NPD-Aus in Sachsen: Das Keifen der Verlierer
Die NPD scheitert denkbar knapp – und will die Wahl neu auszählen lassen. Die Anführer der rechtsextremen Partei geben sich derweil wortkarg.
BERLIN taz | Bis in die Nacht saßen sie am Sonntag im Landtag zusammen. Holger Szymanski, NPD-Spitzenkandidat, hatte sein Handy abgestellt. 5,0 Prozent zeigten die Prognosen für seine Partei, über Stunden. Es blieb nur Bangen.
Vergebens. 809 Stimmen fehlten der NPD nach vorläufigem Ergebnis zum Wiedereinzug in den Sächsischen Landtag. 4,9 Prozent – damit fliegt die NPD nach zehn Jahren aus dem Parlament. Ausgerechnet in Sachsen.
Lange Jahre galt das Land als Hochburg der NPD, flächendeckend haben sich die Rechtsextremen hier ausgebreitet. Am Montag schien die Partei noch unter Schock, auch Szymanski blieb über Stunden abgetaucht.
Erst am Mittag meldete er sich zu Wort. Man werde eine Neuauszählung anstreben, um das „wirkliche Wahlergebnis zu erfahren“, sagte er. Seien seiner Partei doch mehrere „Unregelmäßigkeiten“ gemeldet worden.
Auszählungen werden geprüft
Doch laut einem Sprecher der Landeswahlleitung hat es eine komplette Neuauszählung in Sachsen noch nie gegeben, ebenso wenig eine erfolgreiche Wahlprüfungsbeschwerde. Noch aber werden die Auszählungen geprüft. Das Endergebnis wird am 12. September verkündet.
Es waren die Städte, welche der NPD den Wiedereinzug kosteten. In Leipzig, Dresden, Chemnitz oder Zwickau blieb die Partei unter der 5-Prozent-Hürde. Im Ländlichen konnte sie dagegen auf ihre Stammwähler bauen. In der Sächsischen Schweiz holte sie 9,9 Prozent, im dortigen Reinhardtsdorf-Schöna gar 16,1 Prozent. In der Region hält die Partei eine Schlüsselfigur: Der Allgemeinarzt Johannes Müller macht dort für die NPD Politik. Auch im Erzgebirge war die NPD stark. In Schneeberg holte sie 10 Prozent – dort hatte die Partei gegen ein Asylbewerberheim mobil gemacht.
Dennoch reichte es nicht. 10.000 NPD-Anhänger gingen laut Umfragen diesmal nicht zur Wahl, 13.000 entschieden sich für die AfD. Der Frust entlud sich vor allem gegen die Neupartei. Ein „Wurmfortsatz der Altparteien“ sei die AfD, keifte die NPD in einer Stellungnahme. Bleibe es beim Ausscheiden, werde sich dies für Sachsen „bitter rächen“. Ohne die NPD werde das Land „endgültig zur Einwanderungszone für jedermann“.
Plattform Landtag fehlt
Bis Monatsende muss die NPD nun ihre Räume im Landtag übergeben und ihren 30 Mitarbeiter kündigen. Künftig fallen 1,4 Millionen Euro an Fraktionsgeldern weg. Auch fehlt nun die Plattform Landtag, die die NPD sogar in den sächsischen NSU-Ausschuss brachte.
Das Ausscheiden trifft auch die Bundespartei hart. Bundeschef Udo Pastörs verstummte am Montag gleich völlig. Als einzige Fraktion bleibt der NPD nun nur noch Mecklenburg-Vorpommern. Und auch für die Wahlen in Thüringen und Brandenburg sieht es nicht rosig aus.
CDU-Bundesvize Thomas Strobl regte bereits an, die NPD nun lieber „politisch zu bekämpfen und nicht vor dem Verfassungsgericht“. Das dort ausstehende Verbotsverfahren wird laut einem Gerichtssprecher aber unabhängig von Wahlausgängen begonnen.
In Sachsen wird die NPD dennoch nicht verschwinden. Die Partei ist in allen Kreistagen vertreten, hält dort und in den Gemeindeparlamenten 97 Mandate. Dort, kündigte die NPD trotzig an, werde man weiter „Stachel im Fleisch“ sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren