Nach Attentat auf Atomwissenschaftler: Iran kündigt Vergeltung an
Die Urheber des Anschlags, so die Regierung, seien in Israel zu finden. Sie wollten, glaubt man in Teheran, einen Neuanfang der Beziehungen zu den USA torpedieren.
Die New York Times berichtete, auch ein US-Vertreter und zwei Geheimdienstmitarbeiter hätten erklärt, dass Israel hinter dem Attentat stehe. Es sei unklar, ob die US-Regierung vorher informiert gewesen sei, doch beide Staaten seien engste Verbündete.
Wenige Stunden nach dem Angriff auf den Wissenschaftler teilte das US-Verteidigungsministerium mit, der US-Flugzeugträger „USS Nimitz“ sei zurück in die Region beordert worden. Das war insofern ungewöhnlich, als dass die „USS Nimitz“ schon monatelang dort im Einsatz war. Als Grund wurde vom Pentagon der geplante Abzug von US-Soldaten aus dem Irak und Afghanistan genannt. Es sei nur umsichtig, sich auf Notsituationen vorzubereiten, hieß es.
UN-Generalsekretär António Guterres mahnte nach dem Anschlag zur Mäßigung. „Wir fordern Zurückhaltung und sehen es als notwendig an, dass Maßnahmen vermieden werden, die zu einer Eskalation der Spannungen in der Region führen könnten“, sagte ein UN-Sprecher in New York.
Irans UN-Botschafter Madschid Tacht erinnerte in einem Schreiben an Guterres daran, dass in den vergangenen Jahren mehrere iranische Wissenschaftler bei Anschlägen getötet worden seien. Die Ermordung Fachrisadehs sei ein weiterer Versuch, die Region ins Chaos zu stürzen und die wissenschaftliche Entwicklung des Irans zu stören. Im Sommer hatte zudem eine Brand- und Explosionsserie Infrastruktur- und Atomanlagen im Iran beschädigt. Auch damals wurde über Israel als Urheber spekuliert, zumal Israel immer wieder auch iranische Militäreinrichtungen in Syrien angreift.
Beobachter aus Teheran sahen in dem Anschlag auch einen Versuch Israels und der Regierung von US-Präsident Donald Trump, einen Neuanfang der Beziehungen zwischen Teheran und Washington zu torpedieren. „Das war nicht nur ein Anschlag auf den Professor, sondern auf die bevorstehenden diplomatischen Bemühungen beider Länder nach der Amtsübernahme von Joe Biden“, twitterte etwa der Teheraner Politologe Mohsen Milani. Ähnlich sieht es die prominente iranische Journalistin Sahra Asghari. „Der Anschlag war der Preis, den der Iran für Trumps Wahlniederlage bezahlen musste.“
UN-Sanktionen gegen Moshen Fachrisadeh
Moshen Fachrisadeh soll Anfang der 2000er Jahre das militärische Atomprogramm Amad (Hoffnung) im Iran geleitet haben. Der Angriff auf ihn am Freitag in Absard außerhalb Teherans schien genau geplant und mit militärischer Präzision durchgeführt worden zu sein. Nach Angaben des iranischen Staatsfernsehens explodierte eine Bombe auf einem alten Lkw unter einer Holzladung in dem Moment, als Fachrisadehs Wagen vorbeifuhr. Mindestens fünf Bewaffnete seien dann aus Verstecken gekommen und hätten das Feuer auf das Auto eröffnet, berichtete die halbamtliche Nachrichtenagentur Tasnim.
Präsident Ruhani signalisierte mit seiner Ankündigung einer Reaktion zu „gegebener Zeit“, dass sein Land nichts übereilen wolle. „Die iranische Nation ist zu klug, um in die Falle der Zionisten zu tappen. Sie versuchen Chaos zu stiften“, sagte er. Gleichzeitig betonten Ruhani und Chamenei, ihr Land werde an seinem zivilen Atomprogramm festhalten.
Diesem wurden durch das Internationale Atomabkommen mit dem Iran 2015 enge Grenzen gesetzt, um zu verhindern, dass Teheran eine Atomwaffe baut. Seit dem einseitigen Ausstieg der USA aus dem Pakt 2018 hielt sich aber auch der Iran nach und nach nicht mehr an seine Verpflichtungen. Israel wirft dem Iran vor, auch sein Atomwaffenprogramm weiter voranzutreiben. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte 2018, Fachrisadeh habe dies so angelegt. „Merken Sie sich diesen Namen“, sagte er damals.
Gegen Fachrisadeh hatte der UN-Sicherheitsrat wegen seiner Arbeit am 2003 eingestellten Amad-Programm Sanktionen verhängt. Nach US-Erkenntnissen soll er zuletzt die Organisation für Verteidigungsinnovation und Forschung im Iran geleitet haben. Laut dem US-Außenministerium wird dort an Forschungsprojekten gearbeitet, die potenziell auch für Atomwaffen nützlich sein könnten. Die iranische Mission bei den Vereinten Nationen erklärte hingegen, Fachrisadeh habe an Tests und einem möglichen Impfstoff für das Coronavirus gearbeitet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!