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Nach Anschlag auf BVB-Mannschaftsbus28-Jähriger festgenommen

Der Anschlag in Dortmund scheint keinen islamistischen Hintergrund zu haben. Der mutmaßliche Täter soll auf einen Kursverlust der BVB-Aktie gesetzt haben.

Nach dem Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus hat die Polizei schnell ermittelt Foto: dpa

Berlin dpa | Anderthalb Wochen nach dem Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund hat die Polizei am Freitagmorgen im Raum Tübingen einen 28-jährigen Tatverdächtigen festgenommen. Laut Mitteilung der Bundesanwaltschaft scheint der mutmaßliche Täter wohl auf einen durch den Anschlag verursachten Kursverlust der BVB-Aktie gesetzt zu haben, um dadurch einen Millionengewinn einstreichen zu können. An islamistischen oder anderen extremistischen Hintergründen bestünden erhebliche Zweifel.

Der Verdächtige sei ein 28-Jähriger mit deutscher und russischer Staatsangehörigkeit. Ihm wird von der Bundesanwaltschaft versuchter Mord, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Die Bundesanwaltschaft wollte um 12.30 Uhr über den Stand der Ermittlungen informieren.

Am Dienstag vergangener Woche hatten vor dem Champions-League-Spiel der Dortmunder gegen den AS Monaco drei Sprengsätze am Mannschaftshotel gezündet, während der BVB-Bus vorbeifuhr. Dabei wurde der Abwehrspieler Marc Bartra in dem Fahrzeug von Splittern getroffen und schwer verletzt. Ein Motorradpolizist erlitt ein Knalltrauma.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur liefen am Freitagmorgen Polizeiaktionen gegen insgesamt vier unterschiedliche Objekte in Baden-Württemberg.

Auf fallende Kurse spekuliert

Laut Bundesanwaltschaft hat der Beschuldigte am 11. April – dem Tag des Anschlags gegen den BVB-Bus – 15 000 Verkaufsoptionen für 78.000 Euro in Bezug auf die BVB-Aktie erworben. Die Papiere hätten eine Laufzeit bis zum 17. Juni gehabt. Der Kauf wurde demnach über einen Online-Anschluss des Mannschaftshotels abgewickelt. Der Beschuldigte habe die Papiere über einen am Anfang April 2017 aufgenommenen Verbraucherkredit finanziert, hieß es.

Der Käufer spekulierte laut GBA auf fallende Kurse – die Höhe des Gewinns hänge von der Höhe des Kursverlustes ab. Mit einem erheblichen Kursverfall wäre zu rechnen gewesen, wenn wegen des Anschlags Spieler schwer verletzt oder sogar getötet worden wären. Der Verdächtige sei wie die Mannschaft Gast im Mannschaftshotel gewesen und habe dort bereits am 9. April ein Zimmer im Dachgeschoss mit Blick auf den späteren Anschlagsort bezogen.

Die BVB-Spieler waren kurz vor dem Anschlag mit ihrem Bus vom Mannschaftshotel zum Champions League-Hinspiel gegen den AS Monaco abgefahren. Die drei Sprengsätze waren in einer Hecke in der Nähe des Hotels versteckt. Das Spiel war dann wegen des Anschlags um einen Tag verschoben worden.

Nach Informationen der Bild-Zeitung wohnte der Tatverdächtige in Baden-Württemberg. Er sei seit dem 13. April per Haftbefehl wegen 20-fachen versuchten Mordes und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion gesucht worden. Laut Generalbundesanwalt waren an den Ermittlungen mehrere hundert Beamte des Bundeskriminalamtes sowie der nordrhein-westfälischen und der baden-württembergischen Polizei beteiligt.

Sprengsätze auf 12 Meter verteilt

Die Sprengsätze waren dem Generalbundesanwalt zufolge über eine Länge von zwölf Metern in einer Hecke entlang der Fahrstrecke des Mannschaftsbusses angebracht. Die Sprengwirkung der mit Metallstiften bestückten Sprengsätze sei auf den Bus ausgerichtet gewesen. Ein Metallstift sei noch in einer Entfernung von 250 Meter aufgefunden worden. Die Zündung sei nach derzeitigem Erkenntnisstand für jeden Sprengsatz separat über eine funkausgelöste elektrische Schaltung erfolgt. Zur Art des verwendeten Sprengstoffs lägen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor.

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8 Kommentare

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  • Nach dieser unglaublichen Wendung müssen erste Filmprojekte, die den Anschlag ganz gezielt unideologisch auswerten wollten, leider erstmal wieder auf Eis gelegt werden.

     

    Näheres siehe hier: http://www.der-postillon.com/2017/04/der-busbomber.html#more

  • Karl Marx zu "300 Prozent" Profit!

     

    Ein Zitat von P.J. Dunning (1860), das Karl Marx in einer Fußnote im „Kapital“ bekannt machte:

     

    „Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinen Profit, wie die Natur von der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv und waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.“

  • Das ist Kapitalismus in seiner widerwärtigsten Ausprägung.

    • @Soggebiegla:

      Das hat mit Kapitalismus wenig zu tun (also mit der Ausnutzung von Kapital). Das war einfach rücksichtslose Gier.

  • Wenn man eine Wette zum Nachteil der Bank eingeht (und sie in dieser Weise manipuliert) muß man auch damit rechnen, daß die Bank einen verpfeift. Genau das ist hier nämlich passiert. Die Polizei hat auf den Hinweis der Bank hin ermittelt.

    • @Werner W.:

      Die Banken verdienen immer. Beim Kauf und beim Verkauf von Optionen und natürlich noch beim Privatkredit. Für die Bank hat sich der "Deal" auf jeden Fall gelohnt...

      • @Grisch:

        Nicht ganz richtig. Bei Optionen bemühen sich die Banken die gegenläufige Wette (in dem Fall auf steigende Kurse der BVB Aktien) anderen Kunden anzudrehen. Wenn das nicht gelänge, blieben sie auf dem sehr großen Risiko sitzen.

         

        Ein derartiger Anschlag ist ein Verstoß gegen die Geschäftsbedingungen der Optionsscheine. Der Hinweis an die Polizei hatte - auch - den Sinn den Optionsscheinvertrag nicht bedienen zu müssen.

  • Da hat jemand das Morden direkt in die Hand genommen. Statt es die Banken über Umwege regeln zu lassen. Aber gut die Methoden sind subtiler und nicht so dermaßen "Ertragreich".

    Irgendwie mies das jeder sein Geld vermehrt sehen will aber mit dem erzeugten Elend nichts zu tun hat.