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Musikkritker zu Wahlen in Russland"Ich gebe Putin weniger als ein Jahr"

Junge Leute tragen den Protest gegen die Duma-Wahlen, sagt Artemij Troizkij, einer der einflussreichsten Musikkritiker Russlands. Der Kreml werde weiterknüppeln.

Die Jugend lässt sich nicht mehr unterkriegen - Protest in St. Petersburg. Bild: dapd
Klaus-Helge Donath
Interview von Klaus-Helge Donath

taz: Herr Troizkij, haben Sie so viele Leute auf der Demonstration gegen Wahlfälschungen erwartet? Der Platz reichte nicht mehr aus für die Menschen.

Artemij Troizkij: Nein, das hatte ich nicht erwartet. Ich werde zu vielen Demonstrationen eingeladen, gehe aber nur selten hin. Diesmal hat mich etwas hingezogen und ich bedauere es nicht. Das war ein außerordentlich ernstes und wichtiges Ereignis für unser Land.

Es war eine völlig andere Klientel als auf den Veranstaltungen der Opposition.

ap
Im Interview: ARTEMIJ TROIZKIJ

56, ist Oppositioneller, Intellektueller und Russlands bekanntester Rock- und Popmusikjournalist für Print, Radio und Internet. Troizkij war Anfang der neunziger Jahre der erste Chefredakteur der russischen Ausgabe des Playboy. Er ist in Russland eine Kultfigur.

Mir gefiel besonders, dass es nicht diese sogenannten Schizo-Demokraten waren. Alte Leute, die sich in den sechziger, siebziger Jahren ihre Dissidenten-Sporen verdient haben. Das ist ein sympathisches Publikum, nur hängt von ihnen überhaupt nichts mehr ab. Am Sonntagabend waren 80 Prozent fröhliche, sympathische und nüchterne Leute da, unter ihnen auch viele junge Frauen. Sie wollen ihre Jugend nicht an die Bankerbanditen vom Typ Putins verschwenden. Riesig habe ich mich gefreut.

Ist das die Internetgeneration?

Es waren Jugendliche um die zwanzig. Das ist die Generation, die ihre Informationen aus dem Internet bezieht. Und das ist gut so, denn es gibt keine anderen brauchbaren Quellen mehr in unserem Land.

Sehen Sie eine Chance, dass die Opposition ihre Widersprüche überwindet und gemeinsam vorgeht?

In der Opposition sind viele Paranoiker. Mit Vertretern wie dem Nationalbolschewiken Eduard Limonow oder dem früheren Premier Michail Kasjanow ist ein Schulterschluss kaum möglich. Es wäre zu wünschen, dass sich normale Politiker, gestandene Leute, die es ja auch noch gibt, einreihen. Am Sonntagabend waren der Oppositionelle Boris Nemzow und der Blogger Alexej Nawalnij, der der Partei Vereinigtes Russland den Titel "Partei der Gauner und Diebe" verpasste, mit dabei. Auch Ökoaktivisten wie Jewgenija Tschirikowa und die "Blauen Eimer", die gegen die Willkür der Macht auf den Straßen demonstrieren. Faschisten aber brauchen wir als Bündnispartner nicht.

Wer sollte mitmachen?

Schön wäre es, wenn sich das große Business zum Mitmachen entscheiden könnte. Der Oligarch Michail Prochorow etwa, der den Vorsitz der Partei Rechte Sache im September hingeschmissen hat. Noch haben sie Angst, ihr Geld zu verlieren.

Wie lange hält das Regime noch durch?

Ich gebe dem System Putin weniger als ein Jahr. Sagen Sie das den Deutschen und vor allem dem Ziegenbock Gerhard Schröder, damit sie nicht mehr auf diese Leute setzen. Noch ist es nicht zu spät, sich mit den richtigen Menschen in Russland zu solidarisieren. Sagen Sie das Schröder und seinen Handlangern!

Einige russische Beobachter sprechen schon von einer revolutionären Situation. Sehen Sie das auch so?

Das hängt vom Typ der Revolution ab. Eines steht fest, das Volk ist nicht glücklich über das, was bei uns vorgeht. Noch ist es aber nicht aktiv und eher mit privaten Dingen beschäftigt. Alle verstehen aber, dass die Machthaber alles stehlen und das Volk betrügen. Das begreifen nur die Zombies der Jugendorganisationen des Kreml nicht, die heute den Sieg feiern. Sie sind die neuen Komsomolzen, die die Zusammenhänge wohl nicht begreifen.

Wie wird der Kreml reagieren?

Mit Repressionen, weil sie nichts anderes können. Es fehlt ihnen der Intellekt, vernünftig vorzugehen. Sie werden versuchen, die Schrauben anzuziehen. Um wenigstens das richtig zu machen, fehlen aber die Ressourcen. Die Armee ist demoralisiert, die Polizei wird sich im Zweifel auf die Seite des Volkes stellen, damit es ihnen nicht so ergeht wie den Kollegen in Libyen. Die harte Strategie wird nicht aufgehen.

Was bedeutet das für die Wiederwahl Wladimir Putins zum Präsidenten?

Das ist die nächste ernste Hürde. Die Dumawahlen dienten nur zum Aufwärmen. Die richtige Party findet im März statt.

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9 Kommentare

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  • H
    Hans

    Putin ist nichts anderes als der Zar im neuen Gewand.

     

    Das Schröder mit daran schuld ist, dass Putin so viel Akzeptanz grade in Deutschland genoss, und sich dabei schön die Taschen voll gemacht hat, kann doch bitte keiner bestreiten. Schröder ist ein Verbrecher und gehört für seine Gas-Deals mit Russland von der Staatsanwaltschaft angeklagt.

     

    Der Vergleich mit Stalin ist ein bischen übertrieben, aber ein Demokrat ist er nicht. Ein Autokrat, ein Despot und nicht mehr weit vom Diktator entfernt.

     

    Die Mehrheit im Volk ist wie in so vielen anderen Industrieländern viel zu betäubt um sich zu wehren. Die wenigen Idealisten, die nicht zum linken oder rechten Rand gehören werden vom Polizeistaat unterdrückt und von der Mehrheit im Stich gelassen.

     

    Sie werden weitermachen, bis die aktuelle Regierung aufgibt und platz für Reformen macht. Man kann jetzt noch nicht sagen, ob es besser wird. Doch kann es viel schlimmer werden???

     

    Ich drücke den humanistischen Aktivisten meine tiefste Bewunderung aus. Macht weiter.

  • V
    Vasya

    Hier in Russland wissen die Meisten überhaupt nicht,was los ist. Wir haben ja bemerkt, dass die Wahlen falsifiziert sind.Da können wir versuchen der Regierung klarzumachen, dass wir es bemerkt haben. Na und?

    Wir wissen sowieso nicht, was sie da noch gestohlen und verkauft haben,während wir in der Strasse stehen und auf einen Polizisten warten,um sich verprügeln zu lassen.

    Jedenfalls,hier habe ich einige Neuigkeiten direkt aus Moskau.Hoffentlich wird jemand sie interessant finden:

    Moskauer Straßen im Zentrum sind von Demonstranten überfüllt.Jeder,wer in der Straße ist(abgesehen davon,ob er eigentlich an der Demo teilnimmt oder bloß nach Hause eilt),kann verhaftet werden. In unserem Sozialnetzwerk "Vkontakte"(Facebook-Analog) gibt es kaum Neuigkeiten, die Politik nicht betreffen.Darunter:

    -Russische Studenten werden gezwungen, an der Einige Russland-Demo teilzunehmen.Zitat:

    "Heute, Dezember 6, hat man uns in der Uni angekündigt,daß wir nur bis Mittag Unterricht haben und dann an einem Meeting in der Pushkinskaya Platz teilnehmen sollen. Es sei der 70 Jahre seit der Schlacht bei Moskau gewidmet.Wir hatten keine Ahnung,daß es für den Gewinn der ER war. In ein Paar Stunden sah ich in den Neuigkeiten, wie "10000 Jugendlichen sich in der Puschkinshaya Platz versammelt haben, um den Gewinn von ER zu feiern"

    -Viele Opposizion-Leader wurden verhaftet,unter ihnen Alexey Navalny - der lauteste Blogger in Moskau.

    -Beobachter wurden aus den Wahlsaalen unter jedem Vorwand entfernt.

    -Der Rote Platz wurde geschlossen.

    -Es gibt eine Menge Videointerwiews von der ER-Jugend,in denen man klarzumachen versucht,warum ER vertrauenswert ist. Die meisten junge Leute sind unter 20 und können kaum ein Satz ohne Fehler zu Ende bringen.

    -Die berühmte sowietische und russiche Schauspielerin Rimma Markowa wollte ein Fan-Treffen veranstalten. Unter allem, hat sie im Voraus angekündigt,daß sie für"Spravedlivaja Rossija"(Gerechte Russland)stimmen würde und daß sie ihre Fans dafür auch agitieren will. Doch da hat sie mehrere Hindernisse getroffen - Elektrizität im Gebäude wurde ausgeschaltet, Toiletten gesperrt.Das Treffen fand trotzdem statt. Mit der Hilfe von Taschenlichten aus dem nächsten Laden.

    -Es gibt Videos von den feierlichen Konzerten der ER. Leute aus anderen Städten und Republiken sagen, daß die ER sie hierher gratis gebracht hat.

    -Gruppen von 20-30 Menschen sah man in Wahlbezirke hineinkommen bei einem Aufseher begleitet.

    -Eine Stimme für ER kostete 300-1500 Rubel(etwa 10-50 EU)

     

    USW.

    Meine Freunde, die im Zentrum wohnen und eine Familie haben, gasten jetzt bei ihren Eltern oder Bekannten, um nicht verhaftet zu werden. Die Intelligenz kommt auf die Straßen.Die Lehrer aus meiner Schule nehmen Teil an Demos und suchen nach Verteidiger für ihre Kollegen und Studenten.

    Wir möchten erhört werden.

     

    P.S.Bitte verzeihen Sie mir mein Deutsch, da es nicht meine Muttersprache ist.

  • R
    Richard

    Muss man einen ernst nehmen, der den russischen Playboy rausgebracht hatte? Als ich das gelesen habe, hab ich mir das Interview ersparrt. Gibt es in Russland niemanden sonst? Navalny ist ein Neonazi, Kasparow macht gemeinsame Sache mit Neonazis und Nationalbolschewisten und Nemzow schlägt wehrlose Leute. Ist der Hass auf Russland so hoch, dass man auf die größten Idioten setzen muss? Was kommt als nächstes? Der moskauer Flaschenberber, der von der Regierung die Schnauze am meisten von allen voll hat?

  • KD
    kritiker der Musik

    Das "Schröder und Handlager" könnte man wirklich erklären.

    - Nicht mitbekommen das Merkel regiert ?

    - Schon Einkalkuliert das Merkel abgelöst wird ?

    - Putin und Schröder sind ständig im TV zu sehen ?

    - Schröder repräsentiert die Geldgeber und Oligarchen die er auf seiner Seite haben möchte ? Schröder ist vielleicht dort so etwas ähnliches, was Ackermann(Schweizer) hier in Deutschland ist: Ein Vertreter des Großkapitals bzw. des Bankertums oder Finanzmarktes oder Industrie ?

     

    Fragen über Fragen.

    Vielleicht ist er per Twitter ja erreichbar und antwortet oder hat das schon. Ältere "Ossis" (Ü30-Party-Besucher und älter) können doch russisch.

     

    Zu Musik-Kritik fällt mir noch ein: Wenn man hier (oder auch USA) zu schlecht über Computerspiele oder Musik oder Filme oder sonstwas berichtet, kriegt man keine kostenlosen Einladungen und keine Werbeschaltungen mehr. So ähnlich als wenn man als Talkshow-Interviewer (Günther Jauch und die anderen vier sind gemeint) zu kritisch mit Politikern umgeht statt sie nur ihre Worthülsen und Sprechblasen absondern zu lassen.

  • JL
    julius lieske

    Der Herr Ex-Herausgeber des Fachblattes für Menschenrechte, Playboy, ging ohne persönliche Einladung zu einer Demonstration und traf dort auf "80 Prozent fröhliche, sympathische und nüchterne Leute da, unter ihnen auch viele junge Frauen." Aufgrund dieses Erlebnisses gibt er "dem System Putin weniger als ein Jahr", lässt er "den Deutschen" ausrichten.Und noch sei es nicht zu spät, sich "mit den richtigen Menschen in Russland zu solidarisieren".

    Wer die richtigen Menschen sind, verrät er uns dankenswerterweise auch gleich:

    "Schön wäre es, wenn sich das große Business zum Mitmachen entscheiden könnte."

    Die haben die Trompeten der Revolution aber noch nicht gehört, denn "Noch haben sie Angst, ihr Geld zu verlieren."

    Das grosse Business, Arm in Arm mit "Blogger Alexej Nawalnij, der der Partei Vereinigtes Russland den Titel "Partei der Gauner und Diebe" verpasste".

    Wenn man so einen Mist liest, möchte man spontan in einen "Blauen Eimer" brechen.

  • P
    Philipp

    @Dorian

    Ich meine, dass in den Medien kompletter Unsinn verzapft wird. Es gibt keine Revolutionsstimmung ausser bei den Faschisten, Kommunisten und dem jämmerlichen Häuflein "Liberalen". Aber hier wird Putin mit Stalin etc. verglichen und so getan als sehen sich die Russen zum (moralisch und finaziell bankrotten) Westen. Lächerlich, was jeder weiß der sich mit dem Thema beschäftigt. Ein instabiles oder kommunistisch/faschistisches Russland ist das letzte was die Welt jetzt braucht!

     

    P.s.

    Versuchs mal mit Argumenten!

  • PG
    Politiker gehören nach Sibirien

    Schalke 04 in "04 Gazprom" umbenennen oder direkt liquidieren, eine/n fähige/n Staatsanwa(e)lt/in finden und Schröder endlich wegen Korruption und Unterstützung des Faschisten Putin den Garaus machen. Aber wahrscheinlich gibt es derartig unabhängige Staatsanwaltschaften nur in Südeuropa, d.h. in Deutschland ist die Korruption bereits systemimmanent.

  • D
    Dorian

    Philipp...

     

    was möchtest du uns mitteilen?

  • P
    Philipp

    "Noch ist es nicht zu spät, sich mit den richtigen Menschen in Russland zu solidarisieren. Sagen Sie das Schröder und seinen Handlangern!"

     

    Wer zum Teufel sind die "Richtigen"?? Glaubt bitte nicht den Unsinn, dass die Russen westliche Ideale wollen. Nemzow, Kasparov und Konserten sind bei den Russen verhasst oder werden maximal belächelt. Die westlich-liberalen können maximal 5-10 % erreichen.

     

    Wollt wir wirklich Schirnowski oder Suganow an der Macht haben. Dann lieber Putin!

     

    P.s.

     

    Hat der sie eigentlich noch alle mit Schröders "Handlangern"? Was will der eigentlich??