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NS-Geschichte des NabuDie braune Vogelschützerin

Lina Hähnle gründete den Nabu-Vorläufer und stand in der NS-Zeit dem Reichsbund für Vogelschutz vor. Stellt der Nabu sich seiner Geschichte?

Hähnle hatte bei der Gleichschaltung der Vogelschutzverbände 1933 eine führende Rolle. Foto: dpa

Sie war eine der zentralen Figuren im Vogelschutz und prägte das Profil der frühen Naturschutzbewegung. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts stand Lina Hähnle allein auf weiter Flur in einem reinen Männerumfeld. Kürzlich, auf einer Tagung des Naturschutzbunds Deutschland e. V., des Nabu, nannte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sie „eine außergewöhnliche Persönlichkeit und eine Person mit außergewöhnlichen Leistungen“.

Hähnles 75. Todestag war für den mitgliederstärksten deutschen Umweltverband Anlass, sich mit der Gründerin seiner Vorläuferorganisation Bund für Vogelschutz auseinanderzusetzen. „Wir wollten auf das soziale und demokratische Engagement von Hähnle und ihrer Familie aufmerksam machen“, sagte Ralf Schulte, der Leiter des Präsidentenbüros des Nabu. Als wollte der Verband ein anderes Bild von der Frau zeichnen, die im Nationalsozialismus dem Reichsbund für Vogelschutz vorstand – und somit eingebunden war in das braune System.

Schon der Titel der Tagung in Berlin Ende Februar deutete auf die Suche nach einer guten Vorgeschichte des Nabu hin: „Lina Hähnle und die demokratischen Traditionen im deutschen Naturschutz“. Aber kann Hähnle – 1851 in Sulz am Neckar geboren, 1941 in Giengen an der Brenz verstorben – als Vorbild dienen? „Ja, denn neue Fakten belegen das tiefe demokratische und soziale Engagement von Hähnle und ihre Familie“, sagt Schulte, der die Tagung mitkonzipierte.

Umwelthistorikerin Anna-Katharina Wöbse ist von dieser Aussage irritiert. Neue Quellen lägen zwar vor, sagt sie, seien aber noch nicht ausgewertet. „Erste Indizien bestätigen weder eine stärke Verstrickung Hähnles in den Nationalsozialismus noch eine weniger starke Verbindung“, sagt sie. Unter dem nüchternen Titel „Lina Hähnle“ sprach sie über das schwäbisch-liberale Milieu, aus dem die „Ikone dieser sozialen Bewegung“ kam, und ihr Wirken im Nationalsozialismus. Schon in dem Standardwerk „Naturschutz und Nationalsozialismus“ von Joachim Radkau und Frank Uekötter, 2003 herausgegeben, zeichnete sie die Verstrickungen Hähnles und ihres Vogelschutzbundes nach.

Die „deutsche Vogelmutter“

Demnach hatte die „selbstbewusste, autoritäre, zielorientierte und charismatische Frau“ bei der Gleichschaltung der Vogelschutzverbände 1933 eine führende Rolle. Aus ihrer Organisation ging der Reichsbund für Vogelschutz hervor, den sie bis 1938 als Vorsitzende führte und bis zu ihrem Tod 1941 als Ehrenvorsitzende begleitete. Seither nannte man sie „deutsche Vogelmutter“.

Den Bund für Vogelschutz, den BfV, hatte sie bewusst volksnah und unabhängig von Parteien geführt. 1933 begrüße sie aber bei einer Mitgliederversammlung am 18. November das NS-Regime: „Ein sieghaftes ‚Heil‘ auf unseren Volkskanzler, der die Deutschen aus der Verbundenheit mit der Natur heraus gesunden lassen will.“ 1934 erfolgt beim BfV eine Satzungsänderung, nach der nur „deutsche Staatsbürger und Menschen artverwandten Blutes“ Mitglieder werden durften. Juden waren ausgeschlossen.

Sie unterstützte den Nationalsozialismus und profitierte von ihm bewusst

Nils Franke, Historiker

Laut Wöbse war weder Hähnle noch ihr Sohn Hermann, der die Geschäftsführung innehatte, NSDAP-Mitglied. Aber das Fazit der Historikerin aus ihrer Beschäftigung mit Hähnle war auch auf der Nabu-Tagung klar – in der Person Hähnles werde das Dilemma der Naturschutzbewegung deutlich: Sie sei „als Identifikationsfigur höchst ambivalent“, sie war eine „starke Taktgeberin“ des frühen Naturschutzes und eine „exponierte Trägerin der Anpassung“ an das „autoritäre Regime“ des NS-Staates.

Auf der Website des Nabu wird Hähnles „karitatives Engagement“ herausgestellt und der „fortschrittliche Geist der Hähnles“ erwähnt – Linas Mann Hans hatte eine Filzfabrik gegründet und dort eine freiwillige Arbeiterkrankenversicherung eingeführt, Lina Hähnle richtete eine Krippe für Arbeiterkinder im ehemaligen Wohnhaus ein. Die Rolle Hähnles während der NS-Zeit wird im Porträt auf der Website nicht erwähnt, im Kapitel „Weimarer Republik und Drittes Reich“ stellt der Nabu seine Geschichte immerhin kritisch dar, ohne jedoch das Handeln der Vorsitzenden zu hinterfragen.

„Hähnle war autoritär“

Mangel an Transparenz bei der Einordnung von Fakten aus der Nazizeit kennzeichnet die Debatte im Umwelt- und Naturschutz, sagt Nils Franke – nicht das Verschweigen. Seit Jahren setzt sich der Historiker mit den Verstrickungen des Naturschutzes in den Nationalsozialismus auseinander und sichtete auch Quellen zu Hähnle. Erst im vergangenen Jahr belegte der Historiker, dass Naturschützer und so genannte Landschaftsanwälte nicht nur Hitlers Autobahn begrünten und das Verteidigungswerk Westwall mittels Flora und Fauna tarnten, sondern auch in Auschwitz die Begrünung des größten Vernichtungslagers gestalteten. Eine neue Erkenntnis, über 70 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus.

Lina Hähnles Rolle in der NS-Zeit bewertet Franke strenger als Wöbse: „Hähnle war sehr wohl sehr leistungsfähig, engagiert, progressiv. Aber ihr Ansatz war konservativ, autoritär, sie unterstützte den Nationalsozialismus und profitierte von ihm bewusst.“ Demokratische Traditionen im Naturschutz, so urteilt Franke, seien mit Lina Hähnle nicht erkennbar verbunden.

Die neuen Quellen bestätigen allerdings auch, dass einer von Hähnles Söhnen Opfer der NS-Euthanasie wurde. „Diese Ermordung können wir aber noch nicht abschließend einordnen“, sagt Wöbse, die zum 100. Gründungstag des Nabu die Ausstellung „100 Jahre für Mensch und Natur“ erstellte. Sie möchte nicht spekulieren.

Auf der Nabu-Tagung, glaubt Franke, sollte ein neuer Mythos geschaffen werden, der Hähnle in demokratischen Traditionen stehen sehen will. In ihrer Rede verwies auch Bundesumweltministerin Hendricks auf das „schwäbisch-liberale Milieu“, aus dem Hähnle stammte, betonte deren sozialpolitisches Engagement und sagte, dass die Vorsitzende keine „persönliche Sympathien für das NS-Regime“ gehegt, sich aber „der Illusion“ hingegeben habe, „für den Vogelschutz im NS-System Freiräume erhalten zu können“. Und die Ministerin bot eine weitere Traditionsidee an: „Der Nabu und der Bund für Vogelschutz waren […] Vorreiter beim Thema Frauen in Führungspositionen“.

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5 Kommentare

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  • Danke, dass die Taz diesen Vorgang aufgenommen hat. Jeder, der sich in der Geschichte des NABU etwas auskennt, weiß, dass der Verband bis Anfang der 1980er Jahre ein autoritär geführter Verein war, der seiner Verbandsjugend regelmäßig empfahl, schön den Nistkästenbau zu erlernen, aber sonst auf die Alten zu hören. Das war das Erbe von Lina Hähnle, bzw. ihrer Familie. Der Kontext war autoritär und nicht liberal oder sozial. Erst mit dem Engagement der Verbandsjugend, geleitet von Jochen Flasbarth, heute Staatssekretär im Bundesumweltministerium, der eine Öffnung und Modernisierung des Verbandes forderte und dafür fast ausgeschlossen wurde, änderte sich das. Diese Ereignisse sind von dem Historiker Nils Franke beschrieben worden und von jedermann jederzeit gut belegt im Netz nachlesbar.

    http://www.datenhafen.org/intranet/oeffentlich/NajuGeschichte.pdf

     

     

     

    Die partizipative, demokratische Tradition des NABU liegt wie die des BUND in der Umweltbewegung der 1970er und 1980er und bezieht sich nicht auf eine Steigbügelhalterin des Nationalsozialismus. Das ist Dichtung.

  • Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    als ich das Programm der Tagung "Lina Hähnle und die demokratischen Traditionen des Naturschutzes" erhielt, habe ich mich gewundert. Denn der Titel legt

    nahe, dass es demokratische soziale Traditionen im Naturschutz gäbe, die auf Lina Hähnle und ihr Engagement innerhalb des Bundes für Vogelschutz und späteren Reichsbundes für Vogelschutz zurückgehen.

    Exemplarisch sei hier kurz der Aufruf "An alle und jeden" genannt, der zu Beginn des Bundes für Vogelschutz für dessen Anliegen warb, aber keine deomkratischen sozialen Traditionen erkennen lässt. Er erweist sich vielmehr

    als Ausdruck patriarchalen Denkens, das zudem nationalistisch-romantisch daherkommt. Erstunterzeichner ist Konrad Guenther, damals Privatdozent der Universität Freiburg. Er führte die Niederlage im Ersten Weltkrieg geodeterministisch auf die fehlende Verbundenheit des deutschen Soldaten mit Heimaterde und heimatlicher Natur zurück.

     

    Auch in der Vergangenheit hat die Stiftung Naturschutzgeschichte, konkret Herr Frohn, versucht, demokratische soziale Wurzeln des Naturschutzes ans Licht zu bringen, mit dem Namen Hans Klose und seinem "Volksbund"

    verknüpft - ein befremdlicher Versuch, war Klose doch mindestens so patriarchal wie Hähnle und erwies sich zudem später als Nationalsozialist.

     

    Alles in allem: Wenn der Titel der Berliner Tagung mit einem Fragezeichen geendet hätte, wäre er unmissverständlicher gewesen. Bisher sind nur bei Naturfreunden soziale und demokratische Traditionen des Naturschutzes zu

    entdecken - und in der frühen Umweltschutzbewegung der 1970er Jahre. Der jetztige Staatssekretär des Bundesumweltministeriums, Jochen Flasbarth, könnte hierzu sicher mehr und Authentischeres aus seiner Zeit in der NAJU erzählen, als alles

    Spurensuchen der Tagung ergeben haben mag. Warum wurde das nicht aufgegriffen?

    Viele Grüße

     

    Hildegard Eissing

  • ...und Hitler war doch nur ein großer Hundeliebhaber...

    Ja, die Aufarbeitung der Nazivergangenheit ist wohl ein schwierig Ding....

  • 1933 war Frau Hähnle 82 Jahre alt.

    • @Huck :

      Das spielt keine Rolle. Hauptsache mal wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben.