Musiklabel zu Gast bei zu Guttenberg: Aliens im Ministerium
Der digitale Indie-Vertrieb finetunes gehört zu den Gästen eines Branchentreffs der Musikindustrie im Wirtschaftsministerium.
Was Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg für Musik hört, weiß man nicht. Es ist jedenfalls kaum davon auszugehen, dass er kürzlich auf der Shop-Seite des digitalen Indie-Vertriebs finetunes war und dort für 9,99 Euro die neue Platte der Punkband Muff Potter oder für 8,99 Euro das aktuelle Album der linksradikalen Truppe Das Bierbeben heruntergeladen hat.
Dennoch gibt es einen Link zwischen dem adligen Volksvertreter und der Firma aus Hamburg-Bahrenfeld: Heute veranstaltet das Wirtschaftsministerium in Berlin ein "Branchenhearing Musikwirtschaft", und Oke Göttlich, Geschäftsführer von finetunes ist mit dabei - wie auch andere Vertreter der Indie-Szene, etwa vom Berliner Label K7 oder der Band Trashmonkeys.
Vielleicht werden sie sich wie Aliens vorkommen auf dem Hearing. Andererseits hat das Ministerium in einem im Februar veröffentlichten Forschungsbericht zu den "gesamtwirtschaftlichen Perspektiven" der Kulturwirtschaft unter anderem die Bedeutung der Indie-Musik-Szene gewürdigt. "Auch kreative Inhalte", so die Gutachter, bewirkten "eine Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung". Die Anforderungen von Förderprogrammen seien so anzupassen, dass auch kleine Kulturfirmen davon profitieren können.
Weil der Bericht zudem konstatiert, der "wesentliche Treiber" für die Musikwirtschaft der Zukunft seien "die digitalen Techniken und die Ausweitung der Internetwirtschaft", hat finetunes durchaus eine Rolle in diesem Spiel. Finetunes betreibt nicht nur einen Onlineshop, wo der Endverbraucher Das Bierbeben kaufen kann. Hauptsächlich ist finetunes ein Vertriebsdienstleister, der mehrere hundert Onlineshops weltweit mit den Downloadablegern von Independent-Tonträgern beliefert und für seine Labels Nutzungsvereinbarungen mit Streaming-Anbietern, Onlineradios und Mobilfunkgiganten aushandelt.
Finetunes-Chef Göttlich, früher übrigens Redakteur bei der taz nord, referiert heute in Berlin über "innovative Geschäftsmodelle". Davon gibt es im Online-Musikbusiness einige. Die Rahmenbedingungen für die Umsetzung solcher Konzepte sind hierzulande aber nicht ideal. Die Verwertungsgesellschaft Gema verlangt von Unternehmen, die auf diesem Feld aktiv sind, eine international vergleichsweise hohe Lizenzgebühr: 12,5 Prozent vom Endverkaufspreis. Das schreckt neue Wettbewerber ab, und deshalb ist etwa die in England derzeit massiv gehypte Streaming- Plattform Spotify (derzeit 40.000 neue Nutzer täglich) in Deutschland noch nicht präsent.
Indem die Gema den legalen Handel erschwere, fördere sie indirekt das illegale Downloaden, sagt Göttlich. Trotzdem hält er die Gema "für die beste Verwertungsgesellschaft der Welt, weil sie die Kreativen optimal schützt." Beispiel: ihre harte Haltung in den Verhandlungen mit YouTube. Die Auseinandersetzung mit den Giganten der digitalen Welt gehört auch für finetunes zum Tagesgeschäft, mit last.fm befinden sich die Hamburger im Rechtsstreit, weil die hippe CBS-Tochter finetunes-Inhalte nutzt, ohne dafür zu zahlen - anders als bei der Musik der Majors. Man müsse aufpassen, "dass die Schere zwischen Majors und unabhängigen Plattenfirmen nicht noch weiter auseinandergeht", sagt Göttlich.
Die Majors galten einst als die Bösen und die Indies als die Guten, und eine derartige Vereinfachung könnte der heutigen Debatte nicht schaden. Denn die meisten Nutzer (und Journalisten), die die Musikindustrie wegen ihres Verhaltens gegenüber Netzakteuren wie YouTube und Pirate Bay attackieren, unterscheiden nicht zwischen Majors und Indies.
Kleine Labels sind aber stärker darauf angewiesen, dass sich die Erlöse im Netz verbessern, als etwa der Marktführer Universal.Trotz solcher Probleme hält es Göttlich für fehl am Platze, über die allgemeine Lage der Musikindustrie zu jammern. "Es wird so viel Musik genutzt wie nie, nur die Balance zwischen Nutzung und Vergütung stimmt noch nicht." Außerdem sei die Arbeit mit finetunes aufregend, weil das Geschäft schnelllebig sei. "Absehbar ist, dass der Besitz von Musik eine immer geringere Rolle spielen wird." Immer mehr Fans werden Musik nicht einmal mehr downloaden, weil alles, was sie hören wollen, permanent auf jedem Rechner verfügbar sein wird - was neue Überlegungen darüber erfordert, wie man das im Sinne der Künstler angemessen abrechnet. Aber das ist ein Thema, das zumindest fürs Hearing zu früh kommt.
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