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NSU-Prozess in MünchenAnwälte beantragen Einstellung

Die Verteidiger von Beate Zschäpe beklagen, dass wegen der unklaren Rolle der V-Leute und geschreddeter Akten ein faires Verfahren unmöglich sei.

Beate Zschäpe wird wohl trotz der Anträge ihrer Anwältin noch öfter ins OLG München kommen müssen. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Die Verteidigung der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe hat am Dienstagvormittag beantragt, den NSU-Prozess komplett einzustellen. Wegen der unklaren Rolle der V-Leute, vernichteter Akten und einer angeblichen Vorverurteilung der Angeklagten lägen „unheilbare Verfahrenshindernisse“ vor, begründete Zschäpes Anwältin Anja Sturm den Antrag.

Ausführlich zitierte Sturm Politiker und Vertreter der Strafverfolgungsbehörden, die in den vergangenen Monaten von einem „Terror-Trio“ oder einer aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bestehenden „Mörderbande" gesprochen hätten. Dabei müsse gerade dies erst noch vor Gericht bewiesen werden. Die Verteidigerin sprach von einer „gezielten und von den Strafverfolgungsbehörden gesteuerten Vorverurteilung“ sowie voreingenommenen Befragungen von Zeugen.

Als einen weiteren Grund, der ein faires Verfahren unmöglich mache, führte die Zschäpe-Verteidigung die Vielzahl von V-Leuten von Verfassungsschutz und Polizei auf, die im Umfeld des Neonazitrios eingesetzt worden seien. Elf in den Medien erwähnte Spitzel staatlicher Stellen nannte Anwältin Sturm. Über deren Agieren könne sich die Verteidigung kaum ein Bild machen, da die Vorgänge geheim gehalten würden.

„Bloße Mutmaßungen“

Zudem seien beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Berliner Verfassungsschutz möglicherweise prozessrelevante Akten von V-Leuten vernichtet worden. „Das Verfahren ist deshalb wie beantragt einzustellen“, sagte Zschäpe-Verteidigerin Sturm.

Alle bisherigen Anträge der Verteidiger auf Unterbrechung, Aussetzung oder Einstellung des NSU-Prozesses hat der Staatsschutzsenat des Münchner Oberlandesgerichts bisher jedoch abgelehnt.

Die Anwältin des Neonazis Ralf Wohlleben, der wegen Beihilfe zum Mord angeklagt ist, hatte in der letzten Prozesswoche vor Pfingsten ebenfalls mit Verweis auf einen angebliche Vorverurteilung und „geheimdienstliche Verwicklungen“ in das Treiben des NSU beantragt, das Verfahren einzustellen.

Diesen Antrag wischte der Vorsitzende Richter Götzl bereits an diesem Dienstag mit knappen Worten beiseite und sprach von „bloßen Mutmaßungen“. Es gebe „keine Anzeichen, dass die Durchführung eines fairen Verfahrens nicht möglich ist“, sagte Götzl. Über den Antrag der Zschäpe-Verteidiger wird später entschieden.

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9 Kommentare

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  • D
    dieter

    @Faktenstattfrischeluft Befreundet mit Beate? Persönlicher Kontakt? Würde hier niemanden wundern, der ihre "Kommentare" liest.

    Von Dönermorden zu sprechen, ist eine Verhöhnung der Opfer und ihrer Angehörigen.

    Welche doitschen Werte wollen sie hier eigentlich verteidigen? Höflichkeit gehört wohl eher nicht dazu.

     

    Damit ist meine heutige Trollfütterung beendet.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Und wieder ein Tag, an welchem kein einziger Beweis gegen Beate Z. erbracht werden kann. Dafùr eine massive mediale Vorverurteilung, ohne dass die Öffentlichkeit noch Interesse an den Dönermord-Prozessen hätte.

  • N
    noevil

    Wenn dieser Fall eintreten würde, dann wären unsere Gesetze mit einem Schlag entlarvt als Papiertiger, hohle Phrasen, die sich selbst nicht nur durch schwammige Formulierungen sondern auch durch unfähige Vertreter dieses Rechtsstaates in seiner perfektionierten Form des Gesetzesvollzuges ad absurdum geführt haben - durch eine perverse Form der "Banalität des Bösen".

     

    Damit könnten wir unsere ganzen schönen Gesetze und alle unsere Rechtsvertreter und -verdreher und alle unsere Schreibtischtäter mit all ihren mehr oder weniger kleinen amtlichen Macht-Spielräumen einpacken und Nachhause gehen.

     

    Fragt sich nur - wohin?

     

    Aber zurück zur Realität dieses Antrages auf Einstellung. Wenn Sie mich fragen - kommt ja überhaupt nicht in Frage!

  • S
    Steve

    Letztendlich entbehrt der Antrag nicht jeder Grundlage denn es ist wahr: Teile der rein theoretisch verfügbaren Akten und der darin enthaltenen Informationen, im speziellem Informationen über die Beteiligung von Nachrichtendiensten sowie polizeilichen Informanten und Akteuren, wurden vernichtet und sind damit für eine allumfassende Aufklärung nicht mehr zu betrachten. Deswegen wird in diesem Prozess auch am Ende nicht geklärt sein: Wie und an welchen Stellen nahm und nimmt der Staat und die Regierung Einfluss auf die (radikal) politischen Kräfte in Deutschland?

  • N
    noevil

    Da haben Gegner und Fürsprecher ja eines gemeinsam im Sinne von Einstellung sowohl des Verfahrens zum Verbot der NPD (durch das Bundesverfassungsgericht) als auch der Strafverfolgung der NSU (durch das laufende Münchner Gerichtsverfahren): Sie nähern sich den Vorwürfen nur von entgegengesetzten Seiten.

     

    Ziel: Beweis der Machtlosigkeit noch so ehrbarer Gesetze und deren Vertreter gegenüber Fremdenhass, Rassismus, Extremismus. Diese Einstellung siegen zu lassen -

     

    das wäre wahrhaft beängstigend und deprimierend!

  • V
    viccy

    @ Detlef

    Ja, es geht um den Vorwurf von Mord; aber ist angesichts der drohenden Strafen dann nicht erst recht ein sauberes Verfahren zu fordern?

     

    "zudem liegen erdrückende Beweise gegen die Angeklagten vor"

     

    Naja... schau einmal in den Artikel von Christian Rath "Wenig in der Hand". Sehr informativ, lesenswert und auch für Laien gut verständlich.

  • T
    treibsand

    Der Prozess sollte nicht abgebrochen werden, damit Rechtsstaat und Justiz ihren Zustand offenbaren müssen.

     

    In die Zeugenbank gehören neben Temme auch Bouffier, Schily und einige andere inkl. Vereidigung ihrer Aussagen. Sonst erfahren wir nie, was hier gelaufen ist.

  • D
    Detlev

    Es ist total naiv, mit dieser Argumentation das Verfahren beenden zu wollen. Es geht um Mord und Terrorismus - zudem liegen erdrückende Beweise gegen die Angeklagten vor. Kein normaler Richter auf dieser Welt würde deswegen das Verfahren einstellen. Alleine das Abfackeln der Wohnung des Trios und das Versenden des NSU-Videos sind schon so schwere Straftaten mit großer Tiefenwirkung, dass diese Anträge nur ein psychologisches Spielchen sind.

     

    Aber genau das könnte sich rächen. Dass die Anwälte immer wieder die Unschuld ihren Mandanten unterstellen, hat schon was Lachhaftes. Wenn Wohlleben jahrelang den Hard-Core-Nazi bei der NPD spielt und gleichzeitig massive Unterstützung für das Trio geleistet hat, dann kann er wohl aufgrund von der Existenz von V-Leuten hier nicht behaupten, er habe das grundsätzlich nicht getan, bzw. das sei nicht mehr aufklärbar. Er könnte ja sprechen. Zschäpe könnte voll und ganz kooperieren - dann wäre an der Sache vielleicht was drann, aber sie sagen ja nix.

     

    Und sie wollen auch nix sagen. Ich vermute mal, dass diese Anträge kontraproduktiv sind. Volle Kooperation und auch Teilgeständnisse wären m.M. das einzige Mittel, um zu milden Strafen zu gelangen. Das wäre auch für die Opferangehörigen sehr wichtig, denn bislang wissen viele von ihnen gar nicht, warum der Mann, Onkel, Vater, Bruder oder Schwager sterben musste. Und diese Frage kann die Psyche stark belasten, zumal das NSU-Video derart geschmack- und pietätslos ist, dass sich eher mehr Fragen ergeben, als weniger.

  • E
    eksom

    In eine Punkt haben die Anwälte des NSU-Rios leider wirklich Recht: Solange die Verwicklungen der Verfassungsschutzorgane, der Polizei, der Ministerien, einiger Politiker/Innen und vieler V-Leute nicht ganz offen auf den Tisch gelegt werden, gibt es kein faires Verfahren! Auch nicht im sinne der Ermordeten!

    Beweis: http://www.youtube.com/watch?v=Gx2ZdlBDwEk