Mutmaßliche Polizeigewalt in Essen: Verprügelt, beleidigt, angeklagt
Ein Schwarzer wird mit einem Freund von Polizisten getreten, geschlagen – und vor Gericht gezerrt. Nun wurden die beiden Männer freigesprochen.
Im Dezember 2019 geriet der Schwarze Bundeswehrsoldat Mathis C. zusammen mit seinem Freund Dennis K. in Essen in eine Verkehrskontrolle der Polizei. Statt sich vorzustellen und die Maßnahme zu erklären, soll der Polizist Gerrit H. dabei zu den insgesamt drei Fahrzeuginsassen gesagt haben: „Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin?“. Polizist H. sagte selbst dazu: „An den Wortlaut kann ich nicht mehr genau erinnern“.
Was dann geschah, ist auf einer Tonaufnahme vom Vorfall zu hören, von der nicht ganz klar ist, wie sie zustande kam. Darauf ist zu hören, wie sich Mathis C. lautstark beschwert: „Nur weil der gefilmt hat, treten sie auf den ein. Gehören Sie einer Straßengang an oder was?“ C. musste zu diese Zeitpunkt mitansehen, wie die Polizisten seinen Freund Dennis K. am Boden traten.
Dieser hatte zuvor versucht, das Verhalten der Polizisten während der Kontrolle zu filmen. Der Dienststellenleiter soll ihm das Smartphone aus der Hand geschlagen und anschließend K. zu Boden gebracht haben.
„Hoffentlich brennen dir die Augen aus“
Der Zeitsoldat C. war „erkennbar in Sorge“, weil auf Dennis K. eingetreten wurde, stellte die Richterin im Gerichtssaal fest. Auf der Tonaufnahme ist zu hören, wie der Polizist Gerrit H. nun C. zuruft: „Geh weg“. Mathis C. lief vor Aufregung auf und ab. Der Polizist habe seinen Schlagstock gezogen, sagte eben jener selbst aus, doch C. habe sich unbeeindruckt gezeigt und provoziert. Dann soll der Polizist sein Pfefferspray gezogen haben. Auf der Tonaufnahme ist davon nichts zu hören.
Zu diesem Zeitpunkt kam eine weitere Beamtin dazu: „Beruhigen Sie sich mal“, ist sie an C. gewandt auf der Aufnahme zu hören. Aus Sicht der Polizisten soll Mathis C. darauf nicht reagiert haben. Die Tonaufnahme zeigt indes: C. wurde ruhig, ärgerte sich nur noch leise – „weil der filmt, ey“, murmelte er. Er lehnte sich an das Auto, mit den Händen in der Jackentasche, so beschrieben es die Beamten und C. selbst.
Die Polizei forderte in dieser Situation Verstärkung an: Der Beamte Mirko W. kam hinzu. Er und Polizist H. wollen den Angeklagten C. anschließend dreimal aufgefordert haben, die Hände aus der Tasche zu nehmen. Auf Frage der Richterin verneinen die beiden Beamten im Gerichtssaal, dass C. dem nachgekommen sei. Auf der Tonaufnahme ist indes zu hören, wie es nur zwei Sekunden von einer Aufforderung bis zu einem Rumpeln und schmerzhaften Lauten von C. dauert. Er hatte also keine Zeit, der Aufforderung überhaupt nachzukommen. Die Richterin bezichtigt die beiden Beamten deshalb im Gerichtssaal der Falschaussage.
Was auf der Tonaufnahme noch zu hören ist: Ein Beamter ruft: „Die scheiß Hände auf den Rücken, sonst breche ich dir den Arm, du Wichser.“ Und: „Hoffentlich brennen dir die Augen aus“, nach dem sich C. am Boden über Pfefferspray im Auge beschwerte. Polizeigewalt aus rassistischer Motivation? Der Freigesprochene C. kommentierte gegenüber der taz: „Schließe ich nicht aus“.
Weitere Anschuldigungen gegen die Polizei Essen
Ob die Staatsanwaltschaft nun Berufung gegen den Freispruch einlegt, ist unklar. Sie hatte sechs Monate auf Bewährung für die Angeklagten gefordert. Christian Hemmer, Anwalt von Mathis C., empört das: „Die Straftaten wurden von den Beamten begangen und nicht von den Angeklagten“, sagte er der taz. Die separaten Ermittlungen gegen die Polizisten wegen Körperverletzung im Amt laufen noch.
Mirko W., Matthias K. und ein weiterer am Einsatz beteiligter Beamter wurden nach Recherchen der taz in einem weiteren Fall von mutmaßlich rassistischer Polizeigewalt angezeigt. Loveth A., eine 50-jährige Schwarze Frau aus Mülheim, ging im März 2020 mit ihren Kindern in die Polizeiwache Essen Mitte. Sie wollte Anzeige erstatten, weil ihr das Portemonnaie gestohlen wurde.
A. schilderte, dass die erste Frage der Polizei war: „Wurden Sie beklaut oder haben Sie geklaut?“. Später sei die Situation eskaliert: Bis zu 15 Polizist:innen hätten sich auf sie und ihre Kinder gestürzt und sie verletzt. Die Polizei bestätigte eine Auseinandersetzung, begründete die Gewalt aber mit „Widerstandshandlungen“. Den Vorwurf des Rassismus wies die Polizei zurück.
*Name geändert
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