Journalistin beschuldigt Sänger Muhabbet: Verdächtigungen in den "Tagesthemen"
Gerade hat er noch ein Duett mit dem Außenminister gesungen. Jetzt wird "Muhabbet" von einer TV-Journalistin vorgeworfen, einen islamistischen Mord gebilligt zu haben.
BERLIN taz "Es gibt so viele negative Klischees über deutsch-türkische Jugendliche. Ich möchte dem etwas Positives entgegensetzen", sagt der deutsch-türkische Sänger Murat Ersen alias Muhabbet von sich. Das scheint nun missglückt zu sein. Zwar engagiert sich der Musiker als Botschafter für die Unicef, für SOS-Kinderdörfer und gegen Gewalt an Schulen, er trat beim Sommerfest von Bundespräsident Köhler auf und nahm am Montag, zusammen mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dessen französischem Kollegen Bernard Kouchner, einen "Deutschland"-Song auf. Doch in den ARD-"Tagesthemen" erhob die TV-Journalistin Esther Schapira am Montag einen heftigen Vorwurf gegen ihn: Der Sänger habe ihr gegenüber den Mord an dem holländischen Filmemacher Theo van Gogh gebilligt.
Der Verdacht, mit islamischen Fundamentalisten zu sympathisieren, trifft nicht nur den bislang unbescholtenen Sänger. Er trifft auch Außenminister Steinmeier, der damit in den Ruch der Naivität im Umgang mit muslimischen Einwanderern gerät. Steinmeier ging daraufhin am Dienstag in die Offensive und warf der ARD mangelnde Recherche vor.
Der Anlass für die gegenseitigen Verdächtigungen liegt mehr als drei Wochen zurück. Bei der Verleihung des "Prix Europa" für europäische Fernsehproduktionen im RBB-Sendesaal in Berlin liefen sich die TV-Journalistin und der deutsch-türkische Musiker das erste Mal über den Weg. Der 23-Jährige hatte gerade seinen Auftritt mit der Bigband des Capital Dance Orchestras hinter sich, als sich die beiden am Festbankett begegneten.
Esther Schapira hatte in Berlin einen Preis für ihren Dokumentarfilm über den Mord an Theo van Gogh entgegengenommen. Es ergab sich ein Wortwechsel, über dessen genauen Inhalt die Darstellungen auseinandergehen. In den "Tagesthemen" erklärte Ester Schapira gestern, der Musiker habe ihr gegenüber erklärt, er hätte den Filmemacher lieber "im Keller gefoltert", bevor er ihn ermordet hätte. Ihr Ko-Autor Kamil Taylan stützt ihre Darstellung: "Ich hielt das zunächst für einen Witz. Hätte ich nicht gerade einen Preis bekommen, dann hätte ich ihm wohl die Visage poliert", so der 57-jährige Fernsehjournalist.
"Da ergab ein Wort das andere", sagt Muhabbets Manager Jochen Kühling, der bei dem Gespräch anwesend war. "Aber das hat er nicht gesagt. Das widerspricht auch allem, wofür er steht." Der Musiker selbst weist die Vorwürfe weit von sich. Nun steht Aussage gegen Aussage.
Bleibt die Frage, ob die Details solcher Tischgespräche in die "Tagesthemen" gehören. Da es an unabhängigen Zeugen des Streitgesprächs fehlt, bleibt zunächst einmal der fade Nachgeschmack eines reinen Verdachtsjournalismus. Bislang waren die ARD-"Tagesthemen" nicht dafür bekannt, ungeprüfte Gerüchte in die Welt zu setzen - auch wenn sie aus dem eigenen Haus kommen. Bis vorgestern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt