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Mutmaßlich antisemitische Messerattacke19-Jähriger verletzt spanischen Touristen

Ein anerkannter syrischer Geflüchteter verletzt am Berliner Holocaustmahnmal einen Touristen schwer. Die Reaktionen passen zum bisherigen Wahlkampf.

Nach dem Angriff am Holocaustmahnmal in Berlin ist am Morgen der Bereich immer noch abgesperrt Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz/dpa | Nach der mutmaßlich antisemitischen Messerattacke am Holocaustmahnmal in Berlin, bei der am Freitag ein spanischer Tourist schwer verletzt worden ist, haben Spit­zen­po­li­ti­ke­r:in­nen Konsequenzen gefordert. Bundesinnenministerin Nancy Fae­ser (SPD) erklärte indirekt, den syrischen Tatverdächtigen Wissam al-M. abschieben zu wollen. „Wer solche Taten begeht und den Schutz in Deutschland aufs Widerwärtigste missbraucht, hat jedes Recht verwirkt, in Deutschland zu sein“, sagte Faeser.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) teilte auf X mit: „Wer in Deutschland Schutz haben will, greift keine Menschen mit dem Messer an.“ Er erwarte von der nächsten Bundesregierung, dass sie dafür sorge, „dass solche Täter ihren Schutzstatus verlieren und schnell unser Land verlassen müssen“.

Der 19-Jährige al-M. kam 2023 als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland und lebte jetzt in einer Gemeinschaftsunterkunft in Leipzig. Nach Recherchen der Bild-Zeitung erhielt er im Oktober 2024 einen Schutzstatus vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und ist somit anerkannter Geflüchteter. Das sächsische Innenministerium teilte mit, dass al-M. den Behörden wegen verschiedener Straftaten bekannt gewesen sei, es allerdings bisher keinen „Staatsschutzbezug“, also keinen politischen Hintergrund gegeben habe.

Den sieht die Berliner Staatsanwaltschaft nun gegeben. „Nach bisherigem Kenntnisstand, insbesondere aufgrund entsprechender Äußerungen des Beschuldigten gegenüber der Polizei, soll seit einigen Wochen der Plan in ihm gereift sein, Juden zu töten“, teilte die Staatsanwaltschaft am Samstagabend mit. Aus diesem Grund habe Wissam al-M. das Holocaustmahnmal in Berlin als Tatort gewählt.

Nahostkonflikt Grund für die Attacke

Das Stelenfeld nahe dem Brandenburger Tor erinnert an die rund sechs Millionen ermordeten Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus und zieht viele Be­su­che­r:in­nen an – unter anderem den 30-Jährigen Spanier, der nach einer Notoperation außer Lebensgefahr ist. Die Staatsanwaltschaft hat am Samstagabend wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchten Mordes Haftbefehl erlassen.

Wissam al-M., der nach der Tat zunächst floh und rund drei Stunden später von der Polizei festgenommen wurde, sitzt in Untersuchungshaft. Neben der Tatwaffe, einem Jagdmesser, stellten die Be­amt:in­nen bei der Festnahme auch einen Koran und einen Gebetsteppich sicher. Nach aktuellem Ermittlungsstand soll der Nahostkonflikt der Grund für die Attacke sein.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich entsetzt über die Tat: Sie mache „nicht nur erneut die tödliche Gefahr von Judenhass deutlich, sondern zeigt auch, dass jeder Mensch Opfer einer antisemitischen Gewalttat werden kann“, sagte Klein im Tagesspiegel. Er forderte, den mutmaßlichen Straftäter nach einer möglichen Haftstrafe abzuschieben – warnte aber „dringend“ vor einer politischen Instrumentalisierung.

Die Attacke ereignete sich zwei Tage vor der Bundestagswahl, dessen Wahlkampf sich stark um Migration und den Umgang mit Gewalttaten von Schutzsuchenden drehte. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch verband den Angriff am Berliner Holocaustmahnmal mit einem Wahlaufruf zugunsten ihrer Partei: „Gestern schon wieder: Ein 19-jähriger Syrer. […] Macht die Wahl am Sonntag zu einer Volksabstimmung gegen illegale Massen-Migration“.

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