piwik no script img

Musiktipps der WocheAngesagte Zeit

Festivals beginnen, Festivals gehen zu Ende: Von Raketerei bis Maerzmusik. Außerdem hörenswert: Das neue ausufernde Album von Bell Orchestre.

Tritt mit ihrem Quartett beim Raketerei-Festival auf: Zuzana Leharová (Album „Knochenmann“, 2020) Foto: Presse

F irst things first. Das Raketerei-Festival beginnt nämlich schon heute am Freitag (26.3.) um 12 Uhr. Also flott ins Programm geguckt: Da erwarten einen zunächst Workshops. Schließlich will die Raketerei nicht nur 25 Musikerinnen unterschiedlichster Genres Gelegenheit geben, ihr Publikum zu finden. Es geht den Veranstalterinnen auch darum, sie bei der Professionalisierung unterstützen. So widmen sich die Teilnehmerinnen Fragen, wie sich zu Hause aufgenommene Musik radiotauglich bearbeitet lässt. Oder wie man in der unübersichtlichen Medienwelt Aufmerksamkeit generiert.

Ab 19 Uhr gibt es dann halbstündige Konzerte, etwa von der Loop-Künstlerin MO XX (20 Uhr), bei der neben ihrer Stimme der Bass im Vordergrund steht. Oder Donna Maya, die ihrem Theremin experimentelle Elektronik entlockt (21 Uhr). Über vier Tage soll es nicht zuletzt um mehr Sichtbarkeit für Frauen in der Musik gehen (Wer nur zuhören will, zahlt 24 Euro. Verabreden lohnt, jedes weitere Ticket kostet nur 5 Euro; wer zudem an der Convention teilnimmt, für die sind 59 Euro fällig).

Zeitstück und „PRESENT“

Eine der verblüffenden Einsichten des letztes Jahres war: Wenn nix passiert, vergeht die Zeit auch nicht langsamer. Um Zeit geht es auch in der Abschlussperformance TIMEPIECE des Avantgarde-Festival MaerzMusik. In normalen Zeiten könnte man an diesem Zeitumstellungswochenende ja in der monumentalen Industriearchitektur des Kraftwerks Berlin ein- und auschecken: 30 Stunden lang gab es hier im Rahmen von The Long Now immer ein abwechslungsreiches Programm.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Die Alternativlösung präsentiert sich zumindest als ähnlich ausgedehnte Performance. Ab Samstag (27.3.) 20 Uhr werden 27 Stunden lang auf der Drehbühne des Hauses der Berliner Festpiele Ber­li­ne­r*in­nen die Zeit ansagen; dazu gibt es Kompositionen, zugeschaltet aus aller Welt. Der Ticketpreis ist frei wählbar. Und was bei MaerzMusik schon stattgefunden hat, ist bis zum Festivalende – teils auch länger – „On Demand“ abrufbar; Timepiece allerdings, das ist ja der Punkt, gibt es nur in Echtzeit zu erleben.

Ebenfalls am Samstag (27.3.) feiert die Musikvideoreihe „PRESENT“ ihren Auftakt. Bis zum 1. Mai stellen jede Woche wechselnde Musiker, Schauspieler und Künstler eine musikalisch-szenische Miniatur vor, die spiegelt, wie sie von der aktuellen Krise betroffen sind. Präsentiert wird das vom freien Theaterkollektiv Nico and the Navigators; diesmal ist das klassische Kuss Quartett zu Gast (abrufbar über das Radialsystem ab 20 Uhr, bis 8. Mai).

Bell Orchstre: Hausmusik in Echtzeit

Zum Schluss noch ein besonderes, in seiner Musikalität in diesen wenig gemeinschaftlichen Zeiten besonders tröstliches Schmankerl. Das Allstar-Kollektiv Bell Orchestre, bei dem unter anderem die Arcade-Fire-Mitglieder Sarah Neufeld (Violine) und Richard Reed Parry (Bass) mitmischen, hat den Albumtitel „House Music“ (letzte Woche erschienen bei Erased Tapes/Indigo) ganz wörtlich umgesetzt. Die Platte wurde nämlich tatsächlich in Neufelds Landhaus in Vermont eingespielt, in jedem, eigens für die Aufnahme miteinander verkabelten Zimmer spielte ein*e an­de­re*r – eine wunderbar ausufernde und einen mitreißende Improv-Session in Echzeit.

Anschließend wurde die Aufnahme in Form gebracht, atmet aber trotzdem Live-Energie, mit viel Sog und all den Haken, die dazu gehören. Der dazugehörige Konzertfilm, mit dem das Bell Orchestre ihr erstes Album seit zwölf Jahren vorstellt, wurde übrigens nicht in besagtem Haus in Szene gesetzt, sondern in einem spätsommerlichen Wald – in monochromer Ästhetik und doch so flirrend-psychedelisch, wie es den Klangschichten angemessen ist.

Die präsentieren sich mal jazzy, dann wieder als postrockiger Drone und manchmal gar als orchestral; vorangetrieben wird die angenehm dahinfließende Musik von Stefan Schneiders großartigen Schlagzeugspiel. Das Haldern Pop Festival präsentiert den sehenswerten 45-Minuten-Film ab Samstag (27.3. um 20 Uhr, abrufbar 24 Stunden lang; Zugang für 10 Euro).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!