piwik no script img

Muhabbet und die IntegrationVerbotene Liebe

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Der "Deutschland"-Song des umstrittenen Sängers Muhabbet ist raus - der böse Verdacht bleibt hängen.

Muhabbet: "Bitte nehmt uns so, wie wir sind." Bild: dpa

S eit gestern steht der "Deutschland"-Song, den der deutschtürkische Schmusesänger Muhabbet vor drei Wochen gemeinsam mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und seinem französischen Kollegen Bernard Kouchner aufgenommen hat, in den Plattenläden. Damit darf man sich jetzt den wirklich wichtigen Fragen zuwenden. Etwa wozu der Sänger eigentlich zwei Minister als Chorknaben braucht. Oder wovon der Song handelt. Und ob die prominenten Politiker mit ihrer Gesangseinlage nicht bloß darüber hinwegtäuschen wollten, dass es ihren Regierungen ansonsten an zündenden Integrationsideen fehlt.

All diese Fragen waren in den Hintergrund gerückt, als die Journalistin Esther Shapira verkündete, der 23-jährige Sänger habe ihr gegenüber den Mord am Filmemacher Theo van Gogh begrüßt. Damit war der Ton gesetzt, der Sänger stand fortan unter "Islamismusverdacht". Ein paar besonders Eifrige wühlten sogar in seiner Vergangenheit, wo sie ein paar Raptexte seines Bruders zutage förderten, für die Muhabbet kurzerhand der Sippenhaftung unterworfen wurde.

Anders als bei Eva Herman, Bushido oder Ralph Giordano, die gerne mal die öffentliche Provokation suchen, sind Muhabbets so umstrittene Äußerungen allerdings im privaten Rahmen gefallen; der Sänger hat sie dementiert. Trotzdem wird der Vorwurf fortan an ihm hängen bleiben. Nicht bei den Fans, die ihr Idol besser zu kennen meinen. Aber bei Journalisten, die einer Kollegin eben mehr Glauben schenken als einem 23-jährigen Musiker, von dem sie nie zuvor gehört hatten.

Dabei gibt es ja gar nicht so wenige Journalisten, die eine Geschichte aufbauschen, um sich selbst wichtig zu machen. Esther Shapiras Eifer trifft jedenfalls den Falschen. Das hat weniger mit Muhabbets oft zitiertem Engagement für SOS-Kinderdörfer oder die Unicef zu tun. Es liegt eher an der Botschaft, die Muhabbet unermüdlich verbreitet: dass man auch als Migrantenkind sein Schicksal in der eigenen Hand hat; dass man nicht seine Herkunft verleugnen muss, um sich mit Deutschland zu identifizieren; und dass man sich nicht zu viel über Diskriminierungen beklagen sollte, sondern einfach ehrgeiziger und fleißiger sein muss als der Rest. Diese Botschaft verbreitet Muhabbet auf seinen Platten, Konzerten und an Schulen. Damit hat er mehr für die Integration getan als viele, die ihn jetzt kritisieren. Wenn es sich bei ihm also um einen Islamisten handeln sollte, dann braucht dieses Land dringend mehr davon.

Bislang ist Muhabbet vor allem durch harmlose Liebesballaden in Erscheinung getreten. Muhabbets "Deutschland"-Song, der jetzt in die Läden kommt, ist nun ein Liebeslied an diese Republik. Denn anders als Sido, Bushido & Co, die sich in der Pose des selbst gewählten Außenseiters gefallen, will Muhabbet unbedingt gefallen und dazugehören. Trotz des etwas weinerlichen orientalischen Gesangsstils ist die Botschaft seines "Deutschland"-Songs durchaus fordernd: Wir Einwandererkinder wollen ein Teil dieser Gesellschaft sein. Wir sind integrationsbereit, aber seid ihr es auch? Bitte nehmt uns so, wie wir sind.

So ausgeprägt ist Muhabbets Aufstiegswille, dass er dafür sogar die Nähe zu Politikern sucht, was man als Popstar tunlichst vermeiden sollte. Glaubt man den bisherigen Reaktionen, wird es allerdings bei einer unerwiderten Liebe bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • S
    SZ-Leser

    "Wenn es sich bei ihm also um einen Islamisten handeln sollte, dann braucht dieses Land dringend mehr davon."

     

    Sorry, aber das ist selten dämlich und peinlich - denn würde man für unsere heimischen Rechts- wie Linksextremisten die gleichen Maßstäbe anlegen, dann wäre deren politische Haßpropaganda genauso unproblematisch wie Muhabbets islamistisches Gerede - solange man ja sonst ein guter Mensch ist, der sich um das Zusammenleben aller kümmert ...

     

    Hey, 1968 ist seit knapp 40 Jahren vorbei ... macht mal die Augen auf!