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NSU-Prozess in MünchenNazi sorgt vor Gericht für Eklat

Ein mutmaßlicher NSU-Unterstützer bezeichnete den Prozess als „Affentheater“. Er soll zu den „Hammerskins“ gehören. Fragen dazu beantwortete er nicht.

Hinweisschild am Oberlandesgericht München. Bild: dpa

MÜNCHEN dpa | Ein mutmaßlicher Unterstützer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ hat am Donnerstag erneut Aussagen verweigert und mit propagandistischen Äußerungen einen Eklat provoziert. Den Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Terrorhelfer bezeichnete er als „Schande“ und „Affentheater“. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl bestellte ihn am Ende ein drittes Mal ein. Bis dahin will das Gericht prüfen, ob es eine Ordnungsstrafe gegen ihn verhängen kann.

Im Zuschauerraum verfolgte Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) die Verhandlung. Bereits bei seiner ersten Vernehmung hatte der Zeuge eingeräumt, eine rechtsextreme Kameradschaft in Altenburg (Thüringen) gegründet zu haben und gemeinsam mit dem Angeklagten Ralf Wohlleben und einem weiteren mutmaßlichen Unterstützer politisch aktiv gewesen zu sein. Seine Ex-Freundin hatte ausgesagt, er sei Mitglied der militanten, konspirativ organisierten „Hammerskins“.

Richter und Nebenklage-Vertreter versuchten ihm Einzelheiten zu entlocken. Fragen zu den „Hammerskins“ beantwortete er durchweg nicht. „Ich sehe den Konflikt zwischen dem Gericht und mir“, stellte er unter hörbarem Geraune im Saal fest, „das kann ich mit meinem Wertegefüge nicht vereinbaren.“ Ihm sei bewusst, dass sein Schweigen bestraft werde, „aber damit muss ich leben“.

Anschließend konfrontierte ein Nebenklage-Anwalt den Zeugen mit einem Beitrag, den er auf der Internetplattform Twitter veröffentlicht hatte und in dem er den Prozess als „Schande“ und „Affentheater“ bezeichnete. Das sei seine „persönliche Meinung“, bestätigte der Zeuge und nutzte seine Vernehmung für propagandistische Äußerungen, etwa über den von ihm und der „nationalen Bewegung“ befürchteten „Volkstod“.

Davor hatte sich das Gericht zum ersten Mal mit der Bankraubserie beschäftigt, mit der sich der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) zwischen 1998 und 2011 finanzierte. Ein Ermittler des Bundeskriminalamts sagte, die Täterschaft von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei Überfällen sei mit Sachbeweisen nachgezeichnet. So seien auf den Bildern von Überwachungskameras Kleidungsstücke und Waffen zu sehen, die später im Wohnmobil und in der Fluchtwohnung des Trios gefunden wurden.

Claudia Roth reagierte zeitweise emotional auf das Geschehen in der Verhandlung, vor allem bei der Vernehmung des Szenezeugen. Am Rande sagte sie, bei dem Gedanken an die Taten und einige der Beteiligten bekomme sie immer noch „eine Gänsehaut“. Es sei unerklärlich, wie die Verbrechensserie auch mit Geld des Verfassungsschutzes vorbereitet werden konnte. Gesetzgeber und Regierung müssten daraus Konsequenzen ziehen. Am Vormittag hatten die türkischen Generalkonsuln aus Berlin und München am Prozess teilgenommen.

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8 Kommentare

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  • Klar und unmißverständlich: Viele Linke - und offenbar auch die mit dem NSU-Komplex befaßten TAZ-Autoren - sind den vermeintlichen "Sicherheitsbehörden" unseres Staates auf den Leim gegangen. Es scheint eine Art entlastender Rausch zu sein: "Ja, es gibt auch eine braune RAF!" Das ist zwar verständlich, aber Bullshit. Die heute einem angeblichen "NSU" zur Last gelegten Morde haben offensichtlich einen anderen Hintergrund, den der Staat vertuschen will. Seit den akribischen Recherchen von Fatalist, der große Mengen geleakter Dokumente zugespielt bekam, bin ich davon überzeugt. Was hier läuft, ist Staatskriminalität. (Zur Verständigung: Rechte Gewalt habe ich selbst erlebt und will sie nicht verharmlosen. Aber darum geht es hier überhaupt nicht!)

    Lest den Blog "Sach- und Lachgeschichten" von Fatalist, der im Übrigen ein Rechter ist. Ich finde es ungeheuerlich, daß die Wahrheitsfindung am konsequentesten von dieser Seite betrieben wird und der linke Mainstream den Schlaf der (Selbst)Gerechten schläft.

  • Was wenn ihm jeder logisch denkende Mensch mit Augen und Ohren recht geben muss? Und das ist so. Ich mag das nicht. Wir ale wissen, dass der Staat seit Jahrzehnten nur mehr Nazis anstellt, man merkt es am Verhalten und der "Realitaetsperzeption" und der Art zu "arbeiten" oder zu "ermitteln".

  • "Ein Ermittler des Bundeskriminalamts sagte, die Täterschaft von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei Überfällen sei mit Sachbeweisen nachgezeichnet. So seien auf den Bildern von Überwachungskameras Kleidungsstücke und Waffen zu sehen, die später im Wohnmobil und in der Fluchtwohnung des Trios gefunden wurden." - Zum einen gibt es eine große Diskrepanz zwischen den z.T. fahrig und nervös ausgeführten Banküberfällen einerseits, den kaltblütigen "Hinrichtungen" der 10 Ermordeten andererseits. Vor allem aber ist festzuhalten, daß an keinem der Tatorte eindeutige Spuren von Böhnhardt und Mundlos zu finden waren (http://friedensblick.de/9121/nsu-tatorte-es-gibt-keine-dna-von-zschaepe-mundlos-boehnhardt/). - Die vom BKA-Mitarbeiter angeführten "Sachbeweise" könnten also sehr gut erst nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos "gepflanzt" worden sein (ein Feuerwehrmann, der damals in der Zwickauer Frühlingsstraße mit löschte, wunderte sich Tage später, wie viele unversehrte "Sachbeweise" aus dem Brandschutt geborgen worden waren). - Schwerer wiegt allerdings noch, daß inzwischen als erwiesen gelten muß, daß das BKA nicht in der Lage war, die ebenfalls im Schutt gefundene Ceska-Pistole den neun Mordtaten zu zu weisen (http://wer-nicht-fragt-bleibt-dumm.blogspot.de/2014/07/die-tatwaffenbestimmungen-des-bka-teil.html). - Eine Sensation. TAZ: Aufwachen bitte!

  • Claudia Roth ist eine der ganz wenigen, die angemessen auf die NSU-Schweinerei reagiert.

  • Wenn dieser Prozess nur dazu dienen sollte, den Neonazis eine Bühne zu bieten, dann muss man allerdings von einem Affentheater sprechen.

  • Zitat:

    Anschließend konfrontierte ein Nebenklage-Anwalt den Zeugen mit einem Beitrag, den er auf der Internetplattform Twitter veröffentlicht hatte und in dem er den Prozess als „Schande“ und „Affentheater“

     

    (wenn mir die taz erklärt was daran erwähnenswert ist!)

     

    Zitat:

    Claudia Roth reagierte zeitweise emotional auf das Geschehen in der Verhandlung

     

    (s.o.)

     

    Mich wundert ja dass die taz das von Fr. Roth jahrelang einstudierte Emotionsgesicht nicht abgedruckt haben, sie hat doch so dolle geübt.

     

    Nur wenn sie iranische Botschafter (Alireza Sheikh Attar) abklatscht, dann ist sie fröhlich!

  • Haben sie nicht vergessen zu schreiben "Claudia Roth ist empört"?

     

    Die Vorsitzende des Zentralrats der Empörten wird doch nicht nicht empört davon gewesen sein.

  • "Claudia Roth reagierte zeitweise emotional auf das Geschehen in der Verhandlung,..." muss man das extra dazuschreiben? Die Vorstellung allein schüttelt...