Music for President: Lalala Obama
Warum welcher Song auf Ihrer privaten Obama-Siegesparty nicht fehlen darf? Erklären wir Ihnen hier. Auf dem Soundtrack: Billie Holiday, 2Pac, The Scorpions und Tarkan.
The Pointer Sisters: We got to make this land a better land / Than the world in which we live / And we got to help each man be a better man / With the kindness that we give / I know we can make it / I know darn well we can work it out / Oh yes we can, I know we can can
Der Urtext aller Obama-Reden; geschrieben und komponiert von Allen Toussaint für Lee Dorsays gleichnamiges Album von 1970, bescherte "Yes we can" drei Jahre darauf den Pointer Sisters den ersten Charterfolg. Streng betrachtet ein unerträglich naiver und pathetischer Text, entwickelt das Stück dank der lässigen Baseline und dem kräftig-geschmeidigen Leadgesang von Anita Pointer einen funky Zauber, dem man sich nicht entziehen kann. Sehr obamesk.
Will.I.am: Yes we can to opportunity and prosperity / Yes we can heal this nation / Yes we can repair this world / Yes we can
Das Original. Oder doch die Kopie? Rapper will.i.am von den Black Eyed Peas millionenfach geklicktes Sampling einer Obama-Rede. Frei nach Emma Goldman: Wenn ich zu deiner Rede nicht tanzen kann, bist du nicht mein Präsident.
Obama Girl: You tell the truth unlike the right / You can love but you can fight / You can Barack me tonight / I've got a crush on Obama
Ein Video, in dem Amber Lee Ettinger zum Teen-Pop-Gesang von Leah Kauffman ein Obama-Groupie spielt und nur einer von etlichen Clips, die mehr oder weniger bekannte Musiker in den letzten anderthalb Jahren auf Youtube veröffentlicht haben. Warum gerade das? Wegen der Zeile "Barack me tonight" natürlich.
Stevie Wonder: Here I am, baby / Signed, sealed, delivered, Im yours / You got my future in your hands
Das Treiben im Web 2.0 war das eine, der choreografierte Einsatz von Popmusik im Wahlkampf das andere. Doch während John McCain Mühe hatte, Musiker aufzutreiben, die ihre Stücke herzugeben bereit waren, konnte Obama nach dem Ausscheiden Hillary Clintons aus dem Vollen schöpfen. Die Bühne betrat er oft zu "City of blinding lights" (U2) und ging mit Stevie Wonder ab. Dieses Stück ist auch auf der CD-Compilation "Yes we can - Voices of a Grassroots Movement" enthalten - ein offizieller, daher sehr um Konsensfähigkeit bedachter Obama-Soundtrack. Aber konsensfähige Musik ist nicht immer schlechte. Und ganz ohne Konsens kann zwar Kunst auskommen, Change aber ist so nicht zu haben.
Billie Holiday: Black bodies swinging in the southern breeze / Strange fruit hanging from the poplar trees
Billie Holiday blieb zeit ihres Lebens dazu gezwungen, die Bühne durch Hintereingänge zu betreten. Andererseits musste sie bei Tourneen mit Jazzbands oft ihr Gesicht mit Make-up schwärzen, weil sie dem weißen Publikum nicht schwarz genug erschien. Wir spielen ihren Klassiker über Lynchmorde in den Südstaaten, erinnern uns an Nina Simones zornige Variation desselben Themas in "Mississippi Goddam" und vergegenwärtigen uns die Geschichtsträchtigkeit des Tages.
Gil Scott-Heron: You will not be able to stay home, brother / You will not be able to plug in, turn on and cop out / You will not be able to lose yourself on skag and skip / Skip out for beer during commercials / Because the revolution will not be televised
Hunderte von naseweisen Medientkritikern haben schon darauf hingewiesen, dass Scott-Herons berühmte Zeile aus dem Jahr 1970 von der Technik überholt worden sei und heute CNN selbstverständlich live... Ach nee! "Was man sieht, sind manchmal nur die Ergebnisse bestimmter Prozesse, doch das ist keine wirkliche Revolution. Revolution findet im Kopf statt", hat Scott-Heron dazu einmal der taz diktiert. Recht hat er. Aber die Ergebnisse bestimmter Prozesse, die sehen wir dann gerne auf CNN. Besonders heute Abend.
Jello Biafra & Mojo Nixon: And I love Blacks and Gays and Latinos / As long as they don't move next door / So love me, love me, love me / I'm a liberal
Ja, auf dem Teppich bleiben: Ein Demokrat gewinnt die Wahl. Na und?
Elvis Costello & The Attractions: There's one thing I wanna know / What's so funny ,bout / Peace, love and understanding?
Obwohl: Obama ist ja nicht irgendein Demokrat. Deshalb dieser Song, der (allerdings erst in Costellos aggressiver Coverversion) nicht nur eine Ehrenrettung für Schwärmer und Weltverbesserer aller Art liefert, sondern all die Realisten-Analysten-Kapitalisten-Leninisten fragt: Was zum Teufel ist so lustig an Frieden, Liebe und Verständigung?
Marvin Gaye: Father, father / We don't need to escalate / You see, war is not the answer / For only love can conquer hate
"What's going on?" Die Frage, die am Anfang des Politischen steht: Was passiert in der Welt, was bei uns zuhause? Marvin Gaye stellte sie 1972, schrieb damit Musikgeschichte und neben Curtis Mayfields "People get ready" eine der Civil-Rights-Hymnen schlechthin. Einen aber konnte er nicht erreichen: Seinen Vater, einen Pfarrer, dem der Lebenswandel des Sohnes missfiel und der ihn am Tag vor seinem 45. Geburtstag im Streit erschoss. Das Problem sitzt eben nicht nur im Pentagon oder an der Wall Street. Obama hatte allen Grund, diesen Song bei einer Umfrage des Magazins Blender auf Platz Zwei seiner persönlichen Hitparade zu setzen.
The Fugees: Ready or not, here I come, you cant hide / Gonna find you and make you want me
Obamas Nummer eins. Gegen "Dancing Queen" (Abba) bei McCain. Es kann keinen Zweifel geben, wer gewinnt.
The Rolling Stones: War, children, it's just a shot away / It's just a shot away / Rape, murder! / It's just a shot away / It's just a shot away / The floods is threat'ning / My very life today / Gimme, gimme shelter / Or I'm gonna fade away
Wir übergehen Obamas Platz 3 ("I'm on fire" von Bruce Springsteen) und legen stattdessen Platz 4 auf: die Stones, mit dem Eröffnungsstück ihres 69er-Albums "Let it bleed". Der souligste Song, den Jagger/Richards je gemacht haben. Sehr düster. Sehr bedeutungsschwer.
2Pac: And although it seems heaven sent / We ain't ready to see a black president, uhh
Zitathölle Obama: Eine Zeile von Gangsta-Rapper 2Pac aus seinem Stück "Changes" mit Samplings von Bruce Hornby ("Thats just the way it is / Some things will never change / But don't you believe them"); zwei Jahre nach seinem Tod 1996 veröffentlicht; von Nas auf "Black President" gesampelt - zusammen mit Passagen einer Obama-Rede ("They said this day would never come")
John Mellencamp: No I cannot forget where it is that I come from / I cannot forget the people who love me / Yeah, I can be myself here in this small town / And people let me be just what I want to be
Der Heartland-Rocker John Mellencamp hat sich seinen Platz redlich erarbeitet: Erst untersagte er McCain, seinen Song "Our Country" zu verwenden, dann bekundete er Sympathie für Obama: "Egal, ob du in einer Kleinstadt oder einer Großstadt lebst, es ist Zeit für Change."
The Scorpions: Take me to the magic of the moment / On a glory night / Where the children of tomorrow dream away / In the wind of change
Da ist es wieder: Change! Wer will das nicht? Aber sagen Sie hundertmal hintereinander das Wort "Brot", und es wird Ihnen völlig sinnlos vorkommen. Darum gibt es nicht Bob Dylans "The Times, they are a-changin'", auch nicht Sam Cookes "A Change is gonna come", sondern aus dem Mutterland der Wende: die Scorpions!
Tarkan: Seni gidi findik kiran / Yilani deliginden cikaran / Kaderim pösküllü belam / Yakalarsam...
Tarkans Knutsch-Hit lässt noch mehr Türken von ihren Sitzen aufspringen als die offizielle Nationalhymne. Warum er hier läuft? Weil sich andere Leute auf einen Obama freuen dürfen, während unsereins nicht mal einen deutschtürkischen Landesminister für Gedöns vorweisen kann und auch sonst keinen Grund hat, überheblich zu werden.
Aretha Franklin: R-E-S-P-E-C-T / Find out what it means to me
Viele Soulklassiker sind durch die Werbung für dit & dat so durchgenudelt, dass wir sie kaum noch hören können, ohne im Gedanken ein "Bit" zu bestellen. Das gilt, leider, auch für Aretha Franklin. Aber da sie Otis Reddings politischen Song (Bürgerrechte!) weiter politisierte (Frauenrechte!) und eine satte Portion Rhythmus reinmixte, wollen wir es versuchen.
The J.B.'s: Damn right I am somebody
Jesse Jackson mag nicht der charismatischste Black-Leader gewesen sein, aber ein zentrales Motiv der afroamerikanischen Kunst, die Betonung der eigenen Subjektivität gegen die Missachtung durch die weiße Mehrheit, hat er am prägnantesten formuliert: "I am somebody", dichtete er; hört her, ich bin jemand! 1974 machten die J.B.'s, die Band von James Brown, diese Zeile zum Titelstück ihres vierten Albums. Bevor die Band mit ihrem rauen Deep Funk loslegt, fragt der Godfather of Soul, der hier als Produzent am Werk war, jeden einzelnen der Bandmitglieder: "Are you somebody?"
Grace Jones: Pull up to my bumper baby / In your long black limousine / Pull up to my bumper baby / And drive it in between
Grace Jones, das war die perfekte Inszenierung von Sex jenseits von race und gender. Obama ist das irgendwie auch. In der staats- und familientaugliche Ausführung, versteht sich.
LCD Soundsystem: The time has come / The time has come / The time has come today
In Williamsburg will man den Change nicht weniger als in Harlem. Und: Die derzeit beste Electroclash-Band, ach was: die derzeit beste Band der Welt geht immer, dieser Track ("Us vs. Them", 2007) auch und gerade today.
Michael Jackson: But, if / You're thinkin' about my baby / It don't matter if you're black or white
Schwarz, Weiß. Egal. Tanzen.
The Isley Brothers: But I got so many things to do / Ooh, I got work to do, I got work baby / I got a job yeah I got work to do
Weiter tanzen. Und mit einem alten Stück (36) von der ältesten Popband der Welt (54) den jungen Herrn Obama (47) daran erinnern, dass der Job erst beginnt.
Tina Turner: You're simply the best / Better than all the rest / Better than anyone, anyone / I've ever met Beethoven/Schiller: Deine Zauber binden wieder / Was die Mode streng geteilt / Alle Menschen werden Brüder / Wo dein sanfter Flügel weilt Queen: No time for losers / Cause we are the champions / Of the world
Und dann, ja dann, können alle Schamgrenzen fallen.
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