Mutmaßliche IS-Anhänger verhaftet: Landesweite Razzien in der Türkei
Mehr als 140 Verdächtige wurden festgenommen, weil sie mutmaßlich mit dem IS kooperieren. Offenbar gibt es Bezüge zum Moskauer Terrorangriff.
![Zwei Männer legen Blumen vor dem russischen Konsulat in Istanbul nieder Zwei Männer legen Blumen vor dem russischen Konsulat in Istanbul nieder](https://taz.de/picture/6910435/14/34954300-1.jpeg)
Einer der beiden ist der tadschikische Staatsbürger Samsidin Faridun. Türkische Medien berichteten am Dienstag, dass er sich in den Tagen vor dem Attentat auf die Konzerthalle in Moskau zunächst in einem Hotel im Zentrum der Stadt aufgehalten habe, später dann sogar eine Wohnung im Außenbezirk Başakşehir gemietet haben soll. Der Mann ist dann am 4. März, gemeinsam mit einem weiteren Tadschiken der vermutlich ebenfalls zu den Attentätern zählt, vom Istanbuler Flughafen Sabiha Gökçen nach Moskau geflogen.
Russische Sicherheitsbehörden sollen nach türkischen Medienangaben seit dem Attentat in Moskau intensiv mit ihren Kollegen in der Türkei konferiert haben, nachdem sich der IS-Ableger IS Provinz Khorasan (ISPK) noch in der Nacht des Attentats in Russland zu dem Anschlag bekannt hatte. Offenbar ist bei den türkischen Sicherheitsbehörden seit Längerem bekannt, dass der afghanische IS-Ableger ISPK – der sich IS Provinz Khorasan nach einem historischen Gebiet, das neben Afghanistan auch Teile Zentralasiens und des Iran umfasste, nennt – in der Türkei ein Rückzugsgebiet hatte. Immer wieder hatte es deshalb in den letzten Monaten Festnahmen mutmaßlicher Dschihadisten gegeben.
Rekrutierung für den IS in der Türkei
Nach Angaben des Innenministeriums in Ankara sind seit dem 1. Juni letzten Jahres insgesamt 2.919 Personen in der Türkei festgenommen worden, die unter dem Verdacht stehen zum IS zu gehören oder dem IS nahezustehen. In einer Anklageschrift der Istanbuler Staatsanwaltschaft – aus der türkische Medien am Dienstag zitierten – wird einigen der Festgenommenen vorgeworfen, sie würden in der Türkei für den IS-Khorasan Personen rekrutieren, um dann anschließend Attentäter über den Iran nach Afghanistan zu schicken.
Die potenziellen Attentäter, die entweder aus der Türkei oder aus Zentralasien stammen würden, bekämen in der Türkei gefälschte Pässe, mit denen sie dann als Afghanen getarnt über den Iran zu ihren Anschlagszielen in Afghanistan reisen würden. Vorher würden sie in der Türkei in der Aussprache korrekter afghanischer Dialekte trainiert. Die Dschihadisten können dabei offenbar auf Strukturen zurückgreifen, die seit dem Syrienkrieg existieren. Dort hatte die Türkei einige Dschihadistengruppen die gegen den syrischen Diktator al-Assad kämpfen, unterstützt.
Passfälscher würden sich deshalb hauptsächlich in der Grenzregion zu Syrien in Hatay und Gaziantep befinden. Es ist durchaus möglich, dass diese Informationen aus der Türkei mit dazu geführt haben, dass am Montagabend auch der russische Präsident Wladimir Putin verkündete, dass der Anschlag mit insgesamt 139 Todesopfern am vergangenen Freitagabend von Dschihadisten ausgeführt wurde.
Anhänger des ISPK werden mittlerweile auch für Anschläge oder Anschlagsversuche in Europa verantwortlich gemacht. Vor allem Frankreich sieht sich von den Dschihadisten massiv bedroht und hat am Montag die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. In Deutschland wurden in der vergangenen Woche zwei Männer in Gera festgenommen, die offenbar einen Anschlag in Schweden vorbereitet haben sollen. Der mutmaßliche Grund sind mehrere Koranverbrennungen in der Öffentlichkeit.
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