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„NEUE SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT“: DIE NEOLIBERALEN SAMMELN SICHKeine Chance für alle

Es gibt ein neues eigenartiges Bündnis in Deutschland. Was sonst nur behauptet wird, scheint wahr zu werden: Die „neue Mitte“ sammelt sich. Unternehmer, Professoren, Schauspieler und Politiker von der CSU bis zu den Grünen sind Mitglied eines Clubs geworden. Der volle Titel des Vereins: „Chancen für alle. Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Dieses neue Bündnis ist zwar meist nur virtuell vorhanden – ihre „Botschafter“ lächeln in Anzeigen und im Internet –, gestern jedoch tagte erstmals auch ein Kongress zum Thema. Wieder ging es ausgewogen zu: Eichel sprach, Merkel sprach, Riester auch. Die Kosten trug die Wirtschaft.

Die Konsensgesellschaft scheint also keine reine Schröder-Erfindung zu sein. „Chancen für alle“ – wer könnte dagegen sein. Man kann. Weil es nicht genug ist. Denn früher lautete das Versprechen „Wohlstand für alle“. Diesen Titel wählte Ludwig Erhard 1957 für jenes Buch, das die „soziale Marktwirtschaft“ populär machen sollte. Auch wenn Erhard eher zur Marktwirtschaft denn zum Sozialen tendierte: Sein Versprechen wurde selbst von der CDU ernst genommen – und lange eingelöst. Nun also ist von Wohlstand nicht mehr die Rede, insofern ist die Neue Soziale Marktwirtschaft tatsächlich „neu“. Wo früher Verteilungsgerechtigkeit zählte, also „was hinten rauskam“, soll jetzt nur noch Chancengleichheit gelten. Kein Wort davon, dass es sie nicht gibt, dass vor allem jene Chancen haben, die besitzen. Dass Wohlstand Wohlstand mehrt. Nein, stattdessen: Wer arbeitslos oder arm ist, ist selbst schuld – hat wohl nicht genug geleistet. Munter ist es unter www.chancenfueralle.de nachzulesen: „Zu beruflichem Erfolg verhelfen Eigeninitiative, Leistungs- und Risikobereitschaft sowie Unternehmergeist! Werden auch Sie aktiv!“

Angela Merkel ist schon aktiv geworden, will die Initiative für das CDU-Parteiprogramm adaptieren. Sie hält die Neue Soziale Marktwirtschaft für einen Wahlkampfschlager, will Schröder seine neue Mitte klauen. Bleibt nur noch der Widerstand des Arbeitnehmerflügels in der Union zu brechen. Passend unpassend ließ der gestern zeitgleich zum Kongressauftritt der Parteivorsitzenden verlauten, dass er eine Neue Soziale Marktwirtschaft ablehnt. Zu Recht. Denn es wäre eine alte asoziale Marktwirtschaft, auch Klassengesellschaft genannt.

ULRIKE HERRMANN

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