NSA-Affäre erreicht Norwegen: Telefondaten für USA gesammelt
Der norwegische Geheimdienst sammelte in Afghanistan Daten vom 33 Millionen Telefongesprächen und leitete sie an den US-Spionagedienst NSA weiter.
![](https://taz.de/picture/135226/14/erna_solberg_dpa_16102013.jpg)
OSLO afp | Norwegens Behörden haben einen Medienbericht zurückgewiesen, wonach verbündete US-Geheimdienste mehr als 33 Millionen Telefonate in dem skandinavischen Staat überwacht haben sollen. Militärgeheimdienst-Chef Kjell Grandhagen erklärte am Dienstag, die Gespräche seien vielmehr im Ausland von norwegischen Sicherheitsdiensten ausgespäht und die Erkenntnisse anschließend nach Washington weitergeleitet worden.
Die für die Enthüllungen verantwortliche norwegische Zeitung Dagbladet ruderte daraufhin zurück und relativierte ihre Vorwürfe.
Dagbladet hatte ursprünglich unter Berufung auf Dokumente des Informanten Edward Snowden berichtet, dass zwischen Anfang Dezember 2012 und Anfang Januar 2013 fast 33,2 Millionen Telefonverbindungen vom US-Geheimdienst NSA angezapft worden seien. Das entspräche nach Angaben der norwegischen Datenschutzbehörde zehn Prozent aller Telefonate, die innerhalb eines Monats in Norwegen geführt werden.
Vor diesem Zeitraum könnte es zudem weitere Ausspähaktionen gegeben haben. Dem Bericht zufolge speicherte die NSA zwar nicht den Inhalt der Gespräche, wohl aber Informationen wie die Gesprächsdauer, Telefonnummern und Aufenthaltsorte der Beteiligten.
Ähnliche Ausspähaktionen des US-Geheimdienstes NSA waren bereits in Deutschland, Frankreich, Spanien, Brasilien und Indien enthüllt geworden. Doch Grandhagen bezeichnete den Bericht auf einer Pressekonferenz als „nicht korrekt“, zumal ihm „keine Informationen vorliegen, die darauf hindeuten würden, dass die Amerikaner solche Aktionen in Norwegen und gegen Norwegen ausführen“. Vielmehr hätten die norwegischen Dienste selbst Kommunikationsdaten ausgespäht, um Militäreinsatze und den Kampf gegen „den internationalen Terrorismus“ zu unterstützen.
Auch Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg versicherte, dass sich die Zeitung geirrt habe: Die betroffenen Telefonate seien allesamt in Afghanistan überwacht worden, was „völlig legitim“ sei. Deshalb sollten sich „alle etwas beruhigen“ und „an die Fakten halten“, riet sie.
Dagbladet-Chefredakteur John Arne Markussen sagte dem Sender NRK, dass seine Zeitung „vielleicht etwas falsch verstanden“ habe, die Vorwürfe aber möglicherweise trotzdem zutreffen könnten.
Die US-Botschaft schweigt
Die beiden großen norwegischen Telefongesellschaften Telenor und Netcom beteuerten ihrerseits, sie hätten keine Verbindungsdaten weitergegeben. Eine Sprecherin der US-Botschaft in Oslo sagte, sie könne sich nicht zu einzelnen Geheimdienstaktivitäten äußern. Die USA sammelten aber „wie alle anderen Ländern auch“ Daten.
Die Vereinigten Staaten stehen wegen einer Reihe von Spähaktivitäten der NSA seit Monaten international in der Kritik. Der Geheimdienst ließ laut zahlreichen mit Snowdens Dokumenten untermauerten Berichten massenhaft E-Mails und Telefonate überwachen, unter anderem die Kommunikation von etwa 35 internationalen Spitzenpolitikern.
Auch das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll von der NSA angezapft worden sein. US-Außenminister John Kerry räumte Anfang November ein, dass Washington „in einigen Fällen zu weit“ gegangen sei.
Merkel empfängt Solberg am Mittwoch mit militärischen Ehren im Berliner Kanzleramt. Bei einem gemeinsamen Arbeitsessen werden sich die beiden Politikerinnen laut Merkels Büro unter anderem über die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und außenpolitische Fragen austauschen.
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