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NPD-Chancen in Sachsen-AnhaltDie Braunen ködern die Grauen

Heidrun Walde will für die NPD in den Landtag ziehen und dafür besonders ältere Wähler mit Sozialthemen ködern. Ansonsten bleibt es beim Kerngeschäft der Ausländerhetze.

Will mit sozial-biedermeierischem Anstrich punkten: die NPD in Sachsen-Anhalt. Bild: imago/Christian Thiel

MAGDEBURG taz | In Sachsen-Anhalt könnte die NPD am 20. März den Einzug in den Landtag schaffen. Seit Wochen steigt die Partei um den Spitzenkandidaten Matthias Heyder in der Gunst der Wähler. Eine Woche vor der Wahl liegt die Partei nach einer Umfrage von Infratest dimap bei fünf Prozent. Gelingt ihnen der Einzug ins Magdeburger Parlament, ist sie mit dabei: Heidrun Walde, Jahrgang 1948, positioniert auf Platz fünf der Landesliste.

Ein italienisches Restaurant in der Mitte der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt - zwischen einer großen Einkaufspassage und dem Hundertwasserhaus. Hier sitzt Walde in der Raucherecke. Im Wahlkampf soll die Bundes- und Landesschatzmeisterin der NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" (RNF) gezielt die Wähler über 50 Jahre ansprechen. "Mit ihr möchte die NPD jene Wähler erreichen, die mit den kulturellen Codes der Szene sonst nicht erreicht werden", sagt David Begrich, Rechtsextremismusexperte vom Verein Miteinander.

Die ihr zugeschriebene Rolle hat Walde gerne angenommen. Den Kopf mit der blonden Frisur leicht schräg haltend, sagt sie, die Themen Alter und Rente seien ihr ein "großes Anliegen". "Wir müssen die Menschen zurück in die Gemeinschaft holen, die unsere Ellenbogengesellschaft für Arbeit zu alt und für die Rente zu jung hält", betont sie. Wer erwartet, die gebürtige Magdeburgerin fände nicht die passende Worte, könnte das politische Programm nicht darlegen, der irrt.

In ihrem schwarzen Jackett und grünen Rollkragenpullover strahlt sie nichts Altbackenes aus. Wenn sie redet, weiß man, warum die Rentnerin aus Schneidlingen für die NPD im Kreistag des Salzlandkreises ist. Viel spricht sie von sozialer Verantwortung der Politik, finanzieller Förderung der Familien. "Ich möchte mich für die verstärkte Wiedereinführung von echten ABM-Stellen einsetzen, damit die betroffenen Langzeitarbeitslosen wieder in versicherungspflichtige Jobs kommen, statt in der Hartz-IV-Falle zu landen", betont sie. Sätze, ganz getreu der Parteilinie und der Wahlkampfstrategie.

Im Wahlkampf versucht die NPD um den Wahlkampfleiter, den sächsischen NPD-Fraktionschef Holger Apfel, sich als jene Partei zu gerieren, die sich "kümmern" würde, die für "die Leute mit ihren Sorgen und Ängsten" da wäre. Mit diesem Kurs schaffte die NPD es in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern bereits in die dortigen Landtage.

"In der heißen Wahlkampfphase hat die NPD jetzt aber auf einen äußerst aggressiven Wahlkampf gegen die 'Zuwanderung' von Arbeitskräften umgeschaltet", sagt Begrich. Das Flugblatt "Invasion stoppen" illustriert mit dicken schwarzen Pfeilen wie in Sachsen-Anhalt Polen, Tschechen, Ungarn, Tunesier, Libyer und Ägypter einfallen. Grafik und Stil des Flugblattes gegen die "Überflutung des Arbeitsmarktes mit osteuropäischen Billiglöhnern" mag abschrecken. Das Thema bewegt aber Wähler.

In dem ländlichen Bundesland sind längst aus verschiedenen NPD-Landesverbänden Wahlkampftrupps unterwegs, hängen Plakate auf und verteilen Flugblätter. Im Internet veröffentlichten sie ein Flash-Game, im den Heyder als Comicfigur Vertreter anderer Parteien aus dem Landtag fegt.

Die internen Mails der NPD, die der taz zugespielt wurden, offenbarten aber Startschwierigkeiten des Wahlkampfes: Zusagen für Wahlhelfer wurden nicht eingehalten, um Bürgschaften wurde gestritten, und lange suchte die NPD vergeblich nach Kindern von Parteimitgliedern, die sich für die Wahlwerbung einspannen ließen. Der Partei ist aber sehr wohl bewusst, wie dringend sie nun einen Wahlerfolg braucht - alleine um mit den angeblichen Wahlkampfkosten in Höhe von 260.000 Euro die Parteifinanzen nicht nachhaltig zu gefährden.

In den kommenden Tagen möchten die Wahlhelfer mit der jetzt erschienenen Schulhof-CD "Gegen den Strom" auf der Straße insbesondere Jugendliche ködern. Keine neue Methode, keine neue Zielgruppe der NPD. Doch nach einer Emnid-Umfrage erreicht die Partei gerade bei den 18-bis 24-Jährigen 21 Prozent. Werte, die die NPD auch bei den weitaus älteren Jahrgängen gerne erzielen würde. Doch deren Zuspruch war bisher gering. So stimmten bei der Landtagswahl in Sachsen von den über 60 Jahre alten Männern und Frauen 4,9 bzw. 1,7 Prozent für die Partei.

Im Restaurant gibt sich Walde dennoch kämpferisch. Ihr Mann, auch für die NPD aktiv, und der Parteilandespressesprecher grätschen öfters ins Gespräch rein. Gelassen an der Zigarette ziehend, lässt sie die Herren reden, um dann selbstsicher erneut zu wiederholen, dass für viele "Leute das böse Erwachen am Tag des Renteneintritts" komme, "wenn das Altersgeld hinten und vorne nicht reicht". Dass die von ihr getreu der Parteiprogrammatik geforderte Förderung der Familie und Mütter "nur Deutsche erhalten sollen", streite sie nicht ab: "Ja, das dürfen sie mir vorhalten".

Diese Frau, die mit ihrem Mann schon bei den Republikanern war, weiß, wann wie geredet werden muss. Den Vorwurf, in den NPD-Reihen tummelten sich die Holocaustleugner, wehrt sie schnell rhetorisch ab: "Zu der Zeit habe ich nicht gelebt, das ist eine Frage für Historiker". Punkt aus. Mehr wird hierzu nicht gesagt. Umso deutlicher versichert sie, im Alltag ihre Werte zu leben. "Davon dürfen sie ausgehen. Einen Döner habe ich noch nie gegessen, und dass werden ich auch nicht", sagt sie und bestellt erneut ein Kännchen Kaffe und keine Tasse Cappuccino.

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14 Kommentare

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  • R
    rassismuskenner

    Der grenzenlose Blödsinn ( Vierteljude etc. ) und Kriminalität des Rassismus wird in der öffentlichen Debatte nicht erkannt:

    Erst die Evolutionstheorie Darwins mit den Ergebnissen der Auslese, Recht des Stärkeren, Kampf uns Dasein etc. und der Übertrag vom Tierreich auf den Menschen (!) schuf die Basis, dass sich dieser grenzenlos schwachsinnige Rassismus, also nach rassischer Abstammung durch Blutlehre, verbreiten konnte. Zuvor haben sich zwar auch mal die Leute die Köpfe wegen Religion, Obrigkeit oder Expansionsmus eingeschlagen und sich die Nationalvölker aus der frz. Revolution heraus entwickelt, - und es gab nicht so viel Wandernde wie heute- aber viele Fremde wurden problemlos integriert, solange sie die Bedingungen der Ansässigen bzw. Obrigkeit erfüllten !!

    Hieran krankt es bei uns: Eine aktive Überwindung des im übrigen nahezu weltweit zu Beginn des 20. Jhdt. gelehrten und befürworteten Rassismus und Neujustierung bei allen Bürgern ist kaum möglich, solange selbst Hassprediger hier Bleiberecht erhalten und Kindergeld mit allen Sozialleistungen für 8 Kinder, während die verödende Region Sachsen- Anhalt sich zum Armenhaus entwickelt, in der doch nicht einmal mehr ein waschechter Deutscher hinziehen will.

    Statt einer rassischen Zugehörigkeit plädiere ich für eine Bekenntnis- Zugehörigkeit zu Freiheit und Demokratie...

    Diese Gedanken sind meine und urheberrechtlich geschützt. Danke.

  • S
    Sven

    Na, wie gut, dass Kaffee aus Deutschland kommt.

  • JG
    Jürgen Gojny

    Das Thema Zuwanderung wird in der deutschen veröffentlichten Meinung nur zu oft mit mahnend erhobenem Zeigefinger behandelt und mit einer Attitüde, die wohl am treffendsten durch den Spruch "Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb" charakterisiert werden kann. Diese Herangehensweise an das Thema Zuwanderung ist so unhistorisch wie albern. Die deutsche politische Klasse läßt sich ihre Haltung zu Migrationsfragen weitgehend von Stimmen aus der veröffentlichten Meinung diktieren. Damit läuft die politische Klasse Gefahr, sich sowohl vom Kern des Problems als auch von der Mehrheitsgesellschaft zu entfernen. In anderen europäischen Ländern ist die Situation auch nicht viel besser. Der wachsende Zulauf rechtsextremer, populistischer und islamkritischer Bewegungen in zahlreichen europäischen Ländern, aber auch die Schweizer Volksabstimmung zu den Minaretten, sind Folgen der überwiegend ahistorischen, naiven und opportunistischen staatlichen Migrationspolitik in Europa.

  • BV
    Bernd Volke

    Warum soll die Oma nicht für die NPD Wahlkampf machen. Die NPD ist die einzigste Partei die mit Verfassungsschützern gesättigt ist, dass es dort garantiert nicht zu verfassungsfeindlichen Handeln kommen wird.

    Wenn ich mir dagegen die Linke mit ihrer Kommunismussehnsucht anschaue, oder die Meinungs- und Redeverbote die die Grünen so aussprechen (Bsp. Sarrazin), bin ich mir bei denen ob der Sicherheit unserer Verfassungswerte nicht mehr sicher.

  • L
    Logisch

    Wenn man erst Multikulti macht und dann Sonderrechte für mittelalterliche Gruppen einführt, bekommt man im Ergebnis braun.

     

    Multikulti funktioniert nur unter absoluter Gleichheit.

    Absolute Gleichheit gibt es nur mit Gruppen die die selben Werte vertreten.

     

    Alles andere ist Illusion und führt in den Faschismus.

     

    Das das nicht erkannt wird finde ich schon läppisch.

  • A
    alcibiades

    die dame kann gern ihren filterkaffee trinken, wenn sie das unbedingt möchte. was ist daran so revolutionär? die paar sozialpolitischen themen findet man irgendwo anders auch. die einzige chance der nazis ist der umstand, dass die sachsen-anhaltiner sowieso mit jedem ihre liebe not haben, der nicht aus ihrem jeweiligen dorf stammt. das könnte also ziehen.

  • AZ
    Alexander Zeiler

    Leider ist es nötig bei diesem speziell "deutschen Thema" bei der Kommentierung der Nationalen in Foren oder Blogs immer mit dem einletenden Satz "Bitte nicht falsch verstehen, ich bin keiner"!!! zu beginnen:

    wir leben in einer Demokratie? weiß nicht recht, aber hat den Schein.

    Aber die Nationalisten immer wieder mit dem Holocaust zu konfontrieren ist meiner Meinung nach nur in Deutschland möglich und auch falsch - aber verständlich bei unserem historischen Erbe.

    In vielen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten sind leider Nationalisten und Rattenfänger vertreten - teilweise erschreckend hoch. Und trotzdem muss das eine Demokratie, wenn es denn eine ist, aushalten und durch Alternativen parrieren anstatt mit der NS-Diktaturkeule zu kommen. Die Linken, zu denen ich mich auch zähle - nicht zu der Partei - beanspruchen schließlich auch zurecht, wenn dem politischen Gegner die Argumente ausgehen nicht mit der SED-Vergangenheits Kommunistenkeule diskreditiert zu werden, zumal wenn man mitte 30 ist und in der BRD aufgewachsen ist.

    Und mir ist auch nicht klar wer das größere Übel ist:

    Die NPD als Partei, oder ihre Wähler. Übel wird mir bei Beiden.

    a.z

  • AP
    Alfons Pfender

    Zwar lehne ich die NPD wegen dem Geschichtsrevisionismusunsinn und dem Holocaustleugnungsunsinn sowie wegen dem Antisemitismusunsinn grundsätzlich ab. Als Verwaltungsjurist kann ich auch die Diskriminierung von Leuten aus ethnischen oder religiösen Gründen nicht für gut heisen. Jedoch muß man gewisse Aspekte der Programmatik dieser Spitzenkandidatin schon differenziert betrachten. Es kann nicht sein daß man in einem Land wie Deutschland indem einerseits die über 50 Jährigen von den Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr erwünscht sind und andererseits diese über 50 Jährigen anderst als in anderen Ländern noch nicht Rente beziehen können ein Zuzug von jungen Arbeitskräften aus Ausereuropäischen Ländern gefördert wird damit die Unternehmen kein Erfordernis sehen diese älteren deutschen Arbeitskräfte einzustellen. Ich bin der festen Überzeugung daß die deutsche Politik wieder mehr für die EIGENEN (Deutsche)tun muß und diesem Unsinn "Deutschlands Verantwortung in der Welt" etc. etwas entgegengehalten werden muß. Insofern ist es nützlich wenn mit einem Einzug der NPD in den Landtag der etablierten Politik klargemacht wird da sind deutsche Wählerschichten denen ihr keinen Nutzen bringt. Bringt erstmal wieder den EIGENEN (über 50 jährigen Deutschen) einen Nutzen sonst ist auf lange Sicht der Machterhalt gefährdet.

  • I
    Ingo

    Die NPD ist undeutsch.

  • F
    FAXENDICKE

    Diese Entwicklung haben wir doch der SPD und den Grünen zu verdanken mit ihrer neoliberalen Agenda 2010 Politik. Bis heute sind die nicht wirklich davon abgerückt.

    Die Rentner und Erwerbslosen werden eine immer größere Kraft im Lande, nicht umsonst hat die machtgeile Merkel für April Gespräche in Sachen Mindestrente angekündigt, natürlich wird auch das wieder mal nur ein Betrug für die Betroffenen, aber es bringt erst einmal Stimmen.

    Bei etwas über 40% Wahlbeteiligung ist also die absolute Mehrheit in SA gegen die, die sich zur Wahl stellen, warum denn wohl, sollten sich die Parteihanseln mal fragen.

  • A
    atypixx

    "Zu der Zeit habe ich nicht gelebt, das ist eine Frage für Historiker"

     

    Was für eine erbärmliche Argumentation als Angehörige einer Partei, die Jahr für Jahr mit Hess-Kult auf sich aufmerksam machen will.

  • N
    Nico

    "Einen Döner habe ich noch nie gegessen, und dass werden ich auch nicht". Es sollte sicher "das" heißen.

    ;)

  • L
    Leidkultur

    Die Frau hat doch völlig recht. Menschen, die 40 Jahre oder länger in sogenannten einafchen Jobs gearbeitet haben oder gar Zeiten von Arbeitslsoigkeit in ihrer Erwerbsbiographie haben, bekommen weniger an Altersgeld, als ein frisch "zugewanderter" Ausländer, der Hartz IV bekommt, ohne je in die deutschen Sozialkassen eingezahlt zu haben,. Sie hat auch recht in Bezug auf die "Fremdarbeiter" (Lafontaine). Warum sollen es deutsche Arbeiter und Angestellte gut finden, wenn diese ab Mai ihnen den Job, somit die Lebensgrundlage streitig machen? Was isr daran rassistisch? Sollen doch die tazler ihren Job den Polen, Bulgaren, Nordafriaknern etc. zur Verfügung stellen, wenn sie drauf verzichten können. Ich muss meine Gören durchbringen und kann nicht drauf verzichten, so einfach ist das. Und wenn ihr das rassistsich nennt.... Sei`s drum.

  • H
    Hatem

    Bockwurst essen macht dumm.