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NPD-Aufmarsch in SchwerinTreibjagd auf Sexualstraftäter

Die NPD hatte am Samstag zu einem Marsch gegen sexuelle Straftäter aufgerufen – und forderte deren Tod. Gegenproteste gab es kaum.

Demonstrierten am Samstag in Schwerin für eine "Todesstrafe für Kinderschänder": Neonazis. Bild: reuters

SCHWERIN taz | Trommelschläge hallen durch die Straßen. Parolen wie "Todesstrafe für Kinderschänder" und "Ein Baum, ein Strick" dröhnen an die Häuserfassaden. Am Samstag marschierten in Schwerin über 300 Rechtsextreme auf. Die NPD hatte zu dem Marsch gegen sexuelle Straftäter aufgerufen. Großer Gegenprotest war in der mecklenburg-vorpommerischen Landeshautstadt kaum auf der Straße.

"Ich finde es beschämend, dass wir heute so wenige sind", sagte Ute Evis, Verdi-Bezirksvorsitzende und Mitorganisatorin des Protestes. Zur Kundgebung des "Schwerin Bündnis für Demokratie & Menschenrechte" waren am Vormittag auf dem Platz der Freiheit an die 100 Teilnehmer gekommen, unter ihnen Schwerins Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (Die Linke). "Ich freue mich, dass ihr da seid", hob Evis hervor, betonte aber: "So überlassen wir den Neonazis die Straße". Später steht fest, dass den Tag über bei einem Gottesdienst und auf der Straße doch noch rund 300 Menschen gegen die NPD "Gesicht zeigten".

Einen Grund für die verhaltene Beteiligung könnte der Streit um die behördlichen Auflagen gewesen sein. Heiko Lietz, Sprecher des Bündnisses, sagte, dass sie nicht wie festgeschrieben 1.000 Meter hinter den Neonazis hinterherlaufen wollten. Günther Hoffmann, Rechtsextremismusexperte aus dem Bundesland, führte vorsichtig einen anderen Grund an: "Das schwierige Thema".

Eine Stunde später grölten die Rechtsextremen ihre einfachen Lösungen. Der Tenor der Musik- und Redebeiträge: "Auf zur Täterjagd". Die Forderung auf dem Führungstransparent – das drei Frauen hielten – für eine "Volksabstimmung" für die "Todesstrafe für Kinderschänder", war da fast moderat.

Über den Lautsprecherwagen schallte während der Route ein Song von dem Rechtsrockprojekt "Faktor Widerstand": "Wir hassen Kinderschänder, egal wo du steckst, (...) sie kriegen dich". Auf einer Zwischenkundgebung vor einem Einkaufszentrum erklärte der NPD-Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs, dass "sexuelle Mehrfachtäter" ihr Recht auf Leben verwirkt hätten. Ihr Ziel sei erst erreicht, wenn diesen "kranken Mördern der Kopf abgerissen werden darf". Das "kranke Gesindel der politischen Klasse" würde durch Nichtstun das "Gesunde" gefährden, schimpfte er, nicht ohne auf ihre Anträge gegen "Kinderschänder" im Landtag hinzuweisen.

Auf der Straße hörten einige Passanten wohlwollend zu, nahmen Flugblätter. Andere Anwohner schüttelten aber nur den Kopf. "Die gehören eingesperrt", meinte ein 87-jähriger Herr. Ein 42-jährige Frau sagte: "Welcher Eltern habe da keine Angst – aber töten: Nein!".

Seit Wochen macht die NPD im Land gegen entlassene Sexualstrafftäter mobil. "Die NPD will die Ängste nutzen, um sich als sympathische politische Alternative zu präsentieren", sagte Anne-Rose Wergin, Leiterin des Projekts "Lola für Lulu" der Amadeu Antonio Stiftung. Das Projekt hat deswegen die Broschüre "Was Sie über sexuellen Missbrauch wissen sollten" herausgebracht. Dort werden auch Hinweise gegeben, woran sexueller Missbrauch zu erkennen und wo Hilfe zu bekommen ist. Das Thema soll der NPD nicht alleine überlassen werden.

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17 Kommentare

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  • B
    Bubi

    @PETER

     

    ...sind Euch so einen langen Artikel wert?

     

    Und DU hast den Längsten geschreiben...Du Systemling !

  • S
    Start

    unglaublich, was man hier lesen muss und noch unglaublicher, dass es wirklich nur ein kleiner Haufen von Gegendemonstranten waren und ( ich war da) am Strassenrand tatsächlich Menschen nickend standen und den Nazis zugejubelt haben, oder sich sogar eingereiht haben!

     

    Das die Todesstrafe in Deutschland gar keine Lösung ist, ist uns doch allen hoffentlich bewusst, wenn nicht, dann armes Deutschland! Was es ja jetzt zum Teil schon ist!

  • W
    Wilk

    "von Franz:

     

    Sich gegen Kinderschänder einzusetzten halte ich um ehrlich zu sein für ehrbar.

     

    Warum dagegen protestieren? Weil es die NPD ist?

     

    Ist das LINKEs "Demokratievertändnis", oder um was gehts?"

     

    Nein, es ist einfach nur eine konsequente Einstellung zu den Prinzipien einer bestimmten Rechtsordnung unabhängig von links-rechts-Schematas.

  • N
    Nico

    Sich gegen sexuelle Übergriffe zu engagieren (präventiv, oder wie auch immer, solange es nicht hetzerisch ist) ist ja auch 'ne gute Sache.

    Aber NICHT mit dem Hintergedanken, man solle diese Menschen umbringen und mit ihnen das selbe machen.

    Das ist höchst primitiv und dazu noch undemokratisch.

    Abgesehen davon instrumentalisiert die NPD diesen Fall für ihre Zwecke.

    Dass dagegen niemand protestiert ist klar

    ...man würde wohl sofort als ein Befürworter von Sexualdelikten an den Pranger gestellt.

  • N
    nyx

    @Lise, @Franz:

     

    Sich gegen Kinderschändung einzusetzen - da bin ich die erste, die mitmacht. Aber Todesstrafe? Nie und nimmer!!!!! Dagegen MUSS protestiert werden!

  • Q
    Querulant

    Liebe Befürworter der Todesstrafe,

     

    redet doch nicht immer um den heißen Brei herum. Es geht euch doch nicht um Schutz von Kindern oder der Gesellschaft... ihr wollt Rache. Seit wenigstens so ehrlich und gebt es zu.

  • S
    sfb

    @Lisa

    was Du schreibst sieht sehr nach einem (ja evtl männlichen) (neo)Nazi aus, der hier posted.

     

    Davon ausgehend, dass Du das ernst meinst.

    Selbst wenn die Kameraden für freie Nutzung des ÖPVN, gegen Atomkraft, gegen Gentechnik demonstrierten, ist eine Gegendemo wichtig, weils denen darum geht gesellschaftliche Akzeptanz zu finden. Es ist auch kein Zufall, dass sie nicht für bessere Therapien, oder meinetwegen auch Lebenslängliche Haft demonstrieren, sondern für die Todesstrafe.

    Den Nazis hielten und halten Mord für ein Mittel der Problemlösung.

    Denen gehts doch nicht um die Betroffenen. (Ich glaube in nirgends sind soviele Männer im Sexbusiness wie bei den Jungs)

  • F
    Franz

    Sich gegen Kinderschänder einzusetzten halte ich um ehrlich zu sein für ehrbar.

     

    Warum dagegen protestieren? Weil es die NPD ist?

     

    Ist das LINKEs "Demokratievertändnis", oder um was gehts?

  • P
    Peter

    300 grenzdebile Schreihälse, die vielleicht sogar vom Verfassungsschutz erst zu dieser Kundgebung motiviert wurden, sind Euch so einen langen Artikel wert?

     

    Ist jetzt unser Rechtsstaat in Gefahr?

     

    Oder ist es im Gegenteil nicht eher so, daß in unserer Demokratie jeder seine Meinung sagen darf, so blöde die auch sein mag?

     

    Wie ärmlich das politische Programm dieser Typen ist, sieht man doch schon daran, daß es das populistische Thema "Kinderschänder" ist, mit dem die NPD versucht zu punkten. Es ist die Hoffnung auf Zustimmung von Eltern, die Angst um ihre Kinder haben. Eine relativ große Zielgruppe.

     

    Anstatt von 300 verwirrten Hanseln zu berichten, wäre es vielleicht angebracht, die Rolle der Medien zu beleuchten, die trotz rückläufiger Statistik, den Menschen immer mehr Angst vor Verbrechen und "Kinderschändern" einflößen. Und vor allem, wem nützt das?

  • V
    vic

    "Gesundes Volksempfinden" ist wieder angesagt. Spätestens seit dem "Das wird mal wohl noch sagen dürfen" Trend.

    Es ist nicht schwer, ein dummes Volk wie dieses zu manipulieren.

  • J
    Jupp

    Ich hatte keine Zeit, musste nach Stuttgart wegen S21

  • L
    Lisa

    Warum die Gegenproteste? Haben die selbst keine Kinder oder was? Denk doch mal einer an die Kinder! UNSERE KINDER UM HIMMELS WILLEN!!!

    Die Gegendemonstranten können sich ja gar nicht vorstellen welche Angst man als Mutter um seine Kinder hat! Also sperrt endlich die Schmuddelseiten im Internet und bestraft die Kinderschänder. Im Zweifelsfall lieber einen zuviel als einen zu wenig! Unsere Kanzlerin hats doch vorgemacht: Es gibt Dinge, die darf man nicht diskutieren sondern die muss man einfach machen!

  • FK
    Fritz Katzfuß

    Gerade in NPD Kreisen vermute ich viel Gewalt gegen Kinder und Mißbrauch, oft auch besoffen. Aber okay, ich kennen keinen von der NPD.

  • A
    atypixx

    Ein kurzes Streicheln über die Brust eines 13-jährigen Mädchens führt schon zur Strafbarkeit nach § 176; schon ist man Kinderschänder.... soll so jemand hingerichtet werden? Will die NPD das?

     

    Eine einfache Frage, aber wirksam. Denn der Begriff "Kinderschänder" ist eben weit weniger konturenscharf, als es der erste emotionale Aufwall vermittelt :-)

  • J
    Jane

    Ich hoffe, dass die Deutschen klug genug sind, die Todesstrafe unter keiner Bedingung je wieder einzuführen.

  • D
    DerPestbeamte

    Das Kinderschänder häufig selber Opfer von sexuellen Übergriffen in ihrer Kindheit sind/waren, ist der NPD da erstmal egal! Hauptsache alles Vernichten was nicht normgerecht Maschiert, Heute die Kinderschänder, Morgen die Ladendiebe, übermorgen die Ausländer oder wo soll das hinführen`?

     

    Vielmehr sollten die Menschen vernünftig Therapiert werden!

  • H
    Hannes

    Unglaublich, dass diese braunen Volksverhetzer nach den Erfahrungen des 3. Reiches schon wieder unbehelligt mit Ihren menschenverachtenden Parolen durch deutsche Straßen laufen dürfen, ohne vom Fleck weg verhaftet und wegen Volksverhetzung eingesperrt zu werden.

     

    Wehret den Anfängen, sonst geht es uns wie der Weimarer Republik, die ja auch von rechten Hetzern mit Gewalt ausgehebelt wurde.