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NPD-Anwalt im NPD-VerbotsverfahrenDer Schreibtisch-Provokateur

Peter Richter hat eine exzellente Ausbildung –  und ist extrem rechts. Die NPD will er als diskriminiertes Opfer des Verbotsverfahrens darstellen.

Geschniegelt und manierlich und vor allem: stramm rechts. Foto: dpa

Berlin taz | Peter Richter gibt sich dieser Tage gerne geheimnisvoll. Überraschungen werde es in Karlsruhe geben, sagt der NPD-Anwalt, „Knaller“ gar. Mehr könne er vorab natürlich nicht verraten. Man wird sehen. Es könnte das finale Getöse der NPD sein.

Oder auch nicht. Bei Richter weiß man nie. Der Anwalt, gerade mal 30 Jahre alt, Allerweltsgesicht mit eckiger Metallbrille, genießt seine aktuelle Rolle. Wenn ab Dienstag in Karlsruhe über das NPD-Verbot verhandelt wird, ist es an Richter, der rechtsextremen Partei die Existenz zu retten. Und dem Saarländer eilt ein Ruf voraus.

Richter legte eine exzellente Ausbildung hin. Abitur mit 1,0, ein Jura-Abschluss mit Prädikat. Richter hätte vieles werden können – wäre er nicht schon mit 18 Jahren in die NPD eingetreten. Schon seine Eltern denken nach Richters eigener Auskunft weit rechts, als Teenager fordert der Sohn Infomaterial der NPD an, besucht Parteiveranstaltungen. Dann tritt er in die Partei ein – just während des ersten NPD-Verbotsverfahrens, das 2003 scheiterte. Eine Provokation. Wie so oft bei Richter.

Inzwischen ist er NPD-Vizechef im Saarland und sitzt für die Rechtsextremen in der Saarbrücker Regionalversammlung. Dort stimmt er, ganz auf Parteilinie, gegen Haushaltsgelder für Flüchtlinge, wettert auf seiner Abgeordnetenseite gegen die „herrschenden Deutschlandabschaffer“ und klagt über eine „Islamisierung unserer Heimat“.

Das NPD-Verfahren beginnt

Was: Der Bundesrat hat 2013 beantragt, die rechtsextremistische NPD zu verbieten. Sie sei wesensverwandt mit der NSDAP, wolle die parlamentarische Demokratie durch einen rassistischen Volksstaat ersetzen und sorge in Teilen Deutschlands für ein Klima der Angst.

Wann: Am Dienstag beginnt eine zumindest dreitägige mündliche Verhandlung. Das Urteil wird im Sommer erwartet. 2003 scheiterte ein Versuch, die NPD zu verbieten, weil noch während des Verfahrens NPD-Führungskader vom Verfassungsschutz als Informanten bezahlt wurden. (chr)

Für die Partei ist Richter aber an der juristischen Front deutlich wertvoller. Seit Jahren vertritt er die NPD vor Gerichten, auch in Karlsruhe. Mit einigem Erfolg. Er klagte für die NPD und mit anderen Parteien gegen die Dreiprozenthürde bei Europawahlen – die Neonazis bekamen am Ende ein Mandat in Brüssel. Als Bundespräsident Joachim Gauck die NPD „Spinner“ nannte, zog Richter ihn vor das Bundesverfassungsgericht. Auch wenn die Neonazis unterlagen: Für das Staatsoberhaupt war es ein ärgerlicher Termin. Und in Hessen sorgte Richter dafür, dass Kommunen ein zuvor einkassiertes NPD-Plakat gegen Sinti und Roma wieder aufhängen mussten. Das Verwaltungsgericht sah es von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Permanente Nadelstiche

Es sind diese permanenten Nadelstiche, von Richter selbstsicher durchgefochten, die Eindruck hinterlassen haben. Die Bundesländer, Gegenseite der NPD, halten es daher nicht für ausgeschlossen, dass Richter tatsächlich eine „Überraschung“ nach Karlsruhe mitbringt. Einen V-Mann etwa. Beim letzten Mal, als die NPD verboten werden sollte, 2003, scheiterte das Verfahren an gleich mehreren Spitzeln, die in der NPD-Führung enttarnt wurden. Diesmal versicherten die Länder, in den Bundes- und Landesvorständen keine Zuträger mehr zu haben, und dokumentierten die Abschalterklärungen der elf vermeintlich letzten Zuträger.

Richter reicht das nicht. Was sei mit den Landtagsfraktionen, fragte er, als der Bundesrat seine Testate vorlegte, was mit V-Leuten, die Kontakt zur Parteiführung hätten? Zudem vermutet Richter, dass auch die Kommunikation zwischen ihm und der NPD-Spitze überwacht werde. Richter nennt das als Grund, warum sich seine Partei bis heute im Verfahren nicht zum Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit eingelassen hat.

Es ist freilich Strategie: Der Anwalt will lieber über die vermeintliche Diskriminierung seiner Partei diskutieren lassen als über deren tiefbraunen Charakter. Dass Richter dafür immer wieder den Rechtsstaat anruft, während in seiner Partei gegen den „BRD-Justizapparat“ oder das „korrupte System“ geätzt wird, kümmert Richter nicht.

Erst vor zwei Wochen stand er auf der Bühne einer Saarbrücker Festhalle. Die NPD lud zum „Politischen Aschermittwoch“, Richter trug schwarzen Anzug und Krawatte, vor ihm saßen fast nur Männer, einige kippten ihr Bier direkt aus der Flasche. Dort äußerte sich Richter sehr wohl inhaltlich zur Verbotsverhandlung. Diese schmähte er als „Unverschämtheit“. Es gehe darum, die Opposition gegen die derzeitige Flüchtlingszuwanderung auszuschalten, die „Stimme des Volkes“. „Wir werden uns nicht dafür rechtfertigen, dass wir unser Land lieben“, rief Richter in den Saal. „Rechtfertigen müssen sich die multikulturellen Extremisten, die dieses Land zugrunde richten.“

Da war er wieder, der Ideologe. Trotzdem gehört Richter nicht zu den Lautsprechern seiner Partei, auf Szeneaufmärschen sieht man ihn fast nie. Richters Kampfplatz ist der Schreibtisch, seine Worte kalkuliert er genau.

Im Verbotsantrag werden dagegen auch NPD-Politiker zitiert, die von einer „Judenrepublik“ sprachen, von „multikulturellen Ratten“ oder die am Tag des Hitler-Geburtstags den „größten Sohn unseres Volkes“ priesen. Hier gerät Richter in die Defensive. Er würde „nicht jede Vokabel“ unterschreiben, die in seiner Partei fiel, sagt er. Das Parteiprogramm hingegen schon.

An ein Verbot der NPD glaubt Richter nicht. Verliert er in Karlsruhe, will er mit seiner Partei weiterziehen, nach Straßburg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Für den 30-Jährigen hat der Kampf gerade erst begonnen.

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