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Nach Gewalt gegen DemonstrantenEU schont Kongos Regierung

Die EU äußert nur milde Kritik an den tödlichen Polizeieinsätzen gegen Demonstranten im Kongo. Der Grund sind Geschäftsinteressen.

Europa kondoliert lediglich den Hinterbliebenen: Rabiater Polizist in Kinshasa, 31. Dezember Foto: ap

Brüssel taz | Die EU hat am Mittwoch den Familien der Opfer der Gewalt gegen friedliche Demonstranten in der Demokratischen Republik Kongo ihr Beileid ausgesprochen. Eine explizite Verurteilung oder Drohung mit neuen Sanktionen enthält die Erklärung nicht – und wie EU-Diplomaten in Brüssel bestätigen, wäre sie um ein Haar gar nicht erfolgt.

Frankreich und Spanien verhinderten am 2. Januar einen kritischeren Entwurf, nachdem am 31. Dezember in Kinshasa und Kananga mindestens elf Menschen bei der Niederschlagung von Protesten der katholischen Kirche gegen Kongos Präsident Joseph Kabila getötet worden waren.

Die EU fiel damit noch hinter eine sehr milde Erklärung von UN-Generalsekretär Antonio Guterres zurück. Ganz zu schweigen von Belgiens Außenminister Didier Reynders, der von „brutaler Repression“ gesprochen und „die individuelle Verantwortung der Urheber“ der Gewalt angemahnt hatte.

Seit der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten Frankreichs ist eine Annäherung zwischen Kinshasa und Paris zu beobachten. Franck Paris, Macrons Afrikaberater, und Rémi Maréchaux, Afrika-Direktor im französischen Außenministerium, haben im Juni Kabila getroffen. Zuletzt war Ausbildungshilfe für Kongos neue Anti-Aufstands-Polizei LENI (Légion Nationale d’Intervention) im Gespräch.

Schon vor Silvester stellten sich Paris und Madrid gegen einen gemeinsamen Aufruf der EU-Botschafter in Kinshasa für die Meinungsfreiheit.

Kongos Ölquellen

Die häufigste Erklärung für die Annäherung ist ökonomisch. Der einst staatliche französische Ölkonzern Total hält die Lizenzen für einen Erdölblock an der ugandischen Grenze; die Genehmigung muss diesen Januar erneuert werden.

Die einzige Firma, die im Kongo tatsächlich Öl fördert und damit Kongos Staat erhebliche Einnahmen beschert, ist die französisch-britische Perenco. Sie unterschrieb am 25. Oktober mit Kongos Regierung einen neuen 20-Jahres-Vertrag für ihre Ölquellen in Kongos Territorialgewässern im Atlantischen Ozean.

Auch die französische Telefongesellschaft Orange, die französische Brauerei Castel und die im Güterverkehr auf dem Kongo-Fluss führende französische Transportgesellschaft Bolloré sind im Kongo präsent.

Spanien wiederum macht sich immer noch Hoffnungen, mit dem spanisch geführten Konsortium ACS endlich den Ausbau der Inga-Staudämme am Unterlauf des Kongo-Flusses zu realisieren – es wäre eines der größten Infrastrukturprojekte Afrikas.

Das ist viel interessanter als Versammlungsfreiheit.

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1 Kommentar

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  • Der alte Neokolonialismus, es hat sich nichts geändert. Geschäfte mit westlichen (oder mittlerweile wahlweise chinesischen) Firmen versorgen die Regime mit Geld und halten sie dadurch an der Macht. Die verscherbeln die Ressourcen ihrer Länder (einschließlich der Arbeitskraft ihrer Bürger) zu Schleuderpreisen, und verhelfen westlichen Firmen zu gigantischen Profiten.

    EU und Co. halten ihre schützende Hand darüber, machen sich direkt mitschuldig an Unterdrückung, grenzenloser Armut und massenhaftem Sterben. Zur Not wird auch mal militärisch nachgeholfen, wenn die Falschen zu stürzen resp. an die Macht zu kommen drohen.

     

    Solange das so läuft, haben die lokalen Bevölkerungen kaum eine Chance, gegen den Unterdrückungsapparat aus Armee, Polizei und sonstigen Sicherheitskräften Veränderungen durchzusetzen. Wie auch?

     

    Aber in Europa ist das alles kein Thema. Gut und böse scheiden sich für Linke wie Rechte daran, ob Armutsmigranten aufgenommen werden sollen oder nicht. (Am liebsten natürlich gut ausgebildete, deren Ausbildung praktischerweise schon von den armen Staaten finanziert wurde, den Rest als billige Arbeitskräfte und Konkurrenz für die hiesigen prekär Beschäftigten.)

    Und wenn es das Thema Armut in Afrika, etwa aufgrund einer herausragenden Hungerkatastrophe, doch mal in die Schlagzeilen schafft, fordern die Linken mehr „Entwicklungshilfe“, während die Neoliberalen im Chor mit dem rechten Pack proklamieren, die Afrikaner seien selbst schuld: Ist ja alles total korrupt dort; wenn sie aus ihrem Elend rauswollen, müssen sie halt mal ein ordentliches Staatswesen aufbauen und lernen, anständig zu arbeiten.