NACHMITTAGSBETREUUNG: Schulen üben noch

Gegen die Verlagerung der Horte an die Schulen regt sich Protest. Die Schulbehörde ist davon überzeugt, dass die Reform wie geplant 2012 starten kann.

Unbetreut ist auch nicht immer besser: Manchen Kindern bietet GBS eine echte Chance. Bild: dpa

Für SPD-Schulsenator Ties Rabe waren die Tage vor Weihnachten nicht angenehm. Es hagelte Kritik an seinem Plan, die Schulkinder-Horte bis 2013 von den Kitas an die Schulen zu verlagern. Die Elternkammer forderte einen Stopp. Und tags drauf meldete der Fernsehsender Hamburg 1, es gebe ein neues Bündnis. Der LEA, so heißt die Elternvertretung der Kitas, paktiere mit den Schulreform-Gegnern um Walter Scheuerl, um die Ganztägige Betreuung an Schulen (GBS) zu stoppen.

Die Meldung habe viel Ärger gebracht, sagt LEA-Sprecherin Claudia Wackendorff. Es sei halt so, dass neben viele anderen auch die frühere Anti-Primarschul-Initiative "Wir wollen lernen" zu den LEA-Vernetzungstreffen komme. Es kämen auch Behördenvertreter oder Eltern, "die die GBS gut finden".

An 28 der rund 200 Hamburger Grundschulen bleiben die Kinder schon jetzt am Nachmittag auf dem Schulgelände. An der Schule Am Pachthof in Horn beispielsweise toben und spielen rund 200 Kinder auch nach Schulschluss durch die Räume eines alten Backsteinbaus. Die GBS sei eine Chance für die Kinder, sagt Schulleiter Adrian Klenner. Denn viele hatten bisher keinen Kita-Gutschein.

Die rund 1.000 Horte der Stadt waren seit Einführung des Gutschein-System 2004 vor allem Kindern berufstätiger Eltern vorbehalten. Die "Bedarfsprüfung" fällt jetzt in der neuen GBS weg. "Das ist ein Quantensprung", sagt Uwe Gaul, Fachreferent der Schulbehörde. "Damit gehen wir im Bundesvergleich sehr weit."

Es gibt in Hamburg rund 200 Grundschulen. Bisher arbeiten 56 mit einem Ganztagsmodell und 28 Pilotschulen mit ganztägiger Betreuung (GBS).

In der normalen Ganztagsschule teilen sich am Nachmittag Lehrer, Erzieher und Honorarkräfte die Betreuung der Kinder.

Hier gibt es drei Varianten: Die offene Form der Ganztagsschule ist freiwillig, die teilgebundene ist an einigen Tagen für alle verbindlich, die gebundene ist dies die ganze Woche hindurch.

Die neue GBS ist ein freiwilliges Angebot. Die Eltern können ihre Kinder anmelden. Die Betreuung wird von Erziehern übernommen. Wer will, kann sein Kind ab 13 Uhr aber auch selbst betreuen.

Doch die Eltern, die die Vorzüge der Horte genossen, fürchten Verschlechterungen. Deren pädagogische Qualität lasse sich nicht auf Knopfdruck in Klassenräume übertragen. "Wir hören relativ viele Klagen von Eltern der Pilotschulen", sagt LEA-Vertreterin Sabine Buhk. Von etwa jeder dritten höre sie Kritisches. Es fehlten Rückzugsmöglichkeiten wie ein Toberaum oder Traumraum, die es in den oft verwinkelten Kitas gibt. Manche Kinder bekämen einen "Brass auf die Schule", wenn sie den ganzen Tag im Klassenraum sind.

Auch die Qualität sei sehr unterschiedlich. Mal sei eine Hausaufgabenhilfe für acht, mal für 23 Kinder zuständig. Mal sei ein Team eingespielt, mal gebe es hohe Fluktuation. Der LEA fordert eine Evaluation der bestehenden Projekte und Mindeststandards. "Es ist nicht so, dass es nur am Anfang ein bisschen ruckelt", sagt Buhk. "Es läuft über Monate nicht gut."

Auch zwei Kita-Verbände hatten sich zuletzt kritisch etwa zum Betreuungsschlüssel geäußert. Hinter verschlossenen Türen verhandeln sie derzeit mit Schul- und Sozialbehörde, zuletzt am Donnerstag. Man sei sich "ein großes Stück näher gekommen", berichten nun beide Seiten, und hoffe, den Vertrag über die GBS bis Mitte Januar "unter Dach und Fach" zu bekommen.

Der Zeitplan ist jetzt eng getaktet: Bis Silvester können jene Grundschulen, die 2012 in die Ganztagsbetreuung einsteigen wollen, melden, ob sie als GBS oder als eine Form von Ganztagsschule (siehe Kasten) starten wollen. Bis Freitagmittag hatte Uwe Gaul 35 GBS-Anmeldungen und zehn für Ganztagsschulen auf dem Tisch. Bis zum 15. Januar soll entschieden werden, welche Schule was wird, weil am Tag danach die Anmeldewoche für die ersten Klassen beginnt.

Die dann noch verbliebenen Halbtagsschulen sollen sich bis zum 31. März entscheiden, welche Form sie wählen, und damit ab Schuljahr 2013/14 beginnen. Denn dann läuft das alte Hortsystem aus. In die leeren Räume - so die Idee - könnten Krippenkinder einziehen, die ab 2013 einen Rechtsanspruch haben. Der Zeitplan soll verhindern, dass Horte zu früh schließen und eine Betreuungslücke entsteht.

Er sei sicher, dass er die Kritik der Eltern ausräumen könne, sagte Schulsenator Rabe. Nur wenn das nicht gelinge, "muss man die Reform verschieben".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.