■ NRW-Politiker begeistern sich für den rheinischen Kapitalismus: Scheinheilig
In den letzten Tagen fiel so mancher Blick trotzig zurück nach Bonn – dorthin, wo der Kapitalismus à la Rheinland in der Nachkriegszeit entstanden war. Denn: Feindliche Übernahmen nach Art des Manchesterkapitalismus passten nicht zur sozialen Marktwirtschaft. Dies jedenfalls glaubt öffentlich Jürgen Rüttgers, CDU-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen, ganz im Einklang mit Landesvater Wolfgang Clement von der SPD. Und sogar der Chefliberale Wolfgang Gerhardt mahnt, dass die „Übernahmeschlacht“ zwischen Mannesmann und Vodafone uns allen zu denken geben müsse. Ein Ruck der Empörung geht durch alle Parteien. Nein, so hat man sich „Globalisierung“ hier nicht vorgestellt.
Das fällt euch früh ein, möchte man den Herren Politikern zurufen. Wenn deutsche Konzerne ausländische Unternehmen übernehmen, wird das als unternehmerische Überlegenheit betrachtet. Als Mannesmann selbst vor ein paar Wochen den britischen Mobilfunkbetreiber Orange übernommen hat – wen haben da die Mitarbeiter jenseits des Ärmelkanals interessiert? Doch wenn das deutsche Prestigeunternehmen Mannesmann AG britisch werden soll, ist das anscheinend etwas anderes. Warum?
Zugegeben, die Übernahme ist in diesem Falle feindlich“, denn der Vorstand von Mannesmann ist dagegen. Doch was heißt hier „feindlich“? Ist es nicht auch „feindlich“ gegen die eigene Belegschaft, aus Profitgründen und wegen der Kurserwartungen an der Börse, „schwache“ Teile des Unternehmens auszugliedern – egal, ob das in den unrentablen Bereichen Arbeitsplätze kostet oder nicht? Genau das hat Mannesmann nämlich für nächstes Jahr geplant. Und: Hat Mannesmann jeden Angestellten von Orange gefragt, ob er will, dass die Zukunft seines Arbeitsplatzes von Düsseldorf aus gesteuert wird?
Private Unternehmen wie Vodafone und Mannesmann sind per definitionem gewinn- und nicht moralorientiert. Dass führende Politiker in Deutschland den Manchesterkapitalismus anprangern, ist scheinheilig! Werden doch sonst weder SPD noch CDU und schon gar nicht die FDP je müde, ihre Unternehmerfreundlichkeit, die Bedeutung ausländischer Investitionen und der globalen Wettbewerbsfähigkeit zu betonen – ganz, wie es opportun ist. Apropos opportun: Nächstes Jahr sind in Nordrhein-Westfalen Wahlen. Da macht es sich ganz gut, laut vom „rheinländischen“ Kapitalismus zu träumen, der ja so viel besser ist als der böse Onkel aus Manchester. Katharina Koufen
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