Nach Anklage gegen Hashim Thaçi: Präsident von Kosovo tritt zurück
Nach der Bestätigung einer Anklage wegen Kriegsverbrechen räumt Hashim Thaçi seinen Posten. Bislang beteuert er seine Unschuld.
Thaçi wird unter anderem beschuldigt, für fast 100 Morde an Serben, Roma und kosovo-albanischen politischen Gegnern verantwortlich zu sein. Zu den Vorwürfen zählen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Darüber hinaus sollen Thaçi und die Führungsriege der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) während des Kosovokrieges 1998/99 und danach in illegalen Organhandel verwickelt gewesen sein.
Hashim Thaçi war seit 1996 politischer Chef der UÇK, die gegen die serbische Herrschaft und das Apartheitsystem gekämpft hatte. Während des Unabhängigkeitskrieges 1998 bis 1999 war er Oberkommandierender der UÇK. Thaçi führte das Land 2008 in die Unabhängigkeit, bis dahin hatte eine UN-Mission (Unmik) Kosovo verwaltet. Danach regierte Thaçi als Premier bis er 2016 zum Präsidenten gewählt wurde.
Das Sondergericht für das Kosovo ist ein kosovarisches Gericht und nicht zu verwechseln mit dem UN-Tribunal gegen Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien. Es tagt mit Rücksicht auf Zeugen nur aus Sicherheitsgründen in Den Haag. An diesem 2015 etablierten Gericht sind neben kosovarischen Richtern auch internationale Richter tätig. Am 24. April 2020 veröffentlichte das Gericht die Anklageschrift.
Freispruch wahrscheinlich
Thaçi hat bislang seine Unschuld beteuert. Es gebe keinen Beweis, dass er das Gesetz gebrochen habe, sagte er. Auch sein enger Berater, Ardian Arifai, gibt sich optimistisch. „Im Falle der Vorwürfe über den Organhandel gab es nach den Anschuldigungen des Schweizer Juristen und Berichterstatters für den Europarat, Dick Marty, 2010 intensive Untersuchungen durch internationale Institutionen. Alle konnten keine Beweise für die Anschuldigungen finden“, sagte er am Donnerstag der taz.
Arifai und enge Mitarbeiter Thaçis gehen davon aus, dass er freigesprochen wird. Auch unabhängige politische Beobachter in Prishtina sehen in dem Gerichtsverfahren einen Versuch, die Legitimation des Befreiungskampfs der UÇK im Nachhinein infrage zu stellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“