NPD-Chancen in Sachsen-Anhalt: Die Braunen ködern die Grauen
Heidrun Walde will für die NPD in den Landtag ziehen und dafür besonders ältere Wähler mit Sozialthemen ködern. Ansonsten bleibt es beim Kerngeschäft der Ausländerhetze.
MAGDEBURG taz | In Sachsen-Anhalt könnte die NPD am 20. März den Einzug in den Landtag schaffen. Seit Wochen steigt die Partei um den Spitzenkandidaten Matthias Heyder in der Gunst der Wähler. Eine Woche vor der Wahl liegt die Partei nach einer Umfrage von Infratest dimap bei fünf Prozent. Gelingt ihnen der Einzug ins Magdeburger Parlament, ist sie mit dabei: Heidrun Walde, Jahrgang 1948, positioniert auf Platz fünf der Landesliste.
Ein italienisches Restaurant in der Mitte der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt - zwischen einer großen Einkaufspassage und dem Hundertwasserhaus. Hier sitzt Walde in der Raucherecke. Im Wahlkampf soll die Bundes- und Landesschatzmeisterin der NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" (RNF) gezielt die Wähler über 50 Jahre ansprechen. "Mit ihr möchte die NPD jene Wähler erreichen, die mit den kulturellen Codes der Szene sonst nicht erreicht werden", sagt David Begrich, Rechtsextremismusexperte vom Verein Miteinander.
Die ihr zugeschriebene Rolle hat Walde gerne angenommen. Den Kopf mit der blonden Frisur leicht schräg haltend, sagt sie, die Themen Alter und Rente seien ihr ein "großes Anliegen". "Wir müssen die Menschen zurück in die Gemeinschaft holen, die unsere Ellenbogengesellschaft für Arbeit zu alt und für die Rente zu jung hält", betont sie. Wer erwartet, die gebürtige Magdeburgerin fände nicht die passende Worte, könnte das politische Programm nicht darlegen, der irrt.
In ihrem schwarzen Jackett und grünen Rollkragenpullover strahlt sie nichts Altbackenes aus. Wenn sie redet, weiß man, warum die Rentnerin aus Schneidlingen für die NPD im Kreistag des Salzlandkreises ist. Viel spricht sie von sozialer Verantwortung der Politik, finanzieller Förderung der Familien. "Ich möchte mich für die verstärkte Wiedereinführung von echten ABM-Stellen einsetzen, damit die betroffenen Langzeitarbeitslosen wieder in versicherungspflichtige Jobs kommen, statt in der Hartz-IV-Falle zu landen", betont sie. Sätze, ganz getreu der Parteilinie und der Wahlkampfstrategie.
Im Wahlkampf versucht die NPD um den Wahlkampfleiter, den sächsischen NPD-Fraktionschef Holger Apfel, sich als jene Partei zu gerieren, die sich "kümmern" würde, die für "die Leute mit ihren Sorgen und Ängsten" da wäre. Mit diesem Kurs schaffte die NPD es in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern bereits in die dortigen Landtage.
"In der heißen Wahlkampfphase hat die NPD jetzt aber auf einen äußerst aggressiven Wahlkampf gegen die 'Zuwanderung' von Arbeitskräften umgeschaltet", sagt Begrich. Das Flugblatt "Invasion stoppen" illustriert mit dicken schwarzen Pfeilen wie in Sachsen-Anhalt Polen, Tschechen, Ungarn, Tunesier, Libyer und Ägypter einfallen. Grafik und Stil des Flugblattes gegen die "Überflutung des Arbeitsmarktes mit osteuropäischen Billiglöhnern" mag abschrecken. Das Thema bewegt aber Wähler.
In dem ländlichen Bundesland sind längst aus verschiedenen NPD-Landesverbänden Wahlkampftrupps unterwegs, hängen Plakate auf und verteilen Flugblätter. Im Internet veröffentlichten sie ein Flash-Game, im den Heyder als Comicfigur Vertreter anderer Parteien aus dem Landtag fegt.
Die internen Mails der NPD, die der taz zugespielt wurden, offenbarten aber Startschwierigkeiten des Wahlkampfes: Zusagen für Wahlhelfer wurden nicht eingehalten, um Bürgschaften wurde gestritten, und lange suchte die NPD vergeblich nach Kindern von Parteimitgliedern, die sich für die Wahlwerbung einspannen ließen. Der Partei ist aber sehr wohl bewusst, wie dringend sie nun einen Wahlerfolg braucht - alleine um mit den angeblichen Wahlkampfkosten in Höhe von 260.000 Euro die Parteifinanzen nicht nachhaltig zu gefährden.
In den kommenden Tagen möchten die Wahlhelfer mit der jetzt erschienenen Schulhof-CD "Gegen den Strom" auf der Straße insbesondere Jugendliche ködern. Keine neue Methode, keine neue Zielgruppe der NPD. Doch nach einer Emnid-Umfrage erreicht die Partei gerade bei den 18-bis 24-Jährigen 21 Prozent. Werte, die die NPD auch bei den weitaus älteren Jahrgängen gerne erzielen würde. Doch deren Zuspruch war bisher gering. So stimmten bei der Landtagswahl in Sachsen von den über 60 Jahre alten Männern und Frauen 4,9 bzw. 1,7 Prozent für die Partei.
Im Restaurant gibt sich Walde dennoch kämpferisch. Ihr Mann, auch für die NPD aktiv, und der Parteilandespressesprecher grätschen öfters ins Gespräch rein. Gelassen an der Zigarette ziehend, lässt sie die Herren reden, um dann selbstsicher erneut zu wiederholen, dass für viele "Leute das böse Erwachen am Tag des Renteneintritts" komme, "wenn das Altersgeld hinten und vorne nicht reicht". Dass die von ihr getreu der Parteiprogrammatik geforderte Förderung der Familie und Mütter "nur Deutsche erhalten sollen", streite sie nicht ab: "Ja, das dürfen sie mir vorhalten".
Diese Frau, die mit ihrem Mann schon bei den Republikanern war, weiß, wann wie geredet werden muss. Den Vorwurf, in den NPD-Reihen tummelten sich die Holocaustleugner, wehrt sie schnell rhetorisch ab: "Zu der Zeit habe ich nicht gelebt, das ist eine Frage für Historiker". Punkt aus. Mehr wird hierzu nicht gesagt. Umso deutlicher versichert sie, im Alltag ihre Werte zu leben. "Davon dürfen sie ausgehen. Einen Döner habe ich noch nie gegessen, und dass werden ich auch nicht", sagt sie und bestellt erneut ein Kännchen Kaffe und keine Tasse Cappuccino.
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