piwik no script img

Nach Absage einer SpendenaktionKritik an Drogeriemarktkette

Kritik von den Grünen bis zur CDU: Die Absage einer Aktion zugunsten der kurdischen Gemeinde in Troisdorf von dm trifft auf wenig Verständnis.

Wollten nur eine Spendenaktion machen: Ein dm-Markt in Nordrhein-Westfalen. Foto: imago/stpp

Berlin taz | Die Entscheidung der Drogeriemarktkette dm, eine für diesen Samstag geplante Spendenaktion nach Drohungen türkischer Nationalisten abzusagen, sorgt für Empörung.

„Ich verstehe nicht, dass die Drogeriekette dm einknickt und somit den Hetzern recht gibt – egal, welcher Herkunft die rechten Agitatoren sind“, sagte der grüne Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu am Mittwoch der taz. „In der sehr angespannten Situation zwischen Türken und Kurden – leider auch in Deutschland und Europa – bedeutet das, Öl ins Feuer zu gießen.“

Die Integrationsbeauftragte der CDU, Cemile Giousouf, sieht das ähnlich. „Es macht mich fassungslos, dass eine solche Aktion aufgrund von Gewaltandrohungen abgesagt werden musste“, sagte die Abgeordnete aus Hagen der taz. „Die kurdische Gemeinde im Rhein-Sieg-Kreis wurde unrechtmäßig mit der PKK gleichgesetzt.“

Und ihre Parteifreundin Serap Güler, nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete, stimmt ihr zu: „Ich finde diese Entscheidung sehr bedauerlich“, sagte Güler. „Das Unternehmen hätte richtigstellen sollen, dass an diesen Vorwürfen nichts dran ist.“ Es hinterlasse einen bitteren Nachgeschmack, „dass eine Falschmeldung solche Wellen schlagen kann“, sagte Güler der taz.

Das Unternehmen hatte am Dienstagabend bekannt gegeben, dass es auf seine für kommenden Samstag geplante Spendenaktion in der dm-Filiale in Troisdorf bei Bonn verzichtet. Ursprünglich sollte dort der Menschenrechtsaktivist Rupert Neudeck an der Kasse sitzen, Mitgründer von Cap Anamur und der „Grünhelme“. Die Einnahmen sollten einer kurdischen Gemeinschaft im Ort zufließen, die Deutschunterricht für Flüchtlinge organisiert. Der Vorsitzende des Vereins, Musa Ataman, wurde bereits vor Jahren für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Angespannte Stimmung

Doch nationalistische Deutschtürken nahmen Anstoß an der Aktion. Über soziale Netzwerke verbreiteten sie das Gerücht, der Verein stehe der verbotenen Terrororganisation PKK nahe, verbunden mit dem Aufruf, die Drogeriekette zu boykottieren. Das Unternehmen sah sich zu einer Stellungnahme gezwungen. „Wir nehmen eure Rückmeldungen zur Aktion in Troisdorf auf, möchten aber auch klarstellen, dass uns soziales Engagement sehr wichtig ist“, schrieb es am Sonntag. Doch am Dienstagabend gab dm klein bei.

„Um mögliche Ausschreitungen vor Ort zu vermeiden, mussten wir die Aktion absagen“, sagte ein dm-Sprecher. „Wir haben wenig Verständnis dafür, dass soziale Hilfsaktionen Anlass sein sollen zur politischen Interessenvertretung oder gar zu verbaler oder physischer Gewaltausübung“, erklärte der Chef des Karlsruher Unternehmens, Erich Harsch.

Zwischen Kurden und Türken ist die Stimmung angespannt – nicht erst, seit es am Samstag in der türkischen Hauptstadt Ankara zu einem Anschlag auf eine Demonstration kam, bei dem um die hundert Menschen starben. Am 1. November sollen in der Türkei Neuwahlen statt finden, die von Gewalt überschattet werden. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, warnte kürzlich, auch hierzulande könnte es zu Gewalt zwischen Kurden und Türken kommen. In der Tat gab es bereits Übergriffe auf HDP-Büros in Berlin und Köln.

Was die abgesagte Spendenaktion in Troisdorf betrifft, haben die örtlichen Grünen bereits eine Konsequenz gezogen. Sie fordern die Bürgerinnen und Bürger, die die dm-Aktion unterstützen wollten, dazu auf, direkt an die kurdische Gemeinde vor Ort zu spenden. „Deren Engagement, unter anderem für Geflüchtete in Troisdorf, begrüßen wir ausdrücklich“, heißt es in einer Erklärung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Warum ziehen dann die Grünen die Spendenaktion nicht durch?

  • Naja, wer nicht direkt betroffen ist, kann ja schön moralisierend mit dem erhobenen Zeigefinger das Einknicken vor den Drohungen und die angeblich mangelnde Zivilcourage beklagen.

     

    Wer jedoch das Leben in einer Kleinstadt kennt, wer schon mal erlebt hat, wie es ist, wenn die Ordungsmacht versagt und man auf dem Heimweg auf sich allein gestellt ist, wir Verständnis dafür haben.

     

    In Berlin oder Köln wird man nationalistischen Türken oder deutschen Nazis anlässlich einer Demo Auge in Auge gegenüber stehen, aber danach nie wieder sehen. In Troisdorf können einem diese Gesichter aber täglich begegnen, auch auf dem dunklen Heimweg…

  • Leute, haltet bitte die Welt an. Ich möchte aussteigen. Mir wird das alles zu blöd. Wir entwickeln uns scheinbar in riesigen Schritten zurück in die Barbarei. Mit persönlich ist völlig wumpe welcher Farbe irgendein Nationalist oder sonstiger Fanatiker ist. Probleme machen die alle und treten die positive Entwicklung (mit Unterbrechungen) seit der Aufklärung nicht nur mit Füßen sondern direkt in die Tonne.

     

    Möchte jemand wetten abschließen, wann "wir" zurück auf die Bäume klettern? Die Richtung stimmt ja schon mal.

     

    Nationalistische Deutschtürken. Ich habe auch Deutschtürkische Freunde, aber die sind ziemlich gesund im Kopf. Können die Nationalistischen Deutschtürken nicht einfach zurück in ihre Nation gehen, für die sie nationalistisch sind? Offenbar gefällt ihnen unser Rechtsstaat ja nicht.

    Schwieriger ist es zum Beispiel mit den Pegidarastern. Wohin könnte man die schicken ob ihrer Ablehnung des Rechtsstaates? DDR-Reservate? Drittes-Reich-Reservate? Gewalttätige vermeintliche Linke? Wohin mit ihnen? Oder all die Hasser irgendwo zusammen eingezäunt unterbringen, damit nicht-Hasser in Frieden leben und Konflikte konstruktiv lösen können. Dann können sie sich den ganzen lieben Tag lang gegenseitig hassen und die Köpfe einschlagen. Es trifft dann immer die richtigen.

  • Mutlu sagt, dm knickt ein. Giousouf sagt, es gab eine Gewaltandrohung. Güler sagt, es sei eine Falschmeldung. Ja, was denn nun?