgipfel vom 23. bis 25. Oktober sein ambitioniertes Reformprogramm präsentieren und bei ausländischen Wirtschaftsvertretern um Investitionen werben. Doch der Verdacht, dass der Thronfolger einen prominenten Journalisten im eigenen Konsulat per Mordkommando beseitigen ließ, hat viele Unternehmen aufgeschreckt.
„New York Times“ zieht sich zurück
Nachdem Riad nach dem Verschwinden Khashoggis in Istanbul bislang den Beweis für seine Behauptung schuldig geblieben ist, dass der Regierungskritiker das Konsulat lebend wieder verließ, gehen besonders Medienunternehmen auf Distanz. So erklärte die New York Times, nicht mehr als Sponsor für die Future Investment Initiative zur Verfügung zu stehen. Prominente Journalisten sagten ihre Teilnahme an dem Gipfel ab.
Der NYT-Kolumnist Andrew Ross Sorkin erklärte, er sei „furchtbar erschüttert“ über die Berichte zum Mord an Khashoggi und werde nicht kommen. Auch Uber-Chef Dara Khosroshahi erklärte, wenn sich die Faktenlage nicht komplett ändere, bleibe er dem Treffen fern. Seine Absage ist besonders symbolträchtig, da Saudi-Arabiens Staatsfonds seit 2016 mit 3,5 Milliarden Dollar an dem US-Transportvermittlungsdienst beteiligt ist.
Der Gründer der Virgin-Gruppe, Richard Branson, ging noch weiter und legte mehrere geplante Kooperationsprojekte mit Saudi-Arabien auf Eis. Er habe „große Hoffnung“ in die Reformen von bin Salman gesetzt, doch sollten sich die Berichte zu Khashoggi bewahrheiten, werde dies „die Geschäftsperspektiven aller westlichen Staaten gegenüber der saudiarabischen Regierung radikal ändern“, erklärte der britische Milliardär.
Andere Wirtschaftsvertreter wollen trotz der Khashoggi-Affäre weiter an dem Treffen in Riad teilnehmen. Siemens, dessen Chef Joe Kaeser eingeladen ist, teilte mit, der Konzern verfolge die Situation genau, halte aber an seiner Teilnahme fest. Auch US-Finanzminister Steven Mnuchin sagte, er habe seine Pläne „bisher“ nicht geändert. Jamie Dimon von der US-Investmentbank JP Morgan will ebenfalls weiter an der Konferenz teilnehmen.
Viele westliche Staaten äußern sich bisher zurückhaltend zu der Affäre. Deutschlands Regierungssprecher Steffen Seibert zeigte sich zwar „sehr besorgt“ über das „spurlose Verschwinden“ Khashoggis, sah aber für eine Einstellung der deutschen Waffenlieferungen an Riad keinen Anlass. Auch US-Präsident Donald Trump sprach sich angesichts entsprechender Forderungen im Senat gegen einen Stopp der US-Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien aus. Schließlich brächten diese viel Geld und sicherten Jobs in den USA, sagte Trump.
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