Nach Berichten über Tierquälerei: Boykott gegen Wiesenhof-Hähnchen
Die größten Schweizer Supermarktketten kaufen nichts mehr von Deutschlands größtem Geflügelfleischkonzern. Sie begründen das mit den Tierquäler-Vorwürfen gegen Wiesenhof.
![](https://taz.de/picture/250031/14/25970117wiesenhof_f.jpg)
BERLIN taz | Nach Vorwürfen wegen Tierquälerei boykottieren die größten Schweizer Supermarktketten Deutschlands führenden Geflügelfleisch-Konzern PHW/Wiesenhof. Migros, Coop und Denner bestätigten am Mittwoch der taz, dass sie keine Wiesenhof-Produkte mehr kaufen.
"Das wird sicher sogar für Wiesenhof nicht mehr aus der Portokasse zu begleichen sein", sagte Migros-Sprecher Urs Peter Naef. Allein Migros und Coop verbuchen ungefähr die Hälfte des Schweizer Einzelhandelsumsatzes.
Damit reagieren die Ketten darauf, dass wieder ein Fall von Tierquälerei auf einer Vertragsfarm von Wiesenhof bekannt geworden ist. Am 31. August zeigte das ARD-Fernsehen Videoaufnahmen, auf denen von Wiesenhof beauftragte Mitarbeiter Puten treten, durch die Luft schleudern und in Käfige auf einem Lastwagen werfen. Ein Schweizer Sender zeigte die Aufnahmen am Dienstagabend. Bereits Anfang 2010 waren ähnliche Bilder aus einem Wiesenhof-Betrieb veröffentlicht worden.
"Damals haben sie uns glaubhaft versichert, dass sie Maßnahmen ergreifen werden", erklärte Migros-Sprecher Naef: "Aber offensichtlich können sie unsere Anforderungen wie tiergerechten Umgang nicht garantieren."
Die Konkurrenz ist auch nicht besser
Allerdings können die Ketten ihren Geflügelfleischbedarf nicht allein in der Schweiz decken, wo die Tierschutzbestimmungen laut Coop strenger sind als in der Europäischen Union. Coop etwa importiert nach eigenen Angaben 25 Prozent - die Hälfte davon lieferte bislang Wiesenhof. Nun werde die Supermarktkette versuchen, Ware von anderen Produzenten in Deutschland und Ungarn zu bekommen.
Die Wiesenhof-Konkurrenten behandelten ihre Tiere aber auch nicht besser, erklärte die Tierrechtsorganisation Peta, die die Videos aus den Ställen aufgenommen hat. "Die Produkte aus der Massentierhaltung sind alle so wie bei Wiesenhof", sagte Sprecher Edmund Haferbeck. Dennoch hält er den Boykott der Schweizer für sinnvoll. "Wiesenhof ist mit Abstand Marktführer in Deutschland. Wenn er so stark unter Druck gerät, dass er den Tierschutz verbessert, dann hat das Signalwirkung für alle." Andere Firmen müssten dann ebenfalls ihre Haltungsbedingungen ändern.
Um den Druck zu erhöhen, verlangt Peta auch vom deutschen Handel, auf Wiesenhof-Produkte zu verzichten. Doch der größte deutsche Lebensmittelhändler, Edeka, ebenso wie Konkurrent Rewe forderten nur, dass Wiesenhof die Vorwürfe aufklären müsse. Peta antwortete darauf: "Es ist alles geprüft worden. Unsere Bilder sind authentisch. Das ist sogar von Wiesenhof eingeräumt worden." Die Discounter Lidl und Aldi gaben keine Stellungnahme ab. Auch Wiesenhof selbst äußerte sich nicht.
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