Nach Clearstream-Urteil in Paris: Schlammschlacht eröffnet
Der Freispruch für Villepin im Clearstream-Prozess rehabiliert den Expremier. Die französische Presse sieht in Villepin einen Konkurrenten für die Präsidentschaftswahl 2012.
Nicolas Sarkozys Ohren müssen gehörig sausen, so oft ist in Frankreichs Zeitungen in den Artikeln zum Clearstream-Urteil zu lesen, der französische Präsident habe mit dem Freispruch für seinen Rivalen Dominique de Villepin am Donnerstag eine schallende Ohrfeige bezogen. Einige Kommentare sind eine Spur nuancierter, sie reden von einer "Desavouierung", einem "Rückschlag" oder einer folgenreichen "Niederlage" für der Staatschef, der im Clearstream-Prozess nur als Nebenkläger beteiligt war, um seinen parteiinternen Gegner verurteilen zu lassen.
In seinem Eifer habe er genau das Gegenteil erreicht, nämlich Villepins Rehabilitierung, schreibt die bretonische Zeitung Le Télégramm. Und die nordfranzösische Voix du Nord prophezeit, vom Moment seines Freispruchs an sei Villepin "als Präsidentschaftskandidat zu betrachten, der ebenso viel Energie darauf verwenden wird, Sarkozy 2012 zu besiegen, wie dieser dafür eingesetzt hat, um Villepin an einem Fleischerhaken aufhängen zu lassen".
Bestimmt bereut Sarkozy zumindest diese brutalen Drohungen, die er einst gegen die angeblichen Anstifter des Verleumdungskomplotts gegen ihn ausgestoßen hatte. "Wird Villepins Rache ebenso gnadenlos, methodisch und grausam sein?", fragte besorgt das konservative Leitblatt Le Figaro, ob schon der Expremier nach seinem Freispruch gesagt hatte, er wolle nicht nachtragend sein.
Eine Versöhnung zwischen den beiden Galionsfiguren der französischen Rechten steht jedoch nicht auf dem Programm. Noch hat nämlich die Justiz in dieser komplizierten Affäre um gefälschte Kundenlisten des luxemburgischen Finanzinstituts Clearstream nicht ihr letztes Wort gesprochen. Nach den beiden zu Haftstrafen verurteilten Jean-Louis Gergorin und Imad Lahoud hat nun auch der Staatsanwalt Jean-Claude Marin angekündigt, er werde die Sache weiterziehen und Villepins Freispruch vor dem Berufungsgericht anfechten.
Hinter dieser Entscheidung vermutet der ehemalige Premierminister Villepin sogleich den langen Arm des Staatschefs, der die gerichtliche Demütigung keineswegs einfach hinnehmen wolle, obwohl er dies am Donnerstag zunächst andeutete. Damit verharre Sarkozy "in seiner Uneinsichtigkeit und seinem Hass", meinte Villepin gestern im Radio.
Er will sich nun nicht nur verteidigen, sondern geht zum Gegenangriff über: "Nicolas Sarkozy hat in dieser Affäre (Clearstream) gelogen. Er hat bezüglich des Datums, an dem er Kenntnis dieser Operationen erhielt, die Unwahrheit gesagt." Er ist überzeugt, dass der Staatsanwalt von oben angewiesen wurde, Berufung einzulegen.
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