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Nach Äußerungen von Polens PremierHakenkreuze an Botschaft in Tel Aviv

Unbekannte haben Swastikas an Polens Vertretung in Israel geschmiert. Eine Reaktion auf Mateusz Morawieckis Aussagen zu „jüdischen Tätern“ in der NS-Zeit.

Propagandist einer verzerrten Geschichtsschreibung? Premier Morawiecki vor einem Denkmal, dass an jene Polen erinnert, die Juden vor dem Holocaust gerettet haben Foto: ap

Jerusalem/Warschau/Berlin rtr/dpa | Aus Protest gegen Äußerungen des polnischen Ministerpräsidenten über Juden als Täter im Zweiten Weltkrieg haben Unbekannte die Botschaft Polens in Tel Aviv mit Hakenkreuzen beschmiert. Die israelische Polizei fand am Sonntag zudem weitere Schmierereien am Eingang des Botschaftsgebäudes vor und leitete Ermittlungen ein.

Polens Ministerpräsident Mateus Morawiecki hatte am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz auf die Frage eines israelischen Reporters zum umstrittenen polnischen Holocaust-Gesetz geantwortet. Der Reporter wollte wissen, ob auch er mit einer Strafe rechnen müsse, wenn er in Polen über seine Mutter berichte, die den Holocaust überlebt und ihm erzählt habe, Polen hätten mit der Gestapo kollaboriert.

Darauf hatte Morawiecki geantwortet, es habe polnische Täter gegeben, so wie es jüdische, ukrainische, russische und deutsche Täter gegeben habe. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte darauf empört reagiert.

Die Regierung in Warschau erklärte am Sonntag, Morawiecki habe mit seinen Äußerungen nicht den Holocaust leugnen wollen. Er habe auch nicht unterstellen wollen, dass jüdische Opfer Verantwortung für den von Nazi-Deutschland begangenen Völkermord an den europäischen Juden trügen.

Harsche Kritik von Zipi Livni

Das neue Holocaust-Gesetz stellt es unter Strafe, das polnische Volk oder den polnischen Staat für Verbrechen während der NS-Diktatur mitverantwortlich zu machen. Trotz internationaler Proteste hatte Präsident Andrzej Duda das Gesetz Anfang Februar unterzeichnet. Dem Gesetz zufolge kann etwa die Bezeichnung „polnische Todeslager“ mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.

Netanjahu und Morawiecki telefonierten am Sonntag miteinander. Der israelische Regierungschef wies nach Angaben seines Büros jeglichen Vergleich zwischen Handlungen von Polen und von Juden während des Holocausts zurück

Auch die israelische Oppositionspolitikerin Zipi Livni hat die umstrittene Äußerung von Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki zur Rolle von Juden als „Täter“ im Holocaust scharf kritisiert. Die Aussage sei „empörend“, sagte die ehemalige Außenministerin der Welt. Sie verurteilte auch das polnische Holocaust-Gesetz, das bestimmte Aussagen über die Judenvernichtung verbietet. „Die Idee, dass wir nicht mehr darüber sprechen sollen, was manche Polen während des Holocausts Juden angetan haben, die in Polen lebten, ist nicht akzeptabel“, sagte sie..

Mehr als drei Millionen der 3,2 Millionen Juden, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Polen gelebt hatten, wurden von den Nationalsozialisten umgebracht. Das entspricht etwa der Hälfte aller Juden, die im Holocaust umkamen. Die Nazis verschleppten Juden aus ganz Europa in die Vernichtungslager Auschwitz, Treblinka, Sobibor und andere im besetzten Polen.

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3 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Morawecki hat gar nicht gesagt, dass es jüdische Täger gab. Er hat nur gesagt, es nicht strafbar zu sagen, dass es polnische Täter oder jüdische Täter gab. Das ist unglücklich formuliert. Mehr nicht. Kein Grund so ein Theater darum zu machen.

  • Wer die Äußerungen des polnischen Ministerpräsidenten im aktuellen historischen Diskurs Polens versehen möchte, empfehle ich dieses Video:

    https://youtu.be/Q88AkN1hNYM

     

    So kann man die Geschichte natürlich auch interpretieren.

    • @Adele Walter:

      Als Kontrapunkt empfehle ich den Artikel von Melanie Philips in "Jerusalem Post" in dem sie behauptet:

       

      "Polen in dörflichen Gebieten bleiben verwurzelt in einer mittelalterlichen form des Christentums, die immer noch lehrt [!], dass Juden christliche Kinder für Blut umbringen".

       

      Die Frau lebt in London im Jahre 2018. Kurze Lektüre der israelischen Presse der letzten Wochen bringt mehr solche Exzesse zu Tage.