„My First Lady“ im Kino: Butterweicher Blick
Eine folgenreiche Romanze: Richard Tanne erzählt in seinem Spielfilm „My First Lady“ vom ersten Date von Michelle und Barack Obama.
„Das ist kein Date!“ Immer wieder betont Michelle Robinson, dass sie ihren neuen Kollegen in der Anwaltskanzlei nur platonisch trifft, schließlich ist sie eine emanzipierte Frau und zudem auch noch die Vorgesetzte des jungen, ziemlich schmucken und sehr selbstbewussten Manns. Barack Obama heißt er und wird 17 Jahre nach diesem Tag im Sommer 1989 zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt werden.
Das Wissen um die Zukunft dieser beiden jungen Menschen macht Richard Tannes Spielfilm „My First Lady“ so ungewöhnlich und reiht diesen biografischen Film nahtlos in die hagiografische Verklärung ein, die Obama von Anfang an begleitete und die – trotz allem – offenbar noch anhält.
Gerade in Deutschland, wo man eine psychologisch faszinierende Hassliebe zu den USA pflegt und die republikanischen Präsidenten von Nixon über Reagan bis hin zu Bush mit ebensolcher Inbrunst verachtet wie die demokratischen verklärt, von Kennedy über Clinton bis eben zu Obama, wollte man nur zu gern glauben, dass mit Obama alles anders werden würde.
Eine Offenbarung
Und klar, im Gegensatz zum stets überfordert wirkenden Bush junior war Obama eine Offenbarung: lässig, jung, redegewandt. Dass er auch noch das Richtige versprach, eine andere Politik ankündigte, machte es nur allzu leicht, zu ignorieren, dass der amerikanische Präsident zwar gern als mächtigster Mann der Welt bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber in ein komplexes Geflecht aus Strukturen und Abhängigkeiten eingebunden ist.
„My First Lady“. Regie: Richard Tanne. Mit Tika Sumpter, Parker Sawyers u. a. USA 2016, 86 Min.
Dass ausgerechnet jetzt, ein paar Wochen vor der Wahl, bei der Obamas Nachfolger bestimmt wird, ein Film wie „My First Lady“ ins Kino kommt, der ein bemerkenswert verklärendes Bild von Obama und seiner zukünftigen Gattin entwirft, verblüfft. Erst recht, dass Regisseur und Drehbuchautor Richard Tanne ein Weißer ist, der im November 2008, bei Obamas Wahl, 23 Jahre alt war.
Butterweich ist der Blick, den Tanne auf das legendäre erste Date der Obamas wirft, das sich tatsächlich weitgehend genauso zugetragen hat: ein heißer Sommertag in Chicago, ein Spaziergang im Park, der Besuch einer Ausstellung schwarzer Künstler, wobei besonders die flirrenden Bilder von Ernie Barnes das Paar begeistern, später eine Bürgerversammlung in einer Kirche, in der Obama sein Redetalent unter Beweis stellen darf, und zum Abschluss der Besuch von Spike Lees „Do the Right Thing“.
Perspektive des Fans
Dass von diesem wütenden Ghettodrama eine Szene gezeigt wird, in der ein korpulenter Schwarzer von zwei weißen Polizisten rüde gewürgt und zu Boden gerissen wird, spannt den Bogen in die Gegenwart Amerikas, in der Polizeigewalt gegen Schwarze trauriges Dauerthema ist. Als Kommentar über Erfolge und Scheitern der Obama-Präsidentschaft darf man solche und andere Momente aber kaum verstehen, dafür ist Tanne zu sehr Fan.
Und ja, es ist fraglos auch grundsympathisch, zwei junge Menschen dabei zu beobachten, wie sie sich kennenlernen, Konflikte austragen, sich sanft triezen und im Laufe eines Tages die Basis für eine gemeinsame Zukunft legen. Zumal die beiden Hauptdarsteller Tika Sumpter als Michelle und besonders Parker Sawyer als Barack ihren Vorbildern wie aus dem Gesicht geschnitten sind.
Wenn Sawyer da in typischer Obama-Manier, die linke Hand in der Tasche, mit der rechten bestimmend gestikulierend, durch den Park schreitet oder der Bürgerversammlung den Wert des Gemeinwesens erklärt, wird die Aura dieses begnadeten Redners unmittelbar spürbar. Dass er nicht alle in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen konnte, lag nicht zuletzt an der Verklärung durch seine Anhänger, die mit „My First Lady“ ein vorläufiges Ende findet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“