Münchner Pinakothek der Moderne: Kamindekoration für den Führer
Wie politisch sind nackte Frauen? „GegenKunst“ in der Münchner Pinakothek der Moderne konfrontiert Nazikunst mit „entarteter“ Malerei.
Ein zentraler Raum mitten in der ständigen Ausstellung der Pinakothek der Moderne in München fordert die Museumsbesucher heraus. In ihm ist eine kleine, provokative Ausstellung installiert, die Werke der „deutschen Kunst“ mit solchen der „entarteten Kunst“ konfrontiert und somit ein Spannungsfeld zwischen den Motiven und Arbeitsformen nationalsozialistischer Kunst und exponierten Meisterwerken der Avantgarde erzeugt.
Seit 1945 wurden die Werke des Nationalsozialismus nur in gesonderten Ausstellungen und in Geschichtsmuseen gezeigt. Ein Anlass, diese Konvention zu durchbrechen, ergab sich aus der Tatsache, dass etwa Adolf Zieglers Bild „Die vier Elemente“ von 1936 immer wieder in die USA ausgeliehen wurde, so in die Neue Galerie Ronald S. Lauders in New York und in eine Ausstellung zum Realismus der dreißiger Jahre. Vor diesem Triptychon ist Joseph Thoraks Paarskulptur „Zwei Menschen“ von 1941 positioniert.
Der Mann wirkt in der übergroßen idealen Körpergestalt der arischen Männlichkeitsvorstellung in sich gekehrt. An ihn geschmiegt, eine etwas kleinere Frau, die sich hingebungsvoll zu ihm aufreckt. Zwischen den Körpern ein Tuch, ein Symbol für die prüde Geschlechterkultur.
Diese nationalsozialistisch codierte Kunst wird mit Max Beckmanns Triptychon „Die Versuchung des heiligen Antonius“ von 1936/37 konfrontiert, ein Werk, das als „entartete Kunst“ stigmatisiert wurde. Otto Freundlichs Skulptur „Der Aufstieg“ von 1929 bildet einen weiteren abstrakten Pol. Ferner hängt das Werk „Kreuzigung“ von Francis Bacon aus dem Jahr 1965 im Raum.
Totalitarismus der Abstraktion
Es war das erste Werk, das erneut als figürliche Malerei angekauft wurde, um die westliche Moderne in die Sammlung einzubeziehen. Denn im Unterschied zum selbstverständlichen Pluralismus in den englischsprachigen Ländern, war Deutschland nach der totalitären Ausschließlichkeit der „deutschen Kunst“ bis 1945 in den fünfziger und sechziger Jahren in einen Totalitarismus der Abstraktion gerutscht.
Der Blick des Museumsbesuchers kann nun bei seinem Rundgang im Raum die Werke in unterschiedlichen ästhetischen Kombinationen in den Blick nehmen. Damit werden die konträren Auffassungen der künstlerischen Arbeit in dieser Zeitgenossenschaft sichtbar.
Dieser Versuch ist konsequent, da insbesondere die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in den fünfziger Jahren einen Bestand von 900 Werken aus Staatsbesitz „überstellt“ bekommen hatten, der aus den enteigneten Sammlungen der NS-Führung um Hitler, Göring sowie Bormann stammte und in Depots lagerte. Dabei umfasste dieser Bestand ohnehin nur solche Werke, die in ihrem Motiv von amerikanischen Kunstoffizieren als unbedenklich betrachtet worden waren. Werke mit erkennbarer politischer Symbolik waren bereits 1946 in die USA verbracht und 1985 nur in Teilen an die Bundesrepublik zurückgegeben worden.
In unserem kollektiven Bewusstsein wird Zieglers Bild nach wie vor mit der politischen Programmatik der NS-Ideologie mit ihrer Rassentheorie verbunden. Steht man nun erstmals auf Augenhöhe vor dem Bild, so sieht man die akademische Arbeitsweise des Malers, seinen handwerklich-präzisen Farbauftrag auf der textilen Struktur der Leinwand. „Die vier Elemente“ werden von herben, eher bäuerlichen Frauenfiguren mit erstaunlich ähnlichen Gesichtern symbolisiert, die auf Truhen sitzen. Die Allegorien von Wasser, Feuer, Erde und Luft wirken allerdings körperlich eher unscheinbar.
Ziegler konnte sich zeitweise Hoffnungen machen, Leitbilder für die neue Malerei im NS-Staat zu setzen. Hitler hatte ihn bereits 1933 als Professor an der Akademie der bildenden Künste München eingesetzt. Dadurch erhielt er den in der NS-Gesellschaft so prestigeträchtigen Nimbus einer besonderen Nähe „zum Führer“. 1936 avancierte Ziegler zum Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste. Hitler kaufte „Die vier Elemente“ für den Platz oberhalb des Kamins in der Wohnhalle im „Führerbau“ Paul Ludwig Troosts in München an. Dieses Bild erhielt in der ersten „Großen deutschen Kunstausstellung“ von 1937 einen exponierten Platz. All dies trug zu dieser besonderen Codierung des Triptychons bei.
„Reichsschamhaarmaler“
Diejenigen Besucher, die diesen historischen Kontext nicht kennen, stehen in der Ausstellung vor einem Bild als einer bloßen figürlichen Malerei dieser Zeit, wie insbesondere zahlreiche Besucher in den amerikanischen Ausstellungen. Jedoch selbst für nationalsozialistisch orientierte Zeitgenossen mag damals eine politische Aussage auf der Leinwand nicht erkennbar gewesen sein, sodass die penible Malweise bei seinen Akten sich in der Kommentierung zu Ziegler in den Vordergrund schob und ihm den Spottnamen „Reichsschamhaarmaler“ eintrug.
Bis 31. Januar, Pinakothek der Moderne, München
Ist dieses Werk heute gefährlich? Ich kann dies schwerlich erkennen. Erst der kunstpolitische Kontext gab diesem Bild damals eine Bedeutung. Daher ist es ein großartiger Einfall des Hauses, in diesem Raum nicht klassische Führungen zu veranstalten, sondern unter „Diskutieren statt führen“ die reflexive Auseinandersetzung vor den Werken zu fördern. Für diese werden Experten eingeladen, die auf Fragen des Publikums Bezug nehmen. „Es ist Zeit“, sagt eine interessierte Besucherin, „dass wir endlich systematischer beginnen, uns kritisch mit dieser merkwürdigen Hinterlassenschaft zu beschäftigen.“
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